Jeder Tennis-Freund weiß noch, wo er am 6. Juli 2008 war. Damals standen sich Roger Federer und Rafael Nadal im Wimbledon-Finale gegenüber und lieferten sich über fünf Sätze einen faszinierenden Kampf, der heute einhellig als "größtes Match aller Zeiten" bezeichnet wird. Die knapp halbstündige Zusammenfassung des Spiels ist wohl der am meisten geklickte Tennis-Clip im Netz.
In der Geschichte des Tennis gab es viele große Zweikämpfe: Borg gegen McEnroe, Sampras gegen Agassi, Becker gegen Edberg - die großen Spieler trieben sich im direkten Aufeinandertreffen immer wieder gegenseitig zu ihren besten Leistungen. Aber keine Rivalität hat Fans und Experten so nachhaltig in ihren Bann gezogen wie jene zwischen dem Maestro aus der Schweiz und dem Matador aus Manacor. Hier ist ausnahmsweise kein Superlativ zu groß: Es handelt sich um eines der großen Duelle der Sportgeschichte.
Australian Open: Epochaler Kampf der Spielkulturen
Das hat mehrere Gründe: Weil Federer und Nadal ihre Sportart über Jahre so einsam dominierten, trafen sie ständig in Endspielen aufeinander. Was theoretisch nach Langeweile klingt, wurde praktisch jedes Mal aufs Neue zum epochalen Kampf der Spielkulturen: Der elegante, immer federleicht wirkende Stil des Schweizers, den der große Schriftsteller David Foster Wallace einst in einem preisenden Essay perfekt beschrieb, gegen die einmalige Power und Kampfkraft des Spaniers, die in der Tennis-Historie ihresgleichen sucht.
Am Sonntag treffen sie nun zum 35. Mal in ihrer Karriere aufeinander - elf Matches davon fanden bei Grand-Slam-Turnieren statt, das letzte liegt bereits drei Jahre zurück. Nadal, den Federer mehrfach als größten Gegner seiner Karriere bezeichnete, konnte 23 Partien für sich entscheiden. Zusammengenommen waren sie beide 443 Wochen beziehungsweise über achteinhalb Jahre die Nummer eins der Weltrangliste.
Trotzdem wird am Sonntag nicht nur ein Hauch von Nostalgie durch die Rod Laver Arena wehen, denn beide Kontrahenten setzen mit diesem Finale ein Ausrufezeichen hinter ihre nicht mehr für möglich gehaltenen Comebacks nach einem beiderseits verletzungsreichen Jahr 2016.
Vielleicht wird es wieder so legendär wie im Finale der Australian Open 2009, als Nadal in einem hochdramatischen Fünf-Satz-Krimi gegen Federer gewann. Bei der anschließenden Siegerehrung brach der sonst so beherrschte Schweizer in Tränen aus, Nadal musste ihn trösten - nicht umsonst zählen beide nicht nur zu den größten Sportlern, sondern auch zu den größten Sportsmännern ihrer Generation.
Die Erwartungen in der Tennis-Welt könnten nicht höher sein. Der frühere Weltklassespieler Andy Roddick formuliert es deutlich: "Es könnte das bedeutendste Match aller Zeiten werden." Dass der US-Amerikaner damit nicht übertreibt, zeigt ein Blick in die Geschichtsbücher. Federer führt die ewige Grand-Slam-Rangliste mit 17 Major-Titeln an, Nadal folgt ihm mit 14. "Wenn Nadal das Finale gewinnen sollte, käme er auf 15:17 heran", rechnet Roddick vor, "und dann kommen die French Open (wo Nadal bereits neun Titel holen konnte - Anm. d. Red.) Wenn Federer gewinnt, könnte er dagegen auf 18:14 davonziehen, und ich weiss nicht, ob Nadal dann genug Zeit bleibt, nochmals heranzukommen."
Es könnte ihr letztes großes Finale sein
Aber Zahlen können die atemberaubende Rivalität nur unzureichend beschreiben. Es ist diese einzigartige Magie, die entsteht, wenn sich die beiden Meister auf dem Platz gegenüberstehen. Sie wird auch im Finale der Australian Open 2017 noch einmal zu bewundern sein, als wäre es immer noch 2009. Oder 2005. Sie werden sich noch einmal duellieren wie Feuer und Wasser, als wäre es das letzte Mal. Mit dem Unterschied, dass es nun wirklich das letzte Mal sein könnte. Ein Gedanke, der die Tränen der Verzückung bei den Fans schnell in nostalgische Abschiedstränen verwandeln könnte.
Umso wichtiger, dieses eine große Finale noch