Nationalspieler Simon Rolfes "Ich brauche Anlauf"

In der deutschen Nationalmannschaft bahnt sich eine Wachablösung an - und Simon Rolfes gehört zu denjenigen, die in Zukunft eine größere Rolle spielen werden. Im Fußball-Klassiker gegen England steht der Leverkusener in der Anfangself. Im Interview spricht Rolfes über den Konkurrenzkampf in der deutschen Elf und über seinen Widersacher Torsten Frings.

Herr Rolfes, die Nationalmannschaft, die sich in Berlin auf den Test am Mittwoch gegen England vorbereitet, ist extrem jung. Fühlen Sie sich in dieser Mannschaft mit Ihren 26 Jahren alt?

Ich fühle mich zumindest älter als vor ein paar Wochen bei den letzten Spielen. Jetzt sind wieder ein paar Jüngere dabei.

Fühlen Sie sich eher zu der jüngeren Gruppe um Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski gehörig oder zu der älteren um Miroslav Klose und Arne Friedrich?

Ich bin so ein bisschen dazwischen. Ich bin der Ältere der jungen Gruppe.

Sie sind ein seltener Fall im Nationalteam. Sie sind recht spät richtig gut geworden haben und haben erst 16 Länderspiele absolviert. Empfinden Sie das heute als Vorteil?

Mit Sicherheit. Das hat mir Stärke gegeben. Es ging nicht so schnell hoch, und es geht sicher auch nicht so schnell wieder runter. Wenn man Schritte langsam macht, ist man gefestigter.

Haben Sie je geglaubt, dass Ihre Entwicklung zu langsam geht?

Als es für mich nicht so gut lief, vor vier Jahren bei Werder Bremen, das war schon schwierig. Da habe ich gemerkt: Mein Weg geht nach unten, nicht nach oben. Es war schwer, das umzudrehen.

Wie haben Sie Ihrer Karriere dann den richtigen Dreh gegeben?

Ich habe mein Training umgestellt und zusätzlich mit einem Sprinttrainer gearbeitet. Ich habe versucht, an meine langfristige Entwicklung zu denken und nicht so im Tagesgeschäft zu leben. Ich war damals körperlich nicht sehr robust. Inzwischen habe ich mehr Power bekommen. Ich arbeite in dem Bereich immer noch sehr konzentriert, lebe professionell und bereite das Training vor und nach.

Bei Bayer Leverkusen sind Sie seit dieser Saison Kapitän ...

Ich bin mit 26 einer der jüngsten Kapitäne der Liga, gut: Thomas Hitzlsperger ist ein paar Monate jünger. Ich sehe es als eine Ehre, verantwortlich zu sein. Wenn Spieler auf dumme Gedanken kommen, müssen Führungsspieler wie ich sie auf Linie bringen.

Hat Ihre Beförderung in Leverkusen Ihre Position in der Nationalmannschaft verbessert?

Ich bin jetzt seit anderthalb Jahren dabei, und ich habe einen Schritt nach dem anderen nach vorne gemacht. Jetzt ist es mein Ziel, auf meiner Position die Nummer eins zu werden. Ich gehöre zum Stamm des Kaders, aber noch nicht zum Stamm der ersten Elf.

Torsten Frings hat kürzlich gesagt, er habe sich um die Nationalmannschaft verdient gemacht und erwarte mehr Respekt. Das hat geklungen, als fordere er eine Stammplatzgarantie - im defensiven Mittelfeld, wo auch Sie spielen.

Es ist völlig okay, dass jeder seine persönlichen Ziele hat und seinen Einzelinteressen nachgeht.

Ist es auch in Ordnung, dies scharf und öffentlich auszudrücken, wie Frings es getan hat?

Dazu will ich nichts sagen.

Kann eine Mannschaft ein gutes Team werden, wenn jeder in erster Linie für sich selbst kämpft?

Er will wie ich die Nummer eins werden, doch am Ende entscheidet der Trainer. Das ist okay. Im Verein weiß ich auch, dass ein Konkurrent meinen Platz will. Ich habe damit keine Probleme. Wir sind nicht in der Kreisliga auf dem Dorf, wo der Zusammenhalt viel wichtiger ist. Bei uns geht es eben zu wie in der Leistungsgesellschaft. Das schließt nicht aus, dass man einen guten Teamgeist hat.

Sie reden so ruhig, wie Sie spielen.

Es ist auf meiner Position wichtig, ruhig zu bleiben. Je weiter es auf dem Feld nach vorne geht, desto kreativer wird es. Da ist es wichtig, dass die Bälle vorne sicher ankommen - damit die Jungs dort ins Risiko gehen können.

Ärgert es Sie sehr, wenn Sie mal einen Fehler machen?

Früher habe ich die Erwartungen an mich zu hoch gesetzt. Da habe ich mich so sehr über einen Fehler geärgert, dass ich gleich den nächsten gemacht habe. Heute weiß ich: Fehler passieren - abhaken.

Haben Sie früher, als Sie etwas überehrgeizig waren, vielleicht zu große Vorbilder gehabt?

Als Kind war mein Vorbild Maradona. Später dann Zidane: diese Eleganz! Und Andi Herzog - weil ich Bremen-Fan war. Der war mein Spieler. Er war die Zehn, er hatte einen Linksfuß mit einem Superschuss. Ich habe damals auch im offensiven Mittelfeld gespielt.

Sind Sie traurig, dass Sie nicht auch Spielmacher geworden sind?

Nein. Ich bin nicht so der Dribbler hinter den Spitzen. Ich brauche Anlauf und das Spielfeld vor mir.

FTD
Interview: Andreas Lesch

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