Als Jürgen Klinsmann vor zehn Wochen als neuer Hertha-Trainer vorgestellt wurde, ahnte er bereits, was ihm da bevorstand. "Es wird kein leichter Weg, aber das wäre ja auch langweilig." Langweilig wurde es tatsächlich nicht.
Was Klinsmann jedoch nicht vorhersah, war der Umstand, dass er bereits Anfang Februar schon wieder die Segel streichen würde – beim offenbar ersten leichten Gegenwind aus der Klubführung.
Er sei "nach langer Überlegung" zum Schluss gekommen, sein Amt als Cheftrainer zur Verfügung zu stellen, verkündete Klinsmann am Morgen auf seiner Facebook-Seite und formulierte dabei eine Begründung, die eine wenig verklausulierte Attacke auf Präsident Gegenbauer und Geschäftsführer Michael Preetz war. Insbesondere Preetz war in den letzten Wochen eher als bedächtiger Mahner aufgetreten, ein klarer Kontrast zu Klinsmann, der in seiner kurzen Amtszeit kaum einen Tag ausgelassen hatten, um nahezu zwanghaft eine dynamische Anpack-Stimmung zu verbreiten.
Klinsmann vermisst Vertrauen
Es fehle ihm "das Vertrauen der handelnden Personen", schrieb Klinsmann, was Preetz einigermaßen überrascht zur Kenntnis nahm. "Insbesondere nach der vertrauensvollen Zusammenarbeit hinsichtlich der Personalentscheidungen in der für Hertha BSC intensiven Wintertransferperiode gab es dafür keinerlei Anzeichen" ließ der Manager säuerlich verlauten.

"Intensive Transferperiode" ist dabei eine schöne Umschreibung dafür, dass in den letzten Monaten im Affekt und mit dem Geld von Investor Lars Windhorst eine sündhaft teure Mannschaft zusammengekauft wurde, zahlreiche Leistungsträger der letzten Jahre vergrätzt wurden – und am Ende ein Team gegen Mainz 05 auf dem Platz stand, das die lebende Antithese zu Klinsmanns notorischem Optimismus war. Müde und ausgebrannt schleppte sich das Team über den Platz, gefangen in einem unausgegorenen taktischen Konzept, das nicht zur Mannschaft passt und von ihr nicht mit Leben gefüllt wurde. Und wer Jürgen Klinsmann in der anschließenden Pressekonferenz erlebte, sah einen Coach, der fast zwanghaft versuchte, sich und dem Publikum diesen Offenbarungseid schön zu reden.
Zwei Tage frei gegeben hatte der Coach der Mannschaft, verbreitete am Wochenende noch fröhliche Joggingbilder aus Berlin-Mitte und muss dann plötzlich von einer tiefgreifenden Schaffenskrise übermannt worden sein. Angeblich, so wird kolportiert, habe er schon jetzt über seine Weiterverwendung im Sommer sprechen wollen, zum Unverständnis der Hertha-Führung. Nun, nach dem Rücktritt via Facebook hinterlässt Klinsmann jedenfalls ein echtes PR-Desaster, für den Klub und für sich.
Auf seiner Facebook-Seite hinterließen binnen weniger Stunden hunderte Anhänger Kommentare, der Tenor war dabei stets eine tiefe Enttäuschung über den frühzeitigen und von vielen als stillos empfundenen Abgang. Offenkundig ist jedenfalls, dass es dem früheren Bundestrainer an Demut und Respekt vor diesem Klub und dieser Aufgabe gefehlt hat. Dafür steht etwa der Umstand, dass Klinsmann den Verein nicht vorab über seinen Abgang informierte. Die Presseabteilung wusste nichts davon, wurde kalt erwischt und schob die Bestätigung erst später nach. "Wir sind von dieser Entwicklung am Morgen überrascht worden" wurde Geschäftsführer Preetz zitiert.
Klinsmann entscheidet über neuen Coach mit
Für die Geschäftsführung stellt sich nun die Frage, ob ein neuer Coach gesucht wird oder Co-Trainer Alexander Nouri befördert wird. Darüber mitentscheiden wird kurioserweise Jürgen Klinsmann. Er kündigte nämlich an, sich "wieder auf die ursprüngliche langfristig angelegte Aufgabe als Aufsichtsratsmitglied zurückzuziehen". Die neue Form der Zusammenarbeit, soviel ist klar, wird nach den aktuellen Ereignissen auch kein leichter Weg werden.