Krieg in Nahost Netanjahu maßregelt Katar und plant "Strandgrundstücke" in Gaza

"Entweder weist ihr sie aus oder zieht sie zur Rechenschaft", mahnt Benjamin Netanjahu die Führung in Katar
"Entweder weist ihr sie aus oder zieht sie zur Rechenschaft", mahnt Benjamin Netanjahu die Führung in Katar bezogen auf die Hamas
© Abir Sultan / EPA / DPA
Nach dem Angriff in Katar fordert Israels Premier Benjamin Netanjahu die Regierung dazu auf, die Hamas-Führung auszuweisen. Doha regiert verärgert und ist damit nicht allein.

Israel erhöht ungeachtet internationaler Kritik an seinem offenbar fehlgeschlagenen Luftangriff in Katar auf die Führungsspitze der islamistischen Terrororganisation Hamas den Druck. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu rief Katar nach Angaben seines Büros auf, die Hamas-Anführer auszuweisen und warnte: "Ich sage Katar und all den Ländern, die Terroristen Unterschlupf gewähren, entweder weist ihr sie aus oder zieht sie zur Rechenschaft. Denn wenn ihr es nicht tut, dann werden wir es tun." Katars Außenministerium wies seine "rücksichtslosen Äußerungen" scharf zurück.

Katar verurteile "die ausdrücklichen Drohungen mit künftigen Verletzungen der staatlichen Souveränität", heißt es in einer auf X veröffentlichten Erklärung des Außenministeriums. Netanjahus Worte seien ein "beschämender Versuch", Israels Angriff in der katarischen Hauptstadt vom Dienstag zu rechtfertigen.

Israels Luftwaffe hatte versucht, die Führungsspitze der Hamas in Doha anzugreifen. Ein Ziel war Berichten zufolge Chalil Al-Haja, der höchste Hamas-Führer im Ausland, der auch die Hamas-Delegation bei den indirekten Verhandlungen mit Israel über eine Waffenruhe leitet. Nach Hamas-Angaben schlug die Attacke jedoch fehl, es sei kein Mitglied der Delegation getötet worden. Sechs Menschen seien aber ums Leben gekommen, darunter Al-Hajas Sohn und sein Büroleiter. Der Angriff war international verurteilt worden.

Israels Druck könnte Hoffnung für Geiseln zerstören

Nach Einschätzung des katarischen Ministerpräsidenten Mohammed bin Abdulrahman Al Thani könnte der Angriff negative Folgen für die Geiseln im Gazastreifen haben. "Ich denke, das, was Netanjahu gestern getan hat, hat jede Hoffnung für diese Geiseln zunichtegemacht", sagte er am Mittwoch in einem Interview des US-Fernsehsenders CNN. Katar vermittelt zusammen mit Ägypten und den USA im Gaza-Krieg zwischen Israel und der Hamas.

In Gaza befinden sich noch 48 Geiseln, davon sind 20 nach israelischen Informationen noch am Leben. Angehörige hatten nach dem Angriff große Sorge über deren Schicksal geäußert. Al Thani hatte kurz nach Israels Angriff angedeutet, dass Katar an seiner Rolle als Vermittler festhalten könnte. Am Tag darauf sagte er laut CNN, man werde "alles neu bewerten", was Katars Engagement in künftigen Waffenruheverhandlungen betreffe. Man sei im "sehr detaillierten Gespräch" mit der US-Regierung darüber, wie es weitergehen soll.

"Das ultimative Ziel ist es, die Hamas dazu zu bringen, unseren Bedingungen zuzustimmen, und was Israel derzeit tut, ist eine umfassende Druckkampagne", zitierte das "Wall Street Journal" Jonathan Conricus, ehemaliger Sprecher des israelischen Militärs, der an der Denkfabrik Foundation for the Defense of Democracies in Washington tätig ist. Der israelische Sender Channel 12 hatte ranghohe Verteidigungsbeamte zitiert, wonach der Angriff Hamas-Funktionären gegolten habe, die Kompromisse bei den Gesprächen über ein Gaza-Abkommen abgelehnt hätten und ein Hindernis für ein Abkommen seien.

Bericht: Trump weist Netanjahu zurecht

US-Präsident Donald Trump führte nach Informationen des "Wall Street Journal" nach dem Angriff ein hitziges Telefonat mit Netanjahu. Darin habe Trump seine "tiefe Frustration" darüber zum Ausdruck gebracht, von Israels Angriff überrascht worden zu sein. Die Entscheidung, politische Hamas-Anführer in Doha anzugreifen, sei nicht weise gewesen, habe Trump zu Netanjahu gesagt, hieß es unter Berufung auf ranghohe US-Beamte.

Trump sei wütend gewesen, erst während des Angriffs durch das US-Militär und nicht von Israel selbst darüber informiert worden zu sein – und darüber, dass ein Angriff das Territorium eines US-Verbündeten getroffen habe, der gerade in Verhandlungen zur Beendigung des Gaza-Krieges vermittele. Netanjahu habe geantwortet, dass er ein kurzes Zeitfenster für die Angriffe gehabt und die Gelegenheit genutzt habe, berichtete die Zeitung weiter.

Merz will sich noch nicht zu Israel-Sanktionen positionieren

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) kritisierte den israelischen Angriff als völkerrechtswidrig, will sich aber noch nicht zu möglichen Sanktionen positionieren. Er habe die Vorschläge von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dazu "zur Kenntnis genommen", sagte der CDU-Vorsitzende.

Er wolle nun zunächst "die interne Diskussion im Europäischen Rat abwarten, auch die Diskussion in der Koalition", sagte Merz. Von der Leyen hatte angekündigt, alle Zahlungen der EU-Kommission an Israel auszusetzen. Es solle allerdings keine Auswirkungen für die Arbeit mit der israelischen Zivilgesellschaft oder der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem geben.

Netanjahu spricht von "Strandgrundstücken" im Gazastreifen

Unterdessen nahm Netanjahu südlich von Tel Aviv an der Grundsteinlegung für eine Strandpromenade teil, die nach Trump benannt ist. Bei der Zeremonie in der Stadt Bat Jam machte Netanjahu Andeutungen über die Zukunft des umkämpften Gazastreifens. "Präsident Trump hat mehrmals mit mir über Anlagewerte am Meer gesprochen", sagte er nach Angaben seines Büros.

"Er sagte mir, dass wir hier wunderbare Strandgrundstücke haben", erzählte Israels Regierungschef. Trump habe allerdings über einen Ort gesprochen, "der etwas südlich von hier liegt – in Gaza", sagte Netanjahu. Trump hatte die Idee ins Spiel gebracht, die Kontrolle über den Gazastreifen zu übernehmen und die palästinensische Bevölkerung umzusiedeln, um Gaza in eine "Riviera des Nahen Ostens" zu verwandeln. Der Vorschlag war auf heftige Kritik gestoßen.

Israel will die Hamas zerschlagen, während palästinensische Vertreter auf einen Wiederaufbau des Gazastreifens unter eigener Verwaltung drängen. Viele Palästinenser sorgen sich auch angesichts der von Israel angestrebten Einnahme der Stadt Gaza im Norden des weitgehend verwüsteten Küstengebiets vor einer neuen Welle der Flucht und Vertreibung – ähnlich wie während des Kriegs im Zuge der israelischen Staatsgründung 1948 und während des Sechstagekriegs 1967. Ultrarechte Mitglieder der israelischen Regierung von Netanjahu streben eine Wiederbesiedlung des Gazastreifens mit Israelis an.

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Lars Nicolaysen / cl