Presseschau zum Blatter-Rücktritt "Sein Rücktritt ist ein Schuldgeständnis"

Der Rücktritt Joseph Blatters als Fifa-Präsident wird in der gesamten Welt begrüßt. Das zeigen Reaktionen aus dem Fußball und auch eine internationale Presseschau.

Joseph Blatters Rücktritt von seinem Amt als Fifa-Präsident kommt überraschend - und erfreut Fußballfreunde und Medien rund um den Globus. Das zeigt eine internationale Presseschau.

Süddeutsche Zeitung

"Das war immer Blatters Stärke gewesen: sich den Rückhalt der 209 Verbände zu organisieren, oder zumindest deren Mehrheit. Aber die Ermittler von außen, die konnte er nicht mehr aufhalten. Und vor allem die Amerikaner hatten keinen Zweifel daran gelassen, dass die Verhaftungen am vergangenen Mittwoch allenfalls die ersten Wellen waren. Es würde ein weiteres Mal Fußball-Funktionäre in Handschellen geben, das schien klar zu sein, offen nur die Frage: wer und wann? [...] Die Schlinge um Blatter zieht sich also zu. Und die Einschläge der Korruptionsaffäre kamen ja auch vorher schon immer näher. Am Dienstag war Blatters Generalsekretär Jérôme Valcke endgültig ins Visier geraten. Und damit indirekt Blatter selbst", schreibt die "Südeutsche Zeitung".

Rheinische Post

"Der Rücktritt hat offenbar mit den jüngsten Enthüllungen [...] im Fifa-Korruptionsskandal zu tun. [...] Es ist überaus wahrscheinlich, dass Blatter von all den Vorgängen gewusst hat, die dem Verband vorgehalten werden. Ebenso wahrscheinlich ist, dass er an den "Unregelmäßigkeiten", wie es so schön in der Anklage heißt, beteiligt war. Sein Rücktritt ist ein Schuldgeständnis."

Frankfurter Allgemeine Zeitung

"Der Fußball und seine Funktionäre allein hätten es wohl nie geschafft. Aber jetzt, da Präsident Joseph Blatter sich endlich gezwungen sah, die Verantwortung für die verheerenden Zustände im Fußball-Weltverband (Fifa) zu übernehmen, hat dieser Sport doch noch eine gewisse Chance, in eine seriösere Zukunft zu gehen. Der Verrat an der Leidenschaft von hunderten Millionen Spielern und Fans muss ein Ende finden, der zum Teil hemmungslose Diebstahl an den Ressourcen dieses weltumspannenden Kults eingedämmt werden. Das Problem sind die handelnden Figuren, Blatter hat es selbst gesagt, aber erst jetzt hat er sich selbst einbezogen in den Kreis derer, die weg müssen.

Wahrscheinlich tat Blatter das ja nur, kurz bevor das morsche Gebälk der moralisch zerfressenen Nomenklatura ohnehin zusammengebrochen wäre. Selbstheilungskräfte waren es nicht, die der Fifa nun Luft schaffen für eine Erneuerung. Es war die amerikanische Justiz, die gegen ein Betrugs-Netzwerk in Lateinamerika ermittelt, dessen Fäden in vielfältiger Weise bis an den Fifa-Sitz nach Zürich reichen. Blatter, in 40 Jahren Fifa und 17 Jahren Präsidentschaft gestählt, hat wohl gedacht, er könnte auch diese Krise aussitzen wie alle anderen zuvor. Aber diesmal halfen seine gewohnten Manipulationen und Bauerntricks nicht mehr. Es wird sich zeigen, welche Entdeckung der amerikanischen Ermittler den 79 Jahre alten Walliser am Ende zu seinem einschneidenden Schritt gezwungen haben", schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Freie Presse

"Blatter hatte 17 Jahre als Präsident, insgesamt 40 in der Fifa. Da gibt es zwangsläufig so manche Gefälligkeit, da stapeln sich die Leichen im Keller. Die gehen gewiss nicht alle auf das Konto des Patriarchen, deswegen kann Blatters Rücktritt eigentlich nur der erste von vielen sein. Doch ohne klare Beweise von Schuld und Versagen werden etliche Funktionäre an ihren Stühlen kleben bleiben. Zu viel Geld ist im Spiel."

Neue Presse

17 Jahre stand Blatter an der Spitze des mächtigsten Sportverbandes der Welt, in seine Amtszeit fielen dubiose WM-Vergaben und merkwürdige Marketing-Deals. Millionen wurden verschoben, Korruption war offenbar gängige Praxis. Auf einen neuen Fifa-Präsidenten kommen nun wahrlich schwere Aufgaben zu. Er muss verloren gegangene Sympathien wieder erarbeiten, Skandale aufarbeiten, Strukturen grundlegend reformieren. Blatters Rücktritt war der erste Schritt dazu - mehr aber auch nicht. Sein Nachfolger muss dem Fußball die verloren gegangene Glaubwürdigkeit zurückbringen. Das wird Zeit in Anspruch nehmen.

