Internationale Pressestimmen "Diesmal könnte Israel zu weit gegangen sein"

Angriff auf Doha.
Israels Luftschlag auf Doha: Hamas-Anführer soll den Angriff überlebt haben.
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Die internationalen Medien schauen unterschiedlich auf den israelischen Angriff in Katar. Einig sind sie sich darin: Der Krieg in Gaza wird so nicht beendet.

"La Vanguardia", Spanien: "Israel und Russland haben – jeder auf seine Weise – endgültig alle Brücken gesprengt, die zu einem Waffenstillstand oder einem Friedensabkommen in Gaza und in der Ukraine führen könnten. Donald Trump mag weiter darauf hoffen, den Friedensnobelpreis zu erhalten. Doch die Realität ist, dass beide Konflikte heute sehr viel weiter von einer friedlichen Lösung entfernt sind als zu dem Zeitpunkt, als der republikanische US-Präsident ins Weiße Haus einzog."

"Echo24", Tschechien: "Die Chefs der Terrororganisation Hamas dachten lange, dass sie unberührbar seien. Während sie die verschiedensten Angriffe einschließlich des Massakers vom 7. Oktober anordneten, genossen sie selbst ein Leben im Reichtum. Sie mussten sich nicht einmal verstecken. Alle wussten ja, wo sie sich in Doha aufhielten. Weil Katar einen großen amerikanischen Militärstützpunkt beheimatet, herrschte die Überzeugung vor, dass die Amerikaner keinem Angriff innerhalb des Emirats zustimmen würden, um die gegenseitigen Beziehungen nicht zu gefährden. (...) Doch (US-Präsident Donald) Trump ist offensichtlich die Geduld ausgegangen."

"The Telegraph", Großbritannien: "Die Aussicht auf ein Friedensabkommen zur Beendigung des Gaza-Konflikts scheint nach dem israelischen Angriff auf hochrangige Hamas-Führer, die sich in der katarischen Hauptstadt Doha trafen, weiter denn je entfernt. (...)

Israel ist nie von der Einschätzung abgewichen, dass seine Sicherheit nur gewährleistet ist, nachdem die Hamas vollständig vernichtet wurde. Und diese Ansicht ist möglicherweise nicht falsch. Das Pogrom vom 7. Oktober war nur der jüngste und abscheulichste Angriff von Terroristen auf israelische Zivilisten. Der Anschlag an einer Bushaltestelle in Jerusalem Anfang dieser Woche zeigt, dass die Hamas nicht die Absicht hat, ihren Kurs zu ändern. Ein dauerhafter Frieden im Nahen Osten liegt im Interesse aller. Er ist jedoch nicht möglich, solange die Hamas weiter die Zerstörung Israels anstrebt und Zivilisten ermordet."

"Neue Zürcher Zeitung", Schweiz: "Es steht außer Frage, dass die Anführer der Hamas im katarischen Exil ein legitimes Ziel sind. Sie tragen ebenso Verantwortung für das Massaker in Israel am 7. Oktober 2023 wie für die katastrophale Lage der Palästinenser im kriegsversehrten Gazastreifen. In ihrem Wahn stellten sie in den Verhandlungen absurde Bedingungen und trugen maßgeblich dazu bei, dass dieser verheerende Krieg noch kein Ende gefunden hat. Palästinensische Menschenleben spielen für sie keine Rolle. (…)

Netanjahu predigt seit Kriegsbeginn, die Hamas müsse als militärische und politische Organisation vernichtet werden. Vor diesem Hintergrund hat der Angriff eine gewisse Logik – doch er wird den Krieg nicht beenden. Die Hamas wird nun umso weniger bereit sein, ihre Waffen niederzulegen oder die israelischen Geiseln freizulassen. (…)"

"La Stampa", Italien: "Mit dem größten US-Stützpunkt im Nahen Osten (...) saß Katar (...) ruhig und gelassen in einem Turm aus Elfenbein und Stahl inmitten des Golfs, während Raketen über das Land hinwegflogen, ohne es jedoch jemals zu treffen. (...) Gestern wurde Doha nun aber selbst von den Israelis angegriffen, und zwar nicht zum Schein.

