Es schien, als wäre Kamila Walijewa gerade noch mit einem blauen Auge davongekommen. Trotz ihres positiven Dopingtests hatte der Internationale Sportgerichtshof Cas der 15-jährigen russischen Eiskunstläuferin den Start im Einzel-Wettbewerb ermöglicht. Unter immensem Druck stehend legte Walijewa am Dienstag ein erfolgreiches Kurzprogramm hin und steuert nun weiter Richtung Gold.
Doch nur wenige Stunden nach ihrem glanzvollen Auftritt im Capital Indoor Stadium von Peking berichtet die "New York Times", dass in der Dopingprobe des Eiskunstwunderkindes gleich drei unterschiedliche Substanzen zur Behandlung von Herzproblemen entdeckt worden seien. Neben der bereits bekannten verbotenen Substanz Trimetazidin habe sie laut dem Dokument, das dem Cas vorgelegt worden sei, zudem Hypoxen und L-Carnitin im Körper gehabt. Zwar stehen diese Mittel nicht auf der Verbotsliste, doch sie könnten Walijewa und ihr Umfeld weiter in Bedrängnis bringen.
Walijewas Anwälte begründen positiven Dopingtest mit "Opas Medizin"
Dem Schweizer IOC-Mitglied Denis Oswald zufolge hatten die Anwälte der jungen Eiskunstläuferin in der Anhörung angegeben, dass Trimetazidin versehentlich durch eine Kontamination mit einem Medikament ihres Großvaters in ihren Körper gelangt sei. Laut der "NY Times" habe Walijewas Mutter bereits in der Anhörung durch die russische Anti-Doping-Behörde RUSADA ausgesagt, ihre Tochter habe das Medikament Hypoxen wegen ihrer Herzrhythmusstörungen erhalten.
Das dritte Mittel L-Carnitin wird hingegen vor allem nach Infarkten verabreicht und soll die Herzmuskelfunktion stärken. Früher wurde angenommen, dass von außen zugeführtes L-Carnitin einen positiven Effekt auf die Fettverbrennung habe. Dies gilt mittlerweile als widerlegt, was jedoch nicht für eine mögliche Steigerung des Leistungsvermögens gelte. Die Kombination der drei Substanzen scheine "darauf abzuzielen, die Ausdauer zu erhöhen, Ermüdung zu reduzieren und eine effizientere Nutzung von Sauerstoff zu fördern", sagte Travis Tygart, Chef der US-Anti-Doping-Agentur USADA, der "NY Times".
Olympia 2022: IOC schweigt zu neuen Vorwürfen
Noch ist vieles unklar, zum Beispiel die Frage, wie Walijewa die Substanzen verabreicht wurden. Auch die zuständigen Parteien schweigen bisher zu den Vorwürfen. Weder die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) noch das Internationale Olympische Komitee (IOC) wollte dem Medienbericht zufolge den neuen Fakt kommentieren. IOC- Sprecher Mark Adams betonte am Mittwochmorgen, keinerlei Kommentar mehr zum Fall Walijewa abzugeben, solange die B-Probe noch nicht geöffnet sei.
Quellen: "New York Times", mit DPA-Material