Natürlich ist es tragisch, was sich da in der 18. Minute im "Stade de France" abgespielt hat, tragisch für Jens Lehmann. Ohne Frage: Der frühe Feldverweis der deutschen Nummer 1 hat die Gunners im Finale der Champions League brutal getroffen und den Spielverlauf von da an diktiert. Dezimiert gegen das Starensemble vom FC Barcelona zu bestehen - eigentlich eine unlösbare Aufgabe. Und dennoch war es am Ende ein glücklicher Sieg der Katalanen, die lange brauchten, um die numerische Überlegenheit auszunutzen.
Arsenal gestattete den Rijkaard-Künstlern kaum Chancen, war dank des Konterspiels immer gefährlich. Angeführt von einem verspielten Ronaldinho und dem blassen Deco fiel Barca wenig ein in diesem auf hohem Niveau stehenden Finale. Sie hatten sogar Glück, dass Henry die Großchance verpasste und Eto'o aus stark abseitsverdächtiger Position das Spiel kippte. Über die Rote Karte für Jens Lehmann, der Arsenal mit seinen Paraden überhaupt erst ins Endspiel bugsiert hatte, wurde hinterher wenig gesprochen. Londons Coach Arsène Wenger machte ihn genauso wenig zum Buhmann wie die Mitspieler. So verlieren wohl nur Engländer - aufrecht und fair, gemeinsam im Team.
Rotwürdiges Foul an Eto'o
Der Premiere-Moderator im Studio wollte "Mad Jens" so ganz ungeschoren dann aber doch nicht davonkommen lassen. Sehr platt in die Expertenrunde fragte er, ob der Torwart denn jetzt nicht ein Sicherheitsrisiko für unsere WM sei. Man kann Ottmar Hitzfeld und Christoph Daum nur dafür danken, dass sie vehement widersprachen. Denn eines ist jetzt von überragender Bedeutung: Der Platzverweis für Jens Lehmann sollte auf keinen Fall die Torwartdiskussion in der Nationalmannschaft neu entfachen.
Man darf dem deutschen WM-Torwart keinen Vorwurf machen. Er versucht zu klären, rutscht dabei knapp über die Strafraumgrenze. Lehmann geht ja zum Ball, kommt aber zu spät. Natürlich war es ein rotwürdiges Foul an Eto'o. Dass Schiedsrichter Hauge mittlerweile eingeräumt hat, zu früh gepfiffen zu haben, steht auf einem ganz anderen Blatt. Die Spielunterbrechung war genauso regelgerecht wie die Rote Karte.
"Mit ins Grab nehmen"
Aber deshalb sollten wir jetzt knapp drei Wochen vor Beginn der WM bitte nicht in Panik verfallen. Noch einmal zur Erinnerung: Jens Lehmann hat in einem Champions-League-Finale ein Foul begangen, dafür wurde er bestraft. Aber, und das ist entscheidend: Er hat keine Flanke unterlaufen oder wie Werders Tim Wiese gegen Juventus den Ball dem Gegner auf dem Silbertablett serviert. Bei der psychologischen Verarbeitung seines persönlichen Horror-Erlebnisses im "Stade de France" wird sich der selbstbewusste und erfahrene Lehmann daran erinnern. "Das Spiel hier werde ich mit ins Grab nehmen", sagte der tragische Held hinterher - genauso wie seine außergewöhnlichen Torwart-Fähigkeiten.