Am Abend trafen sich Frankreich und Spanien im Stade de France, Spanien gewann nach Toren von Silva (FE 68. Min.) und Deulofeu (77. Min.) mit 2:0. Ein Testspiel zweier großer Fußballnationen, sicherlich, aber doch keine große Sache, weil eben nur ein Testspiel. Und doch könnte dieses Spiel irgendwann einmal als Zäsur in der Geschichte des Fußballs wahrgenommen werden.
Noch vor, sagen wir mal, einem halben Jahr wäre das Spiel wohl 1:1 ausgegangen - weil Videoassistent Tobias Stieler nicht aktiv ins Spielgeschehen eingegriffen und den deutschen Schiedsrichter Felix Zwayer auf dem Platz gleich bei zwei spielentscheidenen Szenen unterstützt hätte.
Spanien gegen Frankreich: ein Paradesbeispiel
Beim vermeintlichen 1:0 für Frankreich durch Antoine Griezmann in der 48. Minute entschied Zwayer nach Rücksprache mit Stieler zu recht auf Abseits, da Kurzawa bei seinem Pass auf Griezmann im Abseits stand. Und in der 77. Minute, als Deulofeu das 2:0 für Spanien erzielt, zeigte der Assistent an der Außenlinie Abseits an. Auch hier griff Stieler korrigierend ein, da sich der Torschütze auf gleicher Höhe mit dem Verteidiger befand.
Das Spiel war also ein Paradebeispiel für die entscheidende Rolle, die ein Video-Assistent spielen kann. Das Schiedsrichtergespann um Felix Zwayer und Tobias Stieler erhielt nach dem Spiel für seine Leistung berechtigterweise viel Lob.
Und doch regte sich während und nach dem Spiel Unmut bei den Zuschauern im Stadion, am TV und in den sozialen Netzwerken. Besonders die Szene rund um Griezmanns vermeintliches Führungstor sorgte für Diskussionen – und das ist genau der Grund, warum das Spiel eine Zäsur darstellen könnte: die Zuschaueremotionen. Bei Twitter war schnell vom "Beschneiden der Emotionen" und vom Zerstören des Jubelmoments die Rede.
Ganz von der Hand zu weisen ist dieser Gedankengang nicht, besonders wenn man sich Griezmanns Abseitstor anschaut. Vom Tor bis zur Abseitsentscheidung verging knapp eine Minute – ein Zeitraum, der die von DFL-Schiedsrichtermanager Manager Helmut Krug angemahnten "10 bis 40 Sekunden" bis zur Entscheidungsfindung deutlich überschreitet.
Die Anhänger der französischen Nationalmannschaft haben also eine Minute umsonst gejubelt und zeigten nach der Aberkennung des Tores ihren Unmut mit einem Pfeifkonzert. Die Gestik von Zwayer trug hier sicherlich nicht zur Aufklärung bei: "Durch einen symbolisch in die Luft gemalten Bildschirm" soll der Schiedsrichter eigentlich den Einsatz des Assistenten anzeigen. Dies hat Zwayer so nicht gemacht. Viele Fans wissen zudem noch gar nicht, dass Tore inzwischen vom Video-Assistenten überprüft werden können.
Aber davon abgesehen: Sind derartige Szenen wirklich so fremd? Schließlich kommen voreilige Torjubel oft genug vor. Ob beim Abseitstor, bevor der Blick raus zum Assistenten geht, oder bei Torschüssen, die man bereits drin gesehen hat.
Eine Neuerung, an die sich die Fans gewöhnen müssen
Der aktiv eingreifende Videoassistent ist eine Neuerung, an die sich die Fans gewöhnen müssen. In die gewohnten Abläufe bringt er Veränderungen, die sich erst noch einspielen müssen: Im Zusammenspiel von Schiedsrichter und Videoassistent, bei der Bildregie am TV und im Stadion, bei den Fans, die sich an den Gedanken gewöhnen werden müssen, dass grundsätzlich jedes Tor vom Videoassistenten untersucht wird.
Warum dieses Spiel also als Zäsur gelten könnte? Weil es gezeigt hat, was der Videoassistent dem Fußball bringen wird: mehr Fairness. Die logische Folge ist aber auch, dass dies auf Kosten einiger Emotionen gehen wird – sei es beim Torjubel oder in den Diskussionen danach, weil es deutlich weniger Fehlentscheidungen geben wird.
Ob Fairness oder Emotionen im Fußball höher zu bewerten sind, muss jeder Fan für sich selbst entscheiden. Zum Beispiel in der kommenden Bundesligasaison, wenn der Videobeweis auch in den deutschen Stadien eingeführt werden soll.