Fußballturnier im Winter Fifa-Funktionär erwägt Winter-WM in Katar

Von Silke Mertins
Mit Jordaniens Prinzen Ali Bin Hussein, Vizepräsident der Fifa, fordert erstmals ein Top-Funktionär die Verschiebung der WM 2022. Ein Turnier im Winter wäre keine "so große Sache"

Es hat angenehme 23 Grad in Berlin, eine leichte Brise weht am Brandenburger Tor. Das ist ideales Fußballwetter, findet der jordanische Prinz und Fifa-Vizepräsident Ali Bin Hussein, als er das Café Einstein Unter den Linden betritt. Und er wünscht sich: Genau so sollte es auch sein, wenn in 2022 die Weltmeisterschaft in Katar ausgetragen wird, Nur: Im Sommer klettern die Temperaturen in dem Golfemirat auf 45 Grad und mehr. Hinzu kommt hohe Luftfeuchtigkeit. Da ist es selbst dann schweißtreibend, wenn man sich nicht bewegt. Hochleistungsfußball unter diesen Bedingungen grenzt an Körperverletzung.

Aber die Katarer hatten eine Idee. Die Stadien würden, erklärten sie den Delegierten des abstimmenden Fifa-Kongresses im Dezember 2010, mit Klimaanlagen auf ein erträgliches Maß heruntergekühlt werden. Und sie bekamen die WM. Noch ist nicht sicher, ob das Weltturnier tatsächlich dort ausgetragen wird, denn auf öffentlichen Druck wird derzeit untersucht, ob Delegierte bestochen worden sind, worauf einiges hindeutet. Das Hitzeproblem spielt bei den Ermittlungen keine Rolle. Bin Hussein aber räumt es jetzt als erster Spitzenfunktionär des asiatischen Fußballverbands ein. "Es ist doch ganz offensichtlich, dass es besser wäre, die WM in Katar im Winter auszutragen", sagt der Jordanier. "Ich weiß gar nicht, warum eine Verschiebung eine so große Sache sein soll."

Die Steifheit der Blatter-Generation ist ihm fremd

Der Prinz, Bruder des jordanischen Königs Abdullah, stellt sich damit ausdrücklich gegen die Beschlusslage des Fifa-Exekutivkomitees. Das höchste Gremium des Weltverbands hat sich bereits gegen eine Verlegung der WM, die immer alle vier Jahre in der Sommerpause stattfindet, ausgesprochen. Das Turnier im Winter zu veranstalten würde die laufende Fußballsaison empfindlich stören. Der Fußballkalender ist schlicht anders getaktet, und zwar weltweit. In vielen wichtigen Fußballnationen, etwa in England, gibt es nicht einmal eine kurze Winterpause. Der Klubfußball ist ein Milliardengeschäft - und Liga, Pokal, Europacup-Wettbewerbe haben einen engen Terminkalender. Also vertraut man bei der Fifa auf die Technik und gigantische Kühlsysteme. Ob die funktionieren? Der Engländer John Barrow vom zuständigen Architekturbüro Populous gestand kürzlich: Die Stadien mit Klimaanlagen herunterzukühlen sei viel zu teuer - und ohnehin schwer machbar.

Diese Erkenntnis könnte der Hintergrund für den Vorstoß von Ali Bin Hussein sein. Er ist mit 36 Jahren das mit großem Abstand jüngste Mitglied des 24-köpfigen Exekutivkomitees. Die Steifheit der Blatter-Generation ist ihm fremd. Unprätentiös, mit offenem Hemd und hochgekrempelten Ärmeln, rührt Bin Hussein in seinem Cappuccino. Und auch die Vorstellungen des ehemaligen Ringers unterscheiden sich so fundamental von der Hinterzimmerpolitik der alten Funktionäre um den Fifa-Präsidenten Joseph Blatter, dass Bin Hussein für viele ein Hoffnungsträger geworden ist. Von der Fifa-Spitze könne und müsse man "gute Regierungsführung erwarten", sagt er. "Statt von einer Persönlichkeit an der Spitze nach unten zur Basis müsste von der Basis an die Spitze" regiert werden.

Fußball als Chance für sozialen Wandel

Auch die Führung der Fifa sollte anders aussehen als heute, findet der Prinz: "Warum sind im Exekutivkomitee keine Trainer, keine Spieler, keine Schiedsrichter vertreten?" Solche Fachleute brauche man an der Spitze des Weltverbands. Schließlich gehe es "nicht nur um die großen Turniere und Wettkämpfe, sondern auch um die Entwicklung des Fußballs".

Genau aus diesem Grund ist Ali Bin Hussein diese Woche in der deutschen Hauptstadt. Um Fußball als Chance für sozialen Wandel zu unterstützen, unterzeichnete er am Mittwoch mit der Organisation Streetfootballworld in Berlin einen Kooperationsvertrag. Und auch sein erster großer Sieg als Fifa-Vizepräsident vom vergangenen Monat trägt diese Handschrift: Bin Hussein hat durchgesetzt, dass Frauen und Mädchen bei internationalen Fußballturnieren ein Kopftuch tragen dürfen.

"Für den Frauenfußball im Nahen und Mittleren Osten wird das der Durchbruch sein", glaubt Bin Hussein. In der jordanischen Frauennationalmannschaft hätten drei der besten Spielerinnen international bisher nicht antreten dürfen. Sie wollten aus religiösen Gründen auf den Hidschab nicht verzichten. "Es ist doch egal, ob eine Fußballerin lange oder kurze Haare hat, ein Tattoo hat oder ein Kopftuch trägt. Medizinisch spricht nichts dagegen, also lasst sie einfach spielen."

Welche Revolution er als Nächstes plant, will der Prinz noch nicht verraten. Seine Hoheit lächelt nur geheimnisvoll. Er hat die Jugend und damit die Zeit auf seiner Seite.

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