Neue Züricher Zeitung (Schweiz)

"Dem Weltfussball dürften turbulente Wochen bevorstehen, wobei die zentralen Aspekte nicht nur Blatters Nachfolge, sondern auch die Beweggründe für seinen Abgang betreffen werden. Es gibt Spekulationen, Blatter gehe nicht einfach dem Fifa-Frieden zuliebe, sondern kapituliere vor juristischen Untersuchungen. Der Walliser steht zwar seit Jahren einer von Korruption geprägten Organisation vor, doch kriminelle Machenschaften sind ihm noch nicht nachgewiesen worden. Wer mehr darüber wissen wollte, warum Blatter geht, hatte am Dienstag keine Gelegenheit nachzufragen. Blatter gab an der Medienkonferenz sein Statement - und verschwand."

Blick (Schweiz)

"Und jetzt geht er doch? Dann hat er etwas falsch gemacht? Liegt gegen ihn etwas Belastendes vor? Oder reicht ihm die Wiederwahl von letzter Woche für sein Vermächtnis? Oder sind es private Gründe? Noch am Kongress im Hallenstadion in Zürich-Oerlikon beteuerte Blatter, den Fußball vom Ruch der Korruption befreien zu wollen - als Präsident. [...] Bei seinem Abgang gestern tönt er anders, verbittert, geknickt.

Die Presse (Österreich)

"Eines aber dürfen alle Kritiker nicht vergessen: Blatter hat die Fifa zu dem gemacht, was sie ist; ein Unternehmen mit zwei Milliarden Dollar Jahresumsatz, ein Weltkonzern. Die Vermarktung des WM-Pokals ist ein Selbstläufer, jeder Amateur könnte es. [...] Blatter war ein Top-Manager mit Kontakten, Geschäftssinn und Verhandlungsgeschick. Die Fifa hat unter seiner Leitung den Fußball an den Bestbieter verkauft, ja; aber extrem hochpreisig. Und ausschließlich an dieser Summe wird nun sein Nachfolger gemessen."

The Times (Großbritannien)

"Sepp Blatters Rücktritt als Fifa-Präsident war längst überfällig. Es ist gut, dass er geht. Die Beweise der US-Ermittlern scheinen zu bestätigen, dass die Fifa durch und durch verdorben war, und von einem Klüngel in einer Fünf-Sterne-Welt unter der nachsichtigen Aufsicht Blatters geführt wurde. Die Fifa muss nun einen unwahrscheinlich anmutenden Prozess einleiten, um einen ehrlichen Führer zu suchen. Gleichzeitig muss sie innerhalb der Organisation aufräumen. Mit viel Glück wird dies ein erster Schritt in die richtige Richtung sein."

Ynet (Israel)

"Fifa wird in der nächsten Zeit mit der Wahl eines neuen Präsidenten beschäftigt sein und die Beschäftigung mit den palästinensischen Beschwerden wird sich verzögern. Sollte Uefa-Chef Michel Platini gewählt werden, wären das gute Nachrichten für Israel. Platini war zuletzt die wichtigste Kraft bei der Unterstützung Israels gegen die Forderung der Palästinenser nach einem Ausschluss (aus der Fifa). Aber auch wenn der Prinz Ali bin al-Hussein aus Jordanien gewählt wird ist das nicht unbedingt schlecht für Israel."

Südwest Presse

"Die Beweggründe für seinen Rücktritt bleiben vorläufig offen. Dass den Schweizer über Nacht die Einsicht gepackt hat, nicht mehr der richtige Mann zu sein, ist nicht anzunehmen. Viel wahrscheinlicher ist, dass Blatter den amerikanischen Ermittlern, die das Gebaren der Fifa und ihres bisherigen Präsidenten untersuchen, zuvorgekommen ist. Blatter musste damit rechnen, dass ihm Unheil droht. Und zog die Konsequenz. Positiv anzurechnen ist Blatter, dass er nun - warum auch immer - den Weg zu einem Neuanfang frei gemacht hat. Wer den beschreiten kann, ist offen. Einen Nachfolger hat Blatter nicht aufgebaut, er wäre zudem chancenlos. Der europäische Verband Uefa ist sich nicht einig. Michel Platini, Luis Figo und Michael van Praag hatten nicht den Mut zur Kandidatur. Keine guten Voraussetzungen also, schnell eine vernünftige Lösung zu finden."

jen

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