Ein Vorbild? Nein, ein Vorbild hat Uli Hoeneß nie wirklich gehabt. Doch wie ist Uli Hoeneß, der Fußballspieler, der Mann mit den blonden Engelshaaren, den sie Jungsiegfried nannten, wie ist dieser Mann zum manchmal schroffen, aufbrausenden, lauten Manager Uli Hoeneß geworden? Wer an Hoeneß denkt, sieht einen tobenden Mann vor sich. Dieses Bild hat sich über die Jahre gefestigt. Dabei gibt es Hoeneß auch ganz sanft und ruhig. Wer sich mit ihm trifft und sich mit ihm unterhält, stellt fest, welche Gelassenheit und Ruhe dieser Mann ausstrahlen kann, wenn er in seinem Büro beim FC Bayern in einem der Sessel aus Rattan sitzt.
Der FC Bayern und Uli Hoeneß - diese Kombination wird es weiter geben. Auch wenn er am Freitag in ein anderes Amt gewählt wird. Hoeneß zieht um, sich selbst aber bleibt er treu. Der FC Bayern und Uli Hoeneß - diese Kombination gibt es nicht ohne Emotionen. Nicht ohne totale Leidenschaft. Ein gezogenes "totaaaal" ist im Bayern-Jargon das Adjektiv für so vieles, ist eines der von Hoeneß am häufigsten verwendeten Worte. Uli Hoeneß gibt es nur selten in der bedächtigen, in der moderaten Version. Mal heiß und mal kaltblütig, mal aufbrausend, mal beruhigend. Mal voller Zorn, dann doch auch der ruhende Pol des Vereins. Mal geht mit ihm der Choleriker durch, im nächsten Moment gewinnt der Analytiker die Oberhand. Ein Leben in Extremen, ständig am Anschlag, im Job immer auf Betriebstemperatur, nur zu Hause auf dem Sofa manchmal im Stand-by-Modus. Adrenalin ist sein Körperbenzin.
Zum Autor
Patrick Strasser ist 1975 in München geboren – im Stadtteil Harlaching, wo sich rund 75 Jahre zuvor der FC Bayern gegründet hatte. Seit 1985 verfolgt er die Spiele der Bayern im Stadion; beim ersten Mal traf Sören Lerby zum 1:0 gegen Dortmund in den Winkel – und in sein Herz. Einst Kurve, nun Pressetribüne: Seit 1998 arbeitet Strasser als Redakteur bei der Münchner Abendzeitung und als Autor. Kürzlich erschien im riva Verlag seine Biographie "Hier ist Hoeneß!". "Hier ist Hoeneß!", so meldet sich der scheidende Manager am Telefon.
Ein Bambi für Hoeneß' Lebenswerk
Der rote Teppich ist im Grunde nicht seine Welt. Ganz selten einmal wirft sich Uli Hoeneß wirklich in Schale, trägt Anzug und Krawatte. Doch wenn er einen Preis wie den Bambi, speziell das "Wirtschafts-Reh" am Donnerstagabend in der Potsdamer Metropolis-Halle bekommt, wird auch dem 58-Jährigen ein wenig feierlich zumute. Gerade, wenn er sich in prominenter Gesellschaft aus Politik, Showbusiness und Sport wiederfindet. Weitere Bambi-Preisträger sind: Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl, Schauspieler Maximilian Schell, Regisseur Roland Emmerich, Pop-Sängerin Shakira und die Klitschko-Brüder.
Hoeneß wurde für sein Lebenswerk geehrt. Knapp 40 Jahre FC Bayern, 30 Jahre als Manager. Die Auszeichnung bekam der 58-Jährige ausgerechnet am Vorabend seiner Inthronisierung zum Präsidenten und Nachfolger von Franz Beckenbauer. Hoeneß ist dann nicht mehr Manager, sein zweiter Vorname wird künftig sein: Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender.
