Skurriler Nachbarschaftsstreit "Mad Jens" und die Kettensägen-Aktion: Der Weg von Ex-Nationalkeeper Lehmann ist gepflastert mit Peinlichkeiten und Aussetzern

Jens Lehmann hat laut Staatsanwaltschaft einiges auf dem Kerbholz
Ein Mann und seine Säge: Jens Lehmann soll an der Garage seines Nachbarn mit einer Kettensäge tätig geworden sein
© Sven Hoppe / DPA
Vor dem Amtsgericht in Starnberg beginnt der Prozess gegen Jens Lehmann: Er soll die Garage eines Nachbarn mit einer Kettensäge beschädigt haben. Es ist das nächste Kapitel in einer endlosen Reihe von Aussetzern des Ex-Nationalkeepers.

Ab Freitagmorgen muss sich Jens Lehmann, ehemaliger deutscher Nationaltorwart und WM-Held von 2006, vor dem Amtsgericht in Starnberg verantworten. Die Anklageliste der Staatsanwaltschaft München II hat dabei eine beeindruckende Länge: Beleidigung von Polizisten, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch sowie versuchter Parkgebühren-Betrug. Lehmann hat sich nach Auffassung der Ankläger einiges zu Schulden kommen lassen. 

Es ist deshalb sogar ein zweiter Verhandlungstag am 22. Dezember angesetzt. Ein Dutzend Zeugen sollen aussagen und zahlreiche Journalisten werden den Prozess verfolgen. Eigentlich wollten Lehmann und sein Anwalt so viel öffentliche Aufmerksamkeit vermeiden, aber das Gericht entschied im Oktober, die Klage der Staatsanwaltschaft ohne Einschränkung zuzulassen. 

Jens Lehmann wollte die Überwachungskamera austricksen

Vielleicht nimmt das Gericht auf die Prominenz des Beschuldigten deshalb keine Rücksicht, weil Lehmann nicht zum ersten Mal vor dem Amtsgericht Starnberg steht. Schon einmal war er dort 2016 zu einer hohen Geldstrafe verurteilt worden. Dazu später mehr.

In der Gegenwart wird Lehmann vorgeworfen, im Juni 2022 einen Dachbalken im Garagen-Rohbau seines Nachbarn durchgesägt zu haben. Lehmann wollte sich damit laut Anklage von seinem Anwesen aus einen freien Blick auf den Starnberger See verschaffen. Tatort war die kleine Gemeinde Berg am Ostufer des Sees. Wer hier in einer teuren Villa lebt, will einen freien Blick auf die schöne Landschaft genießen. 

Die Tat soll der 54 Jahre alte Ex-Profi mit einer Motorsäge ausgeführt haben. Nebenbei habe der sägewütige Täter einen kleinen Baum gefällt, heißt es in der Anklageschrift. Bevor er zur Tat geschritten sei, habe er das Stromkabel einer Überwachungskamera abgerissen, um unerkannt zu bleiben. Doch Lehmanns Plan ging nicht auf. Die Kamera schaltete auf Batteriebetrieb um und zeichnete das Tatgeschehen detailliert auf. Die Polizei sprach danach von einer Art "Liveübertragung". Die Beweislage ist also klar.

Schon als junger Torwart offenbarte er eigenwilligen Charakter

Eine spannende Frage wird sein, ob die Aufnahmen vor Gericht abgespielt werden und die Öffentlichkeit einen Eindruck von "Kettensägen-Jens" auf frischer Tat erhält – wenn es überhaupt so weit kommt. Lehmanns Anwalt Christoph Rückel hat für den Beginn des Prozesses eine Stellungnahme angekündigt.

Seinem Mandanten wird daran gelegen sein, die unangenehme Geschichte schnell hinter sich zu bringen. Für die Öffentlichkeit ist das Verfahren ein gefundenes Fressen. Es schreibt die unendliche Saga der Lehmannschen Aussetzer und Skurrilitäten fort, die der gebürtige Essener seit Beginn seiner Karriere regelmäßig liefert, auf und neben den Platz. 

Schon als junger Torwart offenbarte er einen eigenwilligen Charakter. Als er 1993 einmal als Torwart von Schalke 04 ausgewechselt wurde, fuhr er noch während des Spiels beleidigt mit der S-Bahn nach Hause. Das Geld für das Ticket musste er sich laut Selbstauskunft leihen. Sein Trainer Jörg Berger wollte ihn danach verkaufen, aber Lehmann blieb dem Verein bis 1998 erhalten und war Teil der großen Schalker Mannschaft, die 1997 den Uefa-Pokal gewann.

