Griechenland im Finale Hellas feiert Dellas

Hinten putzte Otto Rehhagels "Koloss von Rhodos" alles weg - und dann schlug Traianos Dellas in der 105. Minute auch noch vorne zu. Das erste "Silver Goal" der Fußball-Geschichte war eigentlich ein "Goldenes".

Mit dem "Silver Goal", das in der Wirkung dem abgeschafften "Golden Goal" gleichkam, weil Schiedsrichter Pierluigi Collina die Partie anschließend abpfiff, krönte der 28 Jahre alte Grieche die Renaissance des im modernen Fußball längst ausgestorbenen Liberos und stürzte Teamkollegen, Betreuer und seine Landsleute in einen kollektiven Freudentaumel.

Stimmen zum Spiel

Otto Rehhagel (Nationaltrainer Griechenland):

"Das Märchen geht weiter. Es ist unglaublich und fantastisch, was die Mannschaft heute vollbracht hat. Die Leidenschaft und der Wille haben heute gesiegt. Wir hatten nichts zu verlieren. Auch im Endspiel gegen Portugal sind wir der totale Außenseiter, aber im Fußball ist nichts unmöglich. An diesem Erfolg haben wir drei Jahre lang step by step gefeilt. Die Mannschaft hat ein ungeheures Selbstvertrauen gewonnen."

Angelos Charisteas (Stürmer Griechenland):

"Wir sind im Finale - Das ist unglaublich. Das ist der größte Moment für den griechischen Fußball. Natürlich haben wir mit etwas Glück gewonnen, aber unsere Strategie ist auch heute aufgegangen."

Karel Brückner (Nationaltrainer Tschechien):

"Leider haben wir dieses Spiel nicht erfolgreich gestalten können. In der zweiten Halbzeit haben wir gut gespielt, aber die Griechen waren produktiver. Nach 30 Länderspielen war es für uns das erste Gegentor nach einer Ecke."

Durch das Tor des Abwehrspielers gewann der krasse Außenseiter am Donnerstagabend im Halbfinale von Porto gegen die favorisierten Tschechen mit 1:0 (0:0). Damit kommt es im Endspiel am Sonntag (20.45 Uhr) im Estadio da Luz von Lissabon zu einer Neuauflage des Eröffnungsspiels gegen EM-Gastgeber Portugal, in dem auf jeden Fall ein erstmaliger Europameister gekürt wird.

"Nicht ich bin der Held"

"Diese Nacht gehört allen Griechen", sagte ein überglücklicher Dellas. Doch den 1:0-Erfolg gegen die hoch favorisierten Tschechen mochte sich der zum "Spieler des Spiels" gewählte Profi nicht nur an seine Fahne heften. "Nicht ich bin der Held, sondern die griechische Nationalmannschaft", betonte der fast zwei Meter große Ausputzer.

Immer wieder musste Dellas berichten, wie er sein erstes Tor im 22. Länderspiel selbst erlebt hatte. "Als auf Eckball entschieden wurde, sah ich auf die Uhr und es waren in der ersten Hälfte der Verlängerung 14 Minuten und 36 Sekunden gespielt. Ich sagte zu mir: 'Jetzt müssen wir zuschlagen.' Jemand da oben hat mich gehört, und mir ist das Tor gelungen", dankte er den Göttern. Wichtiger war aber wohl, dass er nach dem Eckstoß von Vasilios Tsiartas am richtigen Fleck stand und den Ball aus kurzer Distanz über die Linie köpfte.

"Das Märchen geht weiter. Es ist unglaublich, was die Mannschaft heute vollbracht hat. Die Leidenschaft und der Wille haben am Ende gesiegt. Wir sind auch im Finale am Sonntag der totale Außenseiter, aber im Fußball ist nichts unmöglich", sprudelte es nach dem Spiel aus dem überglücklichen Rehhagel heraus, der auch gegen Tschechien eine taktische Meisterleitung vollbrachte. Der Bundesliga-erfahrene Coach begegnete der tschechischen Offensivkraft mit einer geradezu "antiken" Abwehrformation mit starrer Manndeckung und dem 1,97m-Riesen Dellas als klassischem Ausputzer und hatte damit Erfolg.

Griechische "Beton-Abwehr"

Georgios Seitaridis wich dem fünffachen Torschützen Milan Baros nicht von der Seite, und auch Jan Koller konnte sich der Bewachung durch Mihalis Kapsis kaum einmal entziehen. Damit war dem Spiel des Favoriten, der mit zunehmender Dauer förmlich an der Beton-Abwehr des Gegners zu verzweifeln schien, viel an Wirkung genommen. Erst in der Verlängerung gaben die Hellenen ihre Zurückhaltung auf und sorgten für Unruhe im tschechischen Strafraum. Schon in der 103. Minute hätte Dellas für den K.o. des am Ende völlig entnervten Gegners sorgen können.

Als großer Verlust erwies sich für die Tschechen der Ausfall des Mittelfeld-Strategen Pavel Nedved. Europas Fußballer des Jahres in Diensten von Juventus Turin verletzte sich nach 34 Minuten bei einem Zweikampf mit Konstantinos Katsouranis so schwer, dass er in seinem 83. Länderspiel noch vor der Halbzeit ausgewechselt werden musste. Mit Tränen in den Augen nahm der Kapitän auf der Ersatzbank Platz. Tomas Rosicky konnte die Regisseur-Rolle nach dem Ausscheiden Nedveds nur selten ausfüllen. Dem Dortmunder unterliefen zahlreiche Ballverluste.

Nichts zu Stande gebracht

Dabei hätte gerade Rosicky Rehhagels Defensiv-Strategie schon nach 141 Sekunden über den Haufen werfen können. Nach einer Co-Produktion mit seinem Dortmunder Teamkollegen Koller jagte der 23-Jährige den Ball aus 16 Metern an die Latte. Drei Minuten später lenkte Torhüter Antonios Nikopolidis einen Schuss des aufgerückten Marek Jankulovski reaktionsschnell zur Ecke. Eine frühe Führung hätte die Aufgabe für die Tschechen erleichtern können, denn nach schwungvollem Beginn tat sich die Elf von Karel Brückner gegen die gut organisierten und zweikampfstarken Griechen immer schwerer. Bis auf einen von Nikopolidis parierten Schuss von Jankulovski brachten sie bis zur Pause in der Offensive nichts mehr zu Stande.

Die Griechen setzten das ihnen von Rehhagel verordnete Konzept konsequent um und lauerten auf den möglicherweise entscheidenden Konter. Darauf wartete das Team mit Theodoros Zagorakis als Dreh- und Angelpunkt im Mittelfeld aber lange Zeit vergeblich. Für die einzige Aufregung vor dem Tor von Petr Cech sorgte zunächst eine Flanke von Panagiotis Fyssas (29.), die Zisis Vryzas knapp verfehlte. Auch im zweiten Abschnitt imponierten die Hellenen allein durch ihre hohe Laufbereitschaft, zur Attraktivität des Spiels trugen sie nichts bei. Weitere hochkarätige Möglichkeiten für die Tschechen, die mehr und mehr ihre Linie verloren, verpassten in der Schlussphase der regulären Spielzeit Karel Poborsky (69.), Koller (80.) und Baros (83.).

DPA
Klaus Bergmann und Reinhard Schwarz/DPA

PRODUKTE & TIPPS