Selten zuvor hatte die spanische Fußballnationalelf in der Heimat so viel Begeisterung ausgelöst wie bei der Weltmeisterschaft in Deutschland. Umso größer war die Enttäuschung darüber, dass die "Selección" bereits im Achtelfinale scheiterte. In Madrid verwandelte sich der Frust in dumpfe Gewalt. Auf dem Kolumbusplatz im Zentrum der Hauptstadt, wo rund 20.000 Fans das Spiel gegen Frankreich auf einer Riesenleinwand verfolgt hatten, griffen Randalierer die Polizei mit Flaschen an, die Beamten antworteten mit Schlagstöcken.
Die traurige Bilanz der Krawalle: Rund 50 Verletzte, unter ihnen zwei Polizisten, und zwölf Festnahmen. In der nahe gelegenen Serrano- Straße, einer der exklusivsten Einkaufsmeilen in Madrid, steckten gewalttätige Jugendliche ein Auto und einen Müllcontainer in Brand, andere warfen Fensterscheiben ein oder demolierten Ampeln. Augenzeugen berichteten von Chaos und Angst unter unbeteiligten Passanten. Zahlreiche Nachtschwärmer flüchteten sich in die noch offenen Kneipen in der Gegend. "Und all dies wegen so eines Blödsinns", meinte ein Polizist kopfschüttelnd. Die große Mehrheit der Fans blieb aber friedlich, viele stimmten trotz allem "Es-pa-ña"- Rufe an.
Tränen des kleine Javiers
Zum Sinnbild der Enttäuschung wurde der kleine Javier, der die Partie vor einer Riesenleinwand an der Puerta del Sol (Sonnenpforte) im Herzen der Hauptstadt verfolgt hatte. Dicke Tränen liefen dem Zehnjährigen über das Gesicht, als die Niederlage feststand. "Ich habe mir den Sieg so sehr gewünscht", stotterte er in die Fernsehkameras, während sein älterer Bruder Roberto versuchte, ihn zu trösten. Diese Bitterkeit gehöre wohl inzwischen zur Erbanlage der Fans der Nationalelf, meinte die Zeitung "El Mundo".
Ganz andere Szenen in der französischen Hauptstadt: Mit einem Hupkonzert auf der Pariser Prachtallee Champs-Elysées haben Franzosen den überraschenden Sieg ihrer Mannschaft stürmisch gefeiert. "Allez les Bleus" und "Allez Zizou" sangen die Anhänger erleichtert und schwenkten die Tricolore. Staatspräsident Jacques Chirac schickte der Mannschaft herzliche Glückwünsche zu dem Erfolg: "Frankreich kann stolz sein auf diesen wunderbaren Erfolg."
"Dieser Abend ist ein großer Abend"
"Dieser Abend ist ein großer Abend, wir haben heute eine große Mannschaftleistung erbracht", sagte Stürmerstar Thierry Henry. "Ich bin sprachlos. Wir haben als Team gespielt und niemals nachgelassen." Trainer Raymond Domenech sprach von einem "bewunderswerten Match". Mit seiner "kleinen Alten-Equipe" komme Frankreich jetzt weiter, meinte er zu abschätzigen Bemerkungen über die Bleus" vor dem Spiel.
Kapitän und Torschütze Zidane erklärte: "Heute haben wir gezeigt, dass wir ein gutes Team haben und dass wir weit kommen wollten." Für das Spiel gegen Brasilien werde man sich genauso gut vorbereiten, "wir sind zufrieden, gemeinsam soweit gekommen zu sein."