Hinter der expliziten Botschaft verbirgt sich jedoch eine tiefere Bedeutung. Das Ende der Immunität bedeutet das Ende der Zweideutigkeit. (...) Mit der unerschütterlichen Unterstützung der Trump-Regierung kann "König Bibi" (Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu) nun das tun, was er früher nicht tun konnte. Weitere Teile von Gebieten annektieren, die Sicherheitszonen im Libanon und in Syrien ausweiten, eine faktische Verschiebung der Grenzen, seine Feinde unter dem sehr dehnbaren Begriff des Terrorismus "überall auf der Welt" bekämpfen. Entweder hier oder dort, scheint die Botschaft zu lauten."

"Wall Street Journal", USA: "Ein groteskes Video vom 7. Oktober 2023 wurde nicht in Israel, sondern in Katar aufgenommen. Die obersten Führer der Hamas filmten sich selbst dabei, wie sie in ihrem Büro in Doha das Massaker feierten und Gott dankten. Am Dienstag bombardierte Israel viele dieser obersten Hamas-Führer, als sie sich zu einem weiteren Treffen in Doha versammelten.

Viele werden versuchen, zwischen den "politischen" und "militärischen" Führern der Hamas zu unterscheiden, aber beide sind Terroristen. Dass sie in Anzügen aus Luxushotels operieren, ändert nichts an der moralischen Bewertung. (...) Der Angriff allein wird wahrscheinlich nicht zur Kapitulation der Hamas führen, aber er unterstreicht, dass Israel nicht die Absicht hat, die Hamas bestehen zu lassen. Wie nach dem Massaker bei den Olympischen Spielen 1972 in München wird es alle Täter des 7. Oktobers zur Strecke bringen."

"Der Angriff in Doha scheint nicht nur diese Verhandlungen zu beenden, sondern hat auch Katar empört"

"Sydney Morning Herald", Australien: "Israel hat bei seiner Kampagne zur Vernichtung der Hamas mehrmals sein Glück auf die Probe gestellt. Dieses Mal könnte es zu weit gegangen sein. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu startete einen schamlosen Angriff auf dem souveränen Territorium eines wichtigen US-Verbündeten: Katar – jenes Land, das seit 2012 mit breiter Zustimmung aller Beteiligten die politische Führung der Hamas beherbergt und einen Ort für Friedensgespräche geboten hat. 

Solche Verhandlungen sind derzeit von entscheidender Bedeutung: 48 Geiseln werden seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 noch immer festgehalten – einige lebend, andere tot. Und Israel scheint eine Bodenoffensive gegen die Stadt Gaza vorzubereiten. Doch Netanjahus Angriffe richteten sich gezielt gegen jene Personen, mit denen er eigentlich verhandeln soll. (...) Der Angriff in Doha scheint nicht nur diese Verhandlungen zu beenden, sondern hat auch Katar empört, das nun erwägt, sich vollständig aus dem Friedensprozess zurückzuziehen."

"De Telegraaf", Niederlande: "Israel hatte die Hamas-Führung in Katar schon seit fast zwei Jahren im Visier. Am Dienstag entschied es sich, den Abzug zu betätigen – wohl wissend, dass damit eine diplomatische Lösung für Gaza in weite Ferne gerückt ist. (...) Die Angehörigen der Geiseln befürchten nun zum wiederholten Mal, dass das Todesurteil für ihre Lieben gefällt ist. Fast alle Geiseln, die lebend aus dem Gazastreifen zurückkehrten, taten dies nach einer Vereinbarung. Nur acht wurden von der Armee befreit, die inzwischen befürchtet, dass die Hamas in den letzten Wochen Geiseln nach Gaza-Stadt gebracht hat, um sie dort als menschliche Schutzschilde zu benutzen."

DPA
tis