Fußball-Nationalelf König gekürt, Kronprinz gesucht

Nach seiner fehlerlosen WM-Leistung und Kahns Rücktritt ist Torhüter Jens Lehmann unumstritten. Gegen die Slowakei wird die Nummer Eins auf den Platz zurückkehren. Nie war der Keeper von Arsenal London so mächtig wie heute.

Als Jens Lehmann vor einem Jahr in Bratislava beim 0:2 gegen die Slowakei im Tor stand, trug er noch die für einen Torhüter ungewöhnliche Nummer 9 auf dem Trikot und war lediglich der Herausforderer von Oliver Kahn. 13 Monate später ist alles anders: Am Dienstag kehrte der 36-Jährige als unangefochtene Nummer Eins der deutschen Fußball-Nationalmannschaft nach Bratislava zurück, wo er an diesem Mittwoch mit einem Erfolg gegen die Slowaken einen großen Schritt zur EM 2008 in Österreich und der Schweiz machen will.

"Meine Erwartung ist, dass wir gut spielen. Und meine Hoffnung ist, dass wir ein schönes Ergebnis holen", sagte Lehmann vor seinem 42. Länderspiel. Revanchegelüste treiben ihn dabei auch an, denn die Erinnerung an eine der blamabelsten Niederlagen in der Ära von Jürgen Klinsmann ist noch nicht verblasst. "Wir haben noch alle im Gedächtnis, dass wir damals 0:2 verloren haben", erklärte Lehmann.

Kampf um die Kornprinzen-Rolle

Die Nationalmannschaft von damals und heute lässt sich kaum noch miteinander vergleichen - die WM hat fast alles verändert. Das gilt insbesondere auch für Lehmann: Nach seiner starken WM-Leistung und dem Rücktritt des Rivalen Kahn ist der Torhüter des FC Arsenal unumstritten. Bundestrainer Joachim Löw hatte ihm gleich bei seinem Amtsantritt einen Persilschein bis zur EM ausgestellt. "Jens ist als Nummer Eins gesetzt", bekräftigte Torwartcoach Andreas Köpke dieser Tage.

Ob Timo Hildebrand, der sich beim 2:0 gegen Georgien bewähren durfte, Robert Enke, Roman Weidenfeller, Tim Wiese oder Raphael Schäfer - alle anderen deutschen Torhüter kämpfen derzeit nur um die Kronprinzen-Rolle. Lehmann nimmt das Gerangel um die Nummer 2 kaum wahr: "Es interessiert mich nicht." Eine Beschäftigung mit seinem möglichen Nachfolger wäre aus seiner Sicht "verschwendete Energie".

Auch in der Hierarchie hat Lehmann wie selbstverständlich den Platz seines langjährigen Rivalen Kahn eingenommen. Er ist neben Kapitän Michael Ballack und Mittelfeldspieler Torsten Frings zu einem einflussreichen Wortführer aufgestiegen, auch dem Mannschaftsrat gehört er an. Die Vorreiterrolle, die er beim erfolgreichen Kampf der Nationalspieler mit der Verbandsführung um die freie Schuhwahl übernahm, hat sein Ansehen im Kollegenkreis weiter gesteigert.

"Zu Hause sind die Slowaken sehr gefährlich"

Nach Jahren des Schattendaseins genießt Lehmann seinen neuen Status und die Anerkennung. Immer häufiger erscheint er auch auf dem Podium bei DFB-Pressekonferenzen und formuliert selbstbewusst die Ziele der Nationalmannschaft vor Länderspielen. "Wir müssen sehr vorsichtig sein. Zu Hause sind die Slowaken sehr gefährlich", sagte er vor der Partie in Bratislava. Aber größer als der Respekt ist das zur Schau gestellte Selbstbewusstsein. "Wir sollten inzwischen die Mentalität haben, auch hier gewinnen zu wollen", verkündete Lehmann.

In den 270 Spielminuten, die er nach der WM beim 3:0 gegen Schweden, dem 1:0 gegen Irland und dem 13:0 gegen San Marino im deutschen Tor stand, kassierte Lehmann kein Gegentor. Und anders als vor zwölf Monaten, als ihn der für den VfL Wolfsburg spielende Miroslav Karhan mit einem Elfmeter und einem feinen Heber gleich zwei Mal überwand, soll trotz erheblicher Personalsorgen in der Abwehr bei Deutschlands Nummer Eins dieses Mal auch in Bratislava die Null stehen.

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Klaus Bergmann und Arne Richter/DPA

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