WM-Vorbereitung Charakterrasen mit Winterdepression

Spielt der Fußballer schlecht, liegt es am Rasen, zumindest manchmal. Um Beschwerden über die Spielfläche bei der WM vorzubeugen, hat das Organisationskomitee jetzt ein Rasenkompetenzteam engagiert.

Nach Trainerfindungskommission, Task Force und Doppelspitze baut Fußball-Deutschland für die Weltmeisterschaft im eigenen Land auf ein weiteres Gremium mit klangvollem Namen: Damit von Seiten der Weltstars keine Klagen über versprungene Bälle oder verstauchte Knöchel kommen, soll das Rasenkompetenzteam für höchste Qualität der Spielflächen in den Stadien sorgen. "Der Rasen im Stadion ist wie die Bühne im Theater", sagt Landschaftsarchitekt Engelbert Lehmacher, der gemeinsam mit seinem Berufskollegen Rainer Ernst seit dem Herbst 2004 das ungewöhnliche Team bildet.

Für das Schauspiel Weltmeisterschaft ist den beiden nur das Beste gut genug. "Wir wollen einen Charakterrasen", sagt Lehmacher. "Keinen filigranen Zierrasen, sondern ein festes, dichtes und kurz geschnittenes Gras." Die botanische Formel für das WM-Grün steht bereits fest: 75 Prozent Wiesenrispe (Poa pratensis) und 25 Prozent Weidelgras (Lolium perenne) lautet die Mischung, die Lehmacher und Ernst gemeinsam mit der Deutschen Rasengesellschaft (DRG) und dem Bundessortenamt ausgeklügelt haben.

Wiesenrispe sorgt für Dominanz

Für den gewünschten Charakter soll die Dominanz der Wiesenrispe sorgen. Weil sie eher in die Horizontale wächst, bleibt die Rasendecke niedrig. "Dann ist der Widerstand gering, und der Ball kann gut laufen", sagt Lehmacher. Der Nachteil: In den Wintermonaten bekommt die Wiesenrispe eine "Wachstumsdepression". Die soll durch das aggressivere Weidelgras kompensiert werden - besonders in engen Arenen wie Hamburg, Dortmund oder Leipzig, wo der Rasen wenig Licht und Sauerstoff bekommt. "Wir orientieren uns an den Problemstadien", sagt Lehmacher, der auch dort für Nachhaltigkeit sorgen will.

"Einen solchen Rasen hat es in dieser Präzision noch nicht gegeben", schwärmt Lehmacher schon jetzt. Und der Fachmann muss es wissen: In acht der zwölf Stadien für 2006 waren Lehmacher und Ernst schon vor dem Unternehmen WM beratend oder planerisch tätig. Auf Grund dieser Referenzen wurde das Duo vom WM-Organisationskomitee (OK) mit der verantwortungsvollen Aufgabe betraut. "Der Begriff ’Rasenpäpste’ ist vielleicht zu hoch gegriffen, aber die beiden sind richtig fit auf ihrem Gebiet", versichert Philipp Herpel, der im OK für die technische Koordination in den Stadien zuständig ist.

Die Aussaat steht vor der Tür

Insgesamt 37 Plätze sollen für die WM in gleicher Qualität bereitgehalten werden. Neben den zwölf Stadien, die vollständig neue Plätze erhalten, sind das die 24 Trainingsplätze an den Spielorten sowie das Schiedsrichter-Quartier in Neu-Isenburg. Das Kompetenzteam wacht über Saatflächen, Saatgut, Ernte und das anschließende Verlegen der Rasen-Rollen. Der Zeitplan bis zum Eröffnungsspiel am 9. Juni ist eng. Noch im März soll bei entsprechender Witterung mit der Aussaat begonnen werden, erst unmittelbar nach Abschluss der kommenden Bundesliga-Saison im Mai 2006 wird der Rasen in die Stadien gebracht.

Der Rasen bleibt grün

Wo das kostbare Grün angelegt wird, will Herpel nicht verraten. 10 000 Quadratmeter werden für einen Platz benötigt. Zudem sind Reserven in der Hinterhand. "Für jeden Platz wird praktisch ein zweiter vorgehalten", sagt Lehmacher. Tatsächlich rechnet das OK sogar mit noch größeren Kapazitäten bei den Anbietern. "Es zeichnet sich schon jetzt eine große Nachfrage von anderen Interessenten nach dem ’Original-WM-Rasen’ ab", berichtet Herpel.

Wenn der Rasen erstmal in den WM-Stadien liegt, wacht der Weltverband FIFA über das endgültige Erscheinungsbild. Schnittmuster und die exakte Schnitthöhe werden erst kurz vor Turnierbeginn einheitlich festgelegt. Große Überraschungen werden dabei allerdings genauso wenig erwartet wie bei der Farbe. "Der Rasen an sich bleibt weiterhin grün", lautet die beruhigende Nachricht der Organisatoren.

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Christian Kamp/DPA

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