Die Unruhe beim Rekordmeister hält an. Der Rauswurf des Tor-Titans aus dem Kader für das Spiel gegen Hertha BSC und die saftige Geldstrafe (25.000 Euro) sind ein einmaliger Vorgang in der langen Karriere von Oliver Kahn. Seitdem wird über die Hintergründe spekuliert. Offiziell begründete Hitzfeld die Suspendierung mit den Vorgängen bei der Weihnachtsfeier der Bayern und einem kritischen Interview im "kicker". Kahn hatte die Weihnachtsfeier des FC Bayern vorzeitig verlassen und in dem Interview die beiden Stars Luca Toni und Franck Ribéry kritisiert.
Kahns Alleingänge haben bei den Bayern-Bossen offentsichtlich zumnehend für Verstimmung gesorgt. Das berichtet jetzt die "Bild"-Zeitung. Er soll sich mehrmals mannschaftlichen Verpflichtungen entzogen haben mit dem Hinweis, sich um seine Kinder kümmern zu müssen. In aktuellen Fall habe Kahn mit seiner Freundin Verena Kerth in einem Nobel-Restaurant gespeist, statt auf der Weihnachtsfeier die Rede zu halten, so wie es sich für einen Mannschaftskapitän der Bayern gehört. Stattdessen musste Mark van Bommel ein paar Worte an die Kollegen richten. Im Frühjahr hatte Kahn sich vom bedeutungslosen Bundesliga-Spiel bei Borussia Mönchengladbach freistellen lassen, um mit Verena einen Kurztrip nach Nizza zu unternehmen. Das kam offensichtlich nicht gut an. Kahn dementierte: "Das sind private Dinge, die niemanden etwas angehen."
Bayern-Bosse sind nervös
Aber hinter der Suspendierung steckt mehr. Hitzfeld scheint nach dem Motto zu verfahren: "Rasier' den Stärksten, dann kuscht auch der Rest der Truppe", in der Disziplin und Zusammenhalt ganz offensichtlich nicht mehr stimmen. Die mäßigen Leistungen in jüngster Zeit haben die Bayern-Bosse nervös gemacht. Der Kader ist zu teuer, Titel müssen her, um die Investitionen zu rechtfertigen und zu refinanzieren. Hitzfeld scheint jetzt die Reißleine zu ziehen. Für die Winterpause kündigte er einen Verhaltenscodex für die Spieler an, die Engagement und Siegeswillen vermissen lassen: "Die Mannschaft ist noch in der Entwicklung. Wir müssen sehen, dass wieder Ruhe einkehrt. Wir können uns keine Nebenkriegsschauplätze leisten", betonte Hitzfeld. Um in aller Deutlichkeit hinzuzufügen: "Ich habe lange zugeschaut. Wir müssen das unterbinden, sonst haben wir hier ein Irrenhaus."
Ob Hitzfeld mit dem Begriff "Irrenhaus" nicht nur die Mannschaft, sondern den gesamten Club und sein Führungspersonal meinte, ist nicht klar. Es darf gemutmaßt werden, dass sich sein Apell nicht nur an die Spieler richtete. Schließlich war es der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge, der den Trainer nach dem Uefa-Cup-Spiel gegen die Bolton Wanderers für dessen Aufstellung heftig kritisierte. Das Spiel endete mit einem für die Bayern enttäuschenden 2:2. Seitdem hängt der Haussegen an der Säbener Straße schief - und zwar gewaltig. Es war nicht der einzige hausgemachte Vorfall, der für Unruhe sorgte. Zu Beginn der Saison hatte Hoeneß die unglückliche "Artenschutz"-Debatte losgetreten, als er die Bayern und seine Stars von bösen Tretern benachteiligt sah. Die Diskussion war so überflüssig wie ein Kropf, zeigte aber: Die Bayern sind nervös. Das wurde besonders deutlich, als der Manager in seiner mittlerweile legendären Wut-Rede auf der Jahreshauptversammlung die Fans beschimpfte ("Populistische Scheiße").
Kahn gibt den reuigen Sünder
Kahn gibt unterdessen die Rolle des reuigen Sünders. "Wir wollen an allen Fronten Erfolg haben. Ich zusammen mit der Mannschaft. Deshalb muss ich nun in mich gehen und schauen, was ich besser machen kann", kündigte der 38-Jährige in einem Interview der "Bild"-Zeitung an. Degradiert sieht sich Kahn durch seine Suspendierung für das Bundesliga-Auswärtsspiel bei Hertha BSC aber nicht: "Das hat mit Schwächung meiner Person überhaupt nichts zu tun", sagte der Torhüter, der am Ende der Saison seine Fußball-Laufbahn beenden wird.