Stefan Effenberg exklusiv Tötungsgesten sind unterste Schublade

stern.de-Kolumnist Stefan Effenberg zeigt sich schockiert über die neue Dimension der Fan-Proteste. In Stuttgart hatten die mit zur Ablösung von Markus Babbel geführt. Vom neuen VfB-Coach Christian Gross sind jetzt vor allem psychologische Fähigkeiten gefordert, meint Effe.

Die Ereignisse in Stuttgart vor und nach dem Spiel gegen den VfL Bochum haben mich schockiert. Es hat schon immer Fan-Proteste in der Bundesliga gegeben. Dass Busabfahrten verhindert werden, ist nichts Neues. Auch Sitzblockaden kommen vor. Aber die Dimension vom Wochenende kannte ich bisher noch nicht. Und ich finde die Entwicklung auch gefährlich.

Um es klar zu sagen: Fans dürfen unzufrieden sein, sie dürfen pfeifen und lautstark protestieren. Sie dürfen auch Leistung einfordern. Aber was nicht geht sind Tötungsgesten und Hass gegen die eigenen Spieler. In Stuttgart ist das so passiert. Was man nicht vergessen darf: 3.000 Fans haben nach dem Spiel friedlich demonstriert, aber vielleicht nur ein paar Hundert davon haben sich derartig daneben benommen. Wirklich unterste Schublade!

Zur Person: Stefan Effenberg

Stefan Effenberg, geboren am 2. August 1968 in Hamburg, war einer der besten Mittelfeldspieler der Welt und eine der großen Reizfiguren des deutschen Fußballs. In der Bundesliga bestritt er 370 Spiele für Borussia Mönchengladbach, Bayern München und den VfL Wolfsburg. Von 1992 bis 1994 spielte Effenberg in Italien für den AC Florenz. Mit Gladbach gewann der "Tiger" 1995 den DFB-Pokal, seine erfolgreichste Zeit hatte er allerdings beim FC Bayern. Mit dem Rekordmeister gewann Effenberg als Kapitän drei deutsche Meisterschaften, DFB-Pokal und 2001 die Champions Legaue und den Weltpokal. Effenberg lebt in Miami, USA, und arbeitet als Champions-League-Experte für den TV-Bezahlsender "Sky".

Gross als Psychologe gefordert

In der Saison 97/98 stand ich mit Gladbach vor dem Abstieg, da war die Situation ähnlich. Die Fans waren im Begriff, sich von uns abzuwenden. Aber gemeinsam haben wir die Wende gepackt. Wohl gemerkt: gemeinsam. Ich kann Präsident Staudt schon ein bisschen verstehen. Er hat im Grunde kapituliert. Was blieb ihm auch anderes übrig. Er musste reagieren. Da ging es dann wirklich um das Wohl des Clubs, der in der Außendarstellung sowieso schon mies dasteht.

Jetzt wurde mein Freund Markus Babbel also beurlaubt und mit Christian Gross gleich der nächste Trainer verpflichtet. Ich kenne ihn persönlich nicht, aber mein Ex-Coach Ottmar Hitzfeld hält große Stücke auf ihn. Gross kann anscheinend hart durchgreifen. Aber in den drei Spielen vor der Winterpause ist er jetzt mehr als Psychologe denn als Hardliner gefordert. Gross muss Blockaden lösen. Darauf kommt es an.

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