FC Bayern nach van Gaals Rausschmiss Ohne Spaß und das rechte Maß

Von Patrick Strasser, München
Der FC Bayern am Tag 1 nach Louis van Gaal: Interims-Nachfolger Andries Jonker gedenkt seinem Meister, versöhnlich aber wird es nicht. Dafür hat Uli Hoeneß zu viel kaputt gemacht.

Am Montag hat es doch noch einer ausgesprochen, der auf dem Lohnzettel des FC Bayern steht. Keiner der Bosse, natürlich nicht. Auch Uli Hoeneß, der Präsident, nicht. Nein, das wäre nicht mal als verspäteter Aprilscherz durchgegangen: Hoeneß lobt Louis van Gaal – eine klassische Ente, denn längst ist aus der "Lame Duck" van Gaal ein gerupftes Hühnchen geworden.

Es war Andries Jonker, der neue Bayern-Trainer, der neue, na ja (interims-)starke Mann. Er hat es getan, er hat tatsächlich Louis van Gaal gelobt. Eine treue Seele, dieser Jonker, ein netter Kerl, dieser Blonde mit seinem jedem Windstoß trotzenden juvenilen Seitenscheitel. Viel jünger als 48 sieht er aus. Mal sehen, was aus ihm in fünf Wochen am Saisonende geworden ist.

Jonker muss nun jedoch keine Repressalien erwarten. Der Fünf-Spiele-Chefcoach des FC Bayern hat van Gaal bei seiner ersten Pressekonferenz am Montag nicht nur erwähnt, er sagte gar: "Louis van Gaal hat sehr, sehr viele Sachen sehr gut gemacht." Zudem bedauerte sein Landsmann und treuer Begleiter auf vielen Jobstationen, dass das ganze Trainerteam um die drei entlassenen Frans Hoek (Towarttrainer), Jos van Dijk (Trainings-Physiologe) und Max Reckers (Videoanalytiker) dezimiert wurde. "Wir waren ein Jahr so erfolgreich, wir hatten vielleicht sogar das erfolgreichste Jahr der Bayern-Geschichte - und dann fällt die Gruppe auseinander. Es sind drei sehr gute Kollegen nicht mehr dabei." Uli Hoeneß hingegen wird bedauern, dass man im September die Verträge des gesamten Stabes bis Juni 2012 verlängert hatte. Auch van Gaal wird bis zu einer Auflösung des Kontraktes sein üppiges Jahressalär weiter beziehen, da er rein arbeitsrechtlich nur beurlaubt ist.

Wenn Beleidigungen riechen würden

Erfolg ist vergänglich und Ruhm sowieso – in München geschieht die Sportlerweisheit "from hero to zero" sogar im Zeitraffer. Der Rekordmeister wendete sich auch im Rekordtempo von leitenden Angestellten ab – inklusive übler Nachrede. Das war in den Fällen Otto Rehhagel 1996 oder Jürgen Klinsmann 2009 nicht anders als nun mit Louis van Gaal.

Jonker saß, als er dies sagte, nur einen Barhocker auf dem Podium entfernt von dem Platz, der, wenn Beleidigungen und üble Nachrede einen gruseligen Geruch hätten, noch etwas von Uli Hoeneß' Rede genau 25 Stunden zuvor ausdünstete. Während Jonker mit leicht gebräuntem Teint freundlich herüberkommen wollte, war es Hoeneß tags zuvor mit errötetem Gesicht nicht darum gegangen, einen diplomatisch-souveränen Eindruck zu hinterlassen. Hoeneß ist der Vereinspräsident, er sollte im Grunde die Rolle des zurückhaltenden Grandseigneurs einnehmen, in Würde auf seinem neuen Posten seit Januar 2010 alt werden – und nur hin und wieder sich bedacht wie vornehm zu Vereinsangelegenheiten äußern. Doch das kann der Mann nicht. Ausgeschlossen.

Der erste Fan des FC Bayern

Hoeneß sieht sich als ersten Fan des FC Bayern, das ist so kindlich wie romantisch-schön, und genau deshalb kann er nach 41 Jahren als Spieler, Manager und nun Präsident nicht mit seinem Lebensinhalt nüchtern-analytisch umgehen wie der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge, aus dem die Emotionen nur alle Jubeljahre einmal herausbrechen.

Dass Hoeneß aber derart brachiale Worte wählte und sogar Kraftausdrücke verwendete, hatte keinen Stil. Er fühlt sich von van Gaal verraten, und wer sich dem Rat der Weisen aus dem Vorstand inklusive Präsidium entzieht, gilt fortan als "persona non grata". In höchster Erregung schleuderte Hoeneß Nachrufsätze wie mit einer Steinschleuder bewaffnet heraus.

Dem Verein fehlte unter van Gaal der Spaß, wie er feststellte, und Hoeneß selbst wohl das rechte Maß. Nun meldet sich bereits sein Vorgänger Franz Beckenbauer zu Wort, einst dafür bekannt, mit charmant-freundlichen Worten böse auszuteilen. Was gerade Hoeneß des öfteren mächtig echauffiert hatte. "Das ist zwar nicht mehr seine Aufgabe, sich als Präsident in das operative Geschäft einzumischen, aber wir sind froh, dass er es tut", sagte Beckenbauer im TV bei Sky und verglich sich selbst mit dem aktuellen Präsidenten: "Ich sehe jetzt eine Steigerung." Der Ehrenpräsident rang um die treffende Formulierung: "Er ist derjenige, der die richtigen Worte findet. Ob die immer gut ankommen, wage ich zu bezweifeln."

Es war wohl Hoeneß' größte Leistung, van Gaal nicht noch derber beleidigt zu haben. Doch haben nicht die Bosse mit dem faulen Kompromiss vom 6. März nach dem 1:3 in Hannover, van Gaal weiterarbeiten zu lassen, nur seine Laufzeit um ein Jahr zu verkürzen und ihn damit zu entmachten, einen ebenso großen Fehler gemacht wie van Gaal mit diversen Entscheidungen und seiner Sturheit? Es mutet an, als habe Hoeneß die Arbeit und Beratungsresistenz van Gaals als vereinsschädigend erachtet – doch dann muss sich der 59-Jährige auch die Frage gefallen lassen: Waren sein Wutausbruch und seine derben Worte vom Sonntag nicht auch vereinsschädigend? Die Gelegenheit zum stilvollen Abschied für einen Trainer, der beinahe das erste Triple der Vereingeschichte gewann, hat er jedenfalls verpasst.

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