Michael Sam hat die Statur eines Baumstammes. Bei einer Körpergröße von etwa 1,88 Meter wiegt der 24-Jährige etwa 120 Kilogramm. Als Defensivspieler im American Football sind diese Maße ideal, um seine Gegner auszuschalten. Bisher spielte Sam in einer der Amateur-College-Ligen des Landes, wurde von seinen Teamkamerade zum wertvollsten Spieler im Bundesstaat Missouri gewählt und wurde zum Abwehrspieler des Jahres in der südwestlichen Liga ernannt. Sein Name war bislang eine sichere Bank für den Draft im Mai - eine Veranstaltung, bei der die Mannschaften des Landes um die besten College-Spieler buhlen. Jetzt betritt Sam völlig neues Terrain: In der "New York Times" macht er seine Homosexualität öffentlicht und könnte so zum ersten aktiven schwulen Spieler der NFL werden.
"Ich wollte sicher gehen, dass ich meine Geschichte so erzählen kann, wie ich es möchte", sagt Sam über die Gründe für sein Coming-Out. Anscheinend seien Gerüchte im Umlauf gewesen, denen er zuvor kommen wollte. Seinem Team habe er sich schon im August offenbart und viel Zustimmung erfahren. "Ich habe in ihre Augen geschaut und sie haben mit den Köpfen genickt - nach dem Motto: 'Endlich hat er es gesagt'".
Zeit, Farbe zu bekennen
In den vergangenen Monaten haben immer wieder Spieler aus Mannschaftssportarten ihre Homosexualität öffentlich gemacht. Vor etwa einem Monat sorgte Thomas Hitzlsperger als erster deutscher Ex-Fußballnationalspieler mit einem Interview in der "Zeit" für Aufsehen. Auch in den USA gab es spektakuläre Coming-Outs, wie etwa von dem Basketballer John Amaechi oder dem Fußballer Robbie Rogers. Ihnen allen ist etwas gemein: Sie beendeten erst ihren Sportlerkarrieren und sprachen dann über das Private. Der öffentliche Zuspruch aus Gesellschaft und von Kollegen war jedes Mal enorm. Allerdings mussten die früheren Wegbegleiter nie beweisen, dass sie kein Problem mit einem schwulen Teamkameraden haben. Die aktiven Zeiten waren vorbei.
Die "New York Times" sieht nun eine Situation, in der die NFL Farbe bekennen muss. Werden sich die Teams um einen Spieler reißen, der als eines der aussichtsreichsten Talente für die kommenden Jahre gilt? Jetzt wo jeder weiß, dass Sam schwul ist. Die Haltung der Zeitung dazu ist kritisch, zu viele negative Kommentare habe es von aktiven Spielern in letzter Zeit gegeben. Zu oft hätten Profis versteckt lebenden Sportlern davon abgeraten, an die Öffentlichkeit zu gehen. Auch in vielen anderen US-Medien wird diese Frage kontrovers diskutiert. "Ich bin nicht naiv", sagt Sam. "Mir ist klar, dass dies eine große Sache ist. Aber jetzt ist es meine Aufgabe, für die Liga zu trainieren und in der NFL zu spielen."