Am Freitag findet in der Halle C1 der Messe München - und nicht wie in den letzten Jahren Usus im Festsaal am Nockherberg - die jährliche Mitgliederversammlung statt. Es werden bis zu 5.000 Besucher erwartet - und eine Huldigung von Hoeneß. Wenn sich ein paar kritische Stimmen unter den Jubel mischen, wird es eher um den Einstieg von Audi als strategischem Partner gehen oder um den sportlichen Misserfolg der letzten Wochen und Monate, ja sogar Jahre. Daran will Uli Hoeneß, der Mister FC Bayern, sein Werk nicht messen lassen. Es ist müßig, die Erfolge des FC Bayern, alle 37 Titel mit dem Höhepunkt Champions-League-Sieg 2001, in der Ära Hoeneß aufzuzählen. Viel wichtiger ist dem gebürtigen Ulmer, der schon als kleiner Bub in der elterlichen Metzgerei an der Kasse aushelfen musste, die Übergabe des Vereins. 1979 machte der FC Bayern zwölf Millionen DM Umsatz, der Schuldenstand betrug sieben Millionen DM. Zum Vergleich: In der Saison 2008/09 wurden rund 300 Millionen Euro Umsatz verzeichnet, allein beim Fanartikel-Geschäft bis zu 45 Millionen Euro.
Endlich Zeit für private Pläne
"Ich habe viele Bekannte, mittelständische Unternehmen, die nicht rechtzeitig ihre Nachfolge geregelt haben. Ich habe mir immer geschworen, das anders zu machen", sagte er kürzlich. Seit Juli 2008 arbeitet Hoeneß seinen Nachfolger Christian Nerlinger ein. Doch wie soll der FC Hoeneß bloß ohne Hoeneß funktionieren? Er wolle keinen Klon, sagt er. Aber, na ja, so etwas Ähnliches darf's schon sein. "Ich sehe bei Christian in vielen Dingen den jungen Uli Hoeneß. Er ist gradlinig und hat eine eigene Meinung. Er kann einem in die Augen schauen. Er ist kein Buckler, der hier nur zuhört, zu allem Ja und Amen sagt. Das gefällt mir." Im Grunde war das eine Selbstbeschreibung. Nerlinger ist seit Juli 2009 Zimmernachbar von Hoeneß an der Säbener Straße - und das wird auch so bleiben. Denn Hoeneß gibt sein Büro nicht auf. Hoeneß wird ein anderes Amt ausüben, aber Uli Hoeneß bleibt immer: Uli Hoeneß.
Wer ihn am Mittwoch beim beschwerlichen und zähen 1:0 in der Champions-League gegen Maccabi Haifa auf der Ehrentribüne hat leiden sehen, weiß: Er ist der erste Fan des Vereins, darüber hinaus der Anwalt und Verteidiger der Spieler. Er kann nicht anders. "Wenn Uli sich komplett zurückziehen würde, wäre das ein herber Verlust. Aber das wird er nicht tun." Da kennt ihn Ex-Trainer Ottmar Hitzfeld zu gut. "Der FC Bayern ist ja sein Kind, sein Werk. Das könnte er nie vernachlässigen. Er wird sich immer einmischen. Dafür ist er viel zu ehrgeizig."
Der Mann hat Ziele. Kurzfristig etwa dieses: "Ich hoffe sehr, dass wir Ruhe reinbringen und ein paar Wochen ohne Trainerdiskussion auskommen." Und langfristig? Loslassen möchte er, zumindest hat er es vor. Spontaner sein, ungezwungener, keine Geißel seines Terminkalenders mehr. Ausflüge machen will er mit seiner Frau Susi. Ganz spontan. "Für so etwas hatte ich 30 Jahre keine Zeit." Hoeneß hat schon Pläne. "Da fliegen wir mal freitags nach Madrid", überlegt er laut, "bleiben bis Montag und schauen uns das Spiel gegen Barcelona an." Wieder Fußball. Immer Fußball. Er kann nicht anders.