Jetzt ist es raus: Jürgen Klinsmann ist vom FC Bayern gefeuert worden, und es ist sehr ruhig in München. Es stehen gerade mal vier Schaulustige am Vereinszentrum an der Säbener Straße. Den meisten Lärm machen zwei kleine Bagger. Der Umbau des Zentrums ist noch nicht komplett - das erinnert ja auch irgendwie an Klinsmann. Umbau beim FC Bayern. Neues Leistungszentrum. All das ist ja zu einem großen Teil seine Idee gewesen.
Auch wenn der kleine Mediencenter überquillt (50 Journalisten und elf TV-Kameras), es gibt keine hektischen Zwischenfragen, niemand spricht betont konspirativ in sein Handy. Jeder scheint froh zu sein, dass es nun so weit ist - und in wenigen Stunden endlich erledigt.
Es ist ein fast freundschaftliches Gespräch mit Hoeneß und Rummenigge, als sie schildern, wie Jürgen Klinsmann die Nachricht aufgenommen hat. Am Montagmorgen wurde er an die Säbener Straße bestellt, die Entscheidung stand bereits am Abend vorher fest. "So wie ich Jürgen kenne, hat er sich noch einmal Hoffnung gemacht, nachdem die tollen Cottbusser gegen Wolfsburg gewonnen haben", sagt Hoeneß, und lächelt sogar ein wenig. "Aber wir haben uns gesagt: Jetzt erst recht." Um 11.29 Uhr hat Klinsmann dann das Trainingsgelände verlassen, vermutlich zum letzten Mal.
Noch nicht einmal Tabellenführer
Die offizielle Begründung für die Entlassung ist so vielseitig wie die Argumente, die man in den vergangenen Wochen immer wieder von den Fans des Vereins gehört hat. Aber das Wichtigste ist: Die Besorgnis, die sportlichen Ziele nicht mehr zu erreichen. Man habe die "Reißleine" gezogen, sagt Rummenigge, und Hoeneß fügt an: "Wir haben in dieser Saison alle entscheidenden Spiele verloren, beim HSV, In Wolfsburg, Barcelona. Das hat uns zu denken gegeben."
Man habe sich schon seit Wochen immer wieder sonntags getroffen und die Situation diskutiert, doch immer wieder Jürgen Klinsmann eine Chance geben wollen. Das sei nach der Niederlage gegen Schalke nicht mehr möglich gewesen. "Vor einem Jahr waren wir 34 Spieltage lang Tabellenführer. In diesem Jahr waren wir noch nicht einmal Tabellenführer", sagt Hoeneß.
Das Team empfindet "neutral"
Die Trennung sei freundschaftlich verlaufen, auch wenn Klinsmann wohl ein wenig geschockt gewesen sei, erzählt Hoeneß. Und dann sagt der Manager etwas Interessantes: "Vielleicht muss man da auch den Jürgen ein bisschen schützen. Ich habe ihn teilweise dafür bewundert, wie er das in den Stadien hingenommen hat." Damit meint er die "Klinsmann Raus"-Rufe und andere Schmähungen.
Doch gleichzeitig schwingt dabei mit: Klinsmann hat sich festgebissen, ihm fehlt der Bezug zur Realität und auch zu den Gründen, warum er seine Ziele nicht erreicht hat. Dazu passt auch, dass Bayerns Vorstand glaubt, die Mannschaft sei ja körperlich intakt, auch wenn in den letzten Wochen "einige Spieler" die Diskussion um Klinsmann als Alibi für ihre eigene Leistung missbraucht hätten. Das Problem sei allein psychischer Natur. Die Mannschaft habe die Entlassung am Montagmittag übrigens "neutral" aufgenommen, so Rummenigge.
Trainer in Rente
Nun hofft Rummenigge, dass "ein Momentum entsteht, mit dem man die psychische Barriere zur Seite räumen kann, um die sportlichen Ziele noch zu erreichen." Ob mit den sportlichen Zielen die Deutsche Meisterschaft oder das Erreichen der Champions League gemeint ist, blieb erst einmal offen. Dieses Momentum soll nun der 63-jährige Jupp Heynckes herbeiführen, gemeinsam mit Hermann Gerland, dem Trainer der zweiten Mannschaft des FC Bayern.
Heynckes ist ein großer, aber eigentlich schon im Ruhestand befindlicher Trainer, der nicht wenige seiner Erfolge in den neunziger Jahren mit dem FC Bayern feierte. Das Schöne sei, betont sein persönlicher Freund Hoeneß: "Jupp Heynckes geht es nicht ums Geld. Er macht das für den FC Bayern." Fünf Minuten habe er überlegt, und dann sofort ja gesagt.
Nur die Bagger fahren noch
Genau so einen habe man nun gesucht, denn erstens soll seine Arbeit tatsächlich nur vier Wochen dauern und mit dem 34. Spieltag beendet sein. Zweitens wird im Moment kein junger Trainer benötigt, bei dem sofort wieder die Fragen nach seiner Kompetenz und Erfahrung zum Hauptgespräch werden.
Als Hoeneß und Rummenigge dann den Mediencenter wieder verlassen, wirken sie immer noch ernst, aber auch gelöst. Es ist ihnen anzusehen, dass sie diese Entscheidung gewurmt hat. Doch gerade daraus entsteht ja auch Erleichterung. Es wird wieder mehr gelächelt als in den Wochen zuvor, wenn auch noch nicht mehr gelacht wird.
Was auffällt, ist nach wie vor die Ruhe, mit der nun alles über die Bühne gegangen ist. Es sind nun etwa zehn Schaulustige an die Säbener gekommen, mehr nicht. Kein Geschreie, keine Hektik. Nur die Bagger fahren noch. Jürgen Klinsmann ist längst schon davongebraust.