Nick Woltemade Der sympathischste Schlaks Deutschlands

Nick Woltemade
Nick Woltemade steht mit der deutschen U21-Nationalmannschaft im Finale der Fußball-Europameisterschaft gegen England
© Branislav Racko / Imago Images
Vor wenigen Jahren noch galt Nick Woltemade als ewiges Talent. Als einer, der sich womöglich nie durchsetzt. Jetzt ist er Deutschlands interessantester Spieler. Wie kam es dazu?

Fußballexperten und -fans gehen allmählich die Superlative aus, wenn sie Nick Woltemade beschreiben wollen. Der 1,98 Meter große Offensivmann überragt nicht nur mit seiner Körpergröße die meisten Spieler auf dem Platz. Ob im Verein oder der Nationalmannschaft – Woltemade ist seit Monaten auch in bestechender Form.

Bei der U21-Europameisterschaft in der Slowakei gilt er mit bislang sechs Toren als Garant für den Erfolg des DFB-Teams. Die deutsche Mannschaft steht am Samstag gegen England im Finale, einen großen Anteil daran hat der 23-Jährige.

"Der kommt hierher, als ob nichts gewesen wäre", sagte U21-Teamkollege Eric Martel kürzlich im Sky-Interview nach einem Spiel. "Man spürt gar nicht, dass er jetzt bei der A-Nationalmannschaft war oder dass er jetzt einen Riesenhype hat. Er ist ganz normal. Und so spielt er dann auch."

Trotz der Aufmerksamkeit und seiner neuen Rolle im Rampenlicht zeigt Woltemade sich erstaunlich unbeeindruckt vom Trubel um seine Person. Seine gelassene Art täuscht jedoch darüber hinweg, wie steinig sein Weg zuvor war.

Er lief Gefahr, als ewiges Talent zu enden

Alles begann in Bremen, Woltemades Geburtsstadt. Bereits im Alter von 17 Jahren schaffte er es in den Profikader des SV Werder und gab sein Bundesligadebüt. In den Jahren darauf konnte er sich aber nicht wirklich durchsetzen. Woltemade war kurz davor, ein ewiges Talent zu werden. Ein Spieler, der nie den Durchbruch schafft.

Die Bremer liehen ihn im Jahr 2022 an den SV Elversberg aus, der damals noch in der dritten Liga spielte und vom jetzigen Werder-Coach Horst Steffen trainiert wurde. Unter Steffen reifte Woltemade zum Schlüsselspieler heran.

Zurück in Bremen hatte er jedoch immer noch Probleme, sich an das Bundesliga-Niveau zu gewöhnen. Sein erstes Tor gelang ihm erst im Mai 2024, bei seinem 39. Ligaspiel. Von seiner jetzigen Form war er zu diesem Zeitpunkt noch meilenweit entfernt.

Wechsel nach Stuttgart

Nach der Saison 2023/24 wechselte Woltemade zum VfB Stuttgart – ein Schritt, der von vielen als zu früh angesehen wurde. Schließlich waren die Schwaben gerade erst Vizemeister geworden, und Woltemade bei Weitem kein Topspieler. Doch seine Entscheidung sollte sich als goldrichtig herausstellen.

In Stuttgart blühte der hochgewachsene Angreifer auf, erzielte zwölf Saisontore und avancierte zum Dreh- und Angelpunkt im System von Coach Sebastian Hoeneß. Auch in der A-Nationalmannschaft führte nach dieser Saison kein Weg mehr an dem Schlaks vorbei. Bundestrainer Julian Nagelsmann nominierte ihn erstmals für die Nations League.

Folgt nun der nächste große Schritt? Medienberichten zufolge soll Woltemade dem FC Bayern München zugesagt haben. Ja, richtig, jener Woltemade, der vor gut zwei Jahren noch in der 3. Liga spielte. Warum ist er nach so kurzer Erfolgszeit schon ein attraktiver Spieler für den Rekordmeister?

"Woltemessi"

Nick Woltemade ist ein Unikat in Deutschland. Man nennt ihn auch "Woltemessi". Woltemade mit Messi vergleichen? Das mag zunächst absurd klingen, die beiden Spieler trennen immerhin fast 30 Zentimeter Körpergröße. Doch der Deutsche ist in seiner Spielweise erstaunlich agil. Ein geschmeidiger Riese.

Er selbst weiß um seine Qualitäten. Ob er im Finale auch spielen will, fragte ihn ein Journalist nach dem EM-Halbfinalsieg der U21 gegen Frankreich. "Die Frage ist wild", antwortete Woltemade sichtlich amüsiert. "Aber ich glaube, der Trainer sollte schon wissen, dass er mich lieber aufstellt."

Sympathisch sein und dennoch vor Selbstbewusstsein strotzen – diese beiden Eigenschaften vereint Nick Woltemade aktuell wie kein anderer deutscher Profifußballer.

Nick Woltemade, der Familienmensch

Ein Grund für seine Bodenständigkeit, die Mitspieler so an ihm schätzen, liegt in seinem Umfeld. Woltemade hat großen Rückhalt in der Familie: Bei der U21-EM sitzen seine Eltern, Mutter Corinna und Vater Tim, bei jedem Spiel auf der Tribüne und unterstützen ihren Sohn. Der trägt sie auch bei sich, wenn sie mal nicht im Stadion sein können – auf den Schienbeinschonern.

Ein Journalist fragte ihn einmal, warum er die Schoner vor dem Spiel küsst. "Ich mache das immer. Es sind alle drauf, die zu meiner closen Family gehören", berichtete der 23-Jährige im typischen Gen-Z-Sprech. "Die kriegen alle einen Kuss vorm Spiel. Ich sage einmal danke. Danke, dass ich hier sein darf. Dann geht’s los. Sie sind immer bei mir."

Zu seinem Privatleben gibt Woltemade ansonsten wenig preis. Laut "Bild"-Zeitung hat er keine Freundin und lebt in einer Single-Wohnung in Stuttgart. Man fragt sich: Wie lange noch, bevor er den Wohnort berufsbedingt wechselt?

Ein Spätzünder, den viele abgeschrieben hatten

Nick Woltemade ist innerhalb kürzester Zeit zu einem Fußballer mit Starpotenzial avanciert – und steht nun auf dem Zettel europäischer Topklubs. In Bremen dürfte man ihm sehr hinterhertrauern. Im Gedächtnis geblieben ist er dort definitiv.

Auf einer Pressekonferenz in der letzten Saison kam es zu folgender Szene: "Der Tonmann sieht aus wie Nick Woltemade mit Mütze", sagte der damalige Werder-Coach Ole Werner, seit Kurzem bei RB Leipzig, und zeigte mit dem Finger auf das "Woltemade-Double".

Das Original wird vorerst nicht zu Werder zurückkehren, womöglich nie wieder. Denn der Spätzünder, den einige schon abgeschrieben hatten, ist auf der großen Fußballbühne angekommen. Sportlich und menschlich ist er voll auf Kurs.

PRODUKTE & TIPPS