Argentinien-Medien Schon eine Dolchstosslegende

Statt ihre Mannschaft anzufeuern, schreiben einige argentinische Medien bereits eine Niederlage für morgen herbei. Sie wittern eine Verschwörung des Schiedsrichters gegen ihr Land.

In Argentinien haben einen Tag vor dem WM-Viertelfinale gegen Deutschland nicht nur die Fußballstars Roman Riquelme oder sein Gegenpart Michael Ballack die Schlagzeilen der Zeitungen bestimmt. Im Mittelpunkt stand vielmehr der Schiedsrichter, der die Partie pfeifen soll: der Slowake Lubos Michel. Heftig wurde debattiert, ob der Schiedsrichter wirklich unparteiisch auftreten werde - oder ob seine Nominierung nicht eher ein Vorteil für WM-Gastgeber Deutschland sei.

"Man sagt, dieser Michel sei sehr gut, der beste Europas. Aber die Slowakei liegt ein bisschen nah bei Deutschland", ließ "La Nacion" argentinische WM-Berichterstatter zu Wort kommen. Auch die Sportzeitung "Ole" heizte die Ängste vieler Argentinier vor dem Schiedsrichter an: Zwar habe Michel das Spiel Paraguay-Schweden gut gepfiffen. "Aber danach stürzte er bei dem 2:1 zwischen Portugal und Mexiko ab." Und bei Brasilien-Ghana habe er ein Tor für den großen Nachbarn Argentiniens gegeben - dabei sei das doch Abseits gewesen.

Ein Kommentator der Zeitung wertete dies als "eine echte Psychose", die auch durch eine Reihe von Schiedsrichter-Fehlern im bisherigen Turnierverlauf ausgelöst worden sei. Er warnte seine Leser aber davor, solchen Verschwörungstheorien nachzugeben. Die Fans sollten sich lieber daran erinnern, wie brillant Argentinien die WM 1986 in Mexiko gewann - trotz des berühmt-berüchtigten Handspiels Diego Maradonas, dem die Mannschaft damals den Einzug ins Halbfinale verdankte.

Auch die größte Tageszeitung im Lande, "Clarin" urteilte: Alles Quatsch. Schon bevor der Schiedsrichter bestimmt wurde, seien viele Argentinier davon überzeugt gewesen, "dass dieser Herr der Verantwortliche dafür sein werde, Argentinien aus der WM ausscheiden zu lassen." Denn ein mächtiger Gastgeber wie die Deutschen dürfe doch gar nicht rausfliegen. Doch für "Clarin" steht fest: "Man weiß nicht, was Lubos Michel denkt, aber bevor man ihn verurteilt, wäre es angebracht, ihm eine Chance zu geben: das Spiel zu leiten." Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

Reuters
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