Das Viertelfinale gegen Argentinien war sein Meisterstück

Er setzte seine Karriere äußerst erfolgreich fort, auch wenn er sich mit seinem schrulligen und impulsiven Verhalten oftmals selbst im Weg stand. Mit Borussia Dortmund wurde er 2002 deutscher Meister, mit Arsenal London 2004 englischer Meister (ohne eine einzige Saisonniederlage!), den englischen Pokal holte er 2005. In der Nationalelf setzte er sich im Konkurrenzkampf gegen Oliver Kahn durch und war einer der Helden des WM-Sommermärchens 2006.

Unvergessen sind seine zwei Paraden im Elfmeterschießen im WM-Viertelfinale 2006 gegen Argentinien. Der Zettel mit den Infos über die argentinischen Schützen, den Lehmann aus den Stutzen zog, hat Geschichte geschrieben. Später stellte Lehmann das historische Stück für eine Versteigerung zu Gunsten der Aktion "Ein Herz für Kinder" zur Verfügung. Es brachte eine Million Euro ein. Die zweite ikonische Episode des legendären Spiels ist auf einem berühmten Foto festgehalten: Lehmann sitzt vor dem Elfmeterschießen auf dem Rasen, während Oliver Kahn ihm die Hand hält und gut zuredet.

Vier Jahre später beendete er beim VfB Stuttgart die Karriere (bis auf einen einmaligen Einsatz als Aushilfskeeper für Arsenal 2011). Im Trikot der Schwaben lieferte Lehmann eine seine amüsanteren Geschichten, als er während eines Champions-League-Spiels hinter die Bande sprang, um sich zu erleichtern.

Er warf Schuhe des Gegners aufs Tornetz

Genauso regelmäßig verhielt sich Lehmann unsportlich. Den Schuh des Hoffenheimers Sejad Salihovic, den der verloren hatte, warf er kurzerhand auf das Tornetz. Einmal kassierte er eine gelb-rote Karte, nachdem er in Dortmund über den halben Platz gestürmt war, um den eigenen Mittelstürmer Marcio Amoroso zusammenzustauchen. Sein schlimmster Patzer passierte ihm im Champions-League Finale 2006 mit Arsenal London. In der 18. Minute kassierte Lehmann nach einer Notbremse die rote Karte und Arsenal verlor das Spiel. Die englischen Medien hatten Lehmann schon vorher den Spitznamen "Mad Jens" verpasst.  

Sogar Fans waren nicht immer vor dem impulsiven Keeper sicher. Legendär ist die Anekdote, in der Lehmann einem Anhänger auf dem Weg zum Stuttgarter Mannschaftsbus die Brille klaute, nachdem er im Spiel vorher vom Platz geflogen war.

Nach seiner Karriere setzte der dreifache Vater die Reihe von Peinlichkeiten und Aussetzern konsequent fort. Er äußerte sich als TV-Experte abwertend über den heutigen Nationalmannschaftskapitän Ilkay Gündogan ("Ist intelligent und spricht super deutsch"), er irritierte mit Aussagen über das Coming-out von homosexuellen Fußballern ("Fußball ist Männersache"), gab sich als Corona-Verharmloser und äußerte sich in einer WhatsApp-Nachricht rassistisch über den Ex-Profi Dennis Aogo ("Ist Dennis eigentlich euer Quotenschwarzer?"). Die letztgenannte Fauxpas kostete ihn den Sitz im Aufsichtsrat von Hertha BSC Berlin und den Job als TV-Experte beim Bezahlsender Sky.

Und jetzt der Nachbarschaftsstreit, der ihm sein zweites Gerichtsverfahren beschert. Vor sieben Jahren hatte ihn das Amtsgericht in Starnberg schon einmal zu einer Geldstrafe von 42.500 Euro verdonnert. Da hatte Lehmann sich im Straßenverkehr verhalten, wie manchmal früher auf dem Platz. Er hatte einen anderen Autofahrer bedroht und in einem anderen Fall Beihilfe zur Fahrerflucht geleistet. Für den letztgenannten Punkt erhielt er den Strafbefehl. 

Man darf davon ausgehen, dass der streitbare Lehmann im aktuellen Verfahren erneut verurteilt wird. Es heißt übrigens, dass er in den vergangenen Jahren immer wieder Streit mit seinen Nachbarn gehabt haben soll. Auch andere Garagen seien beschädigt worden. Wir werden weiter von ihm hören, davon darf man ausgehen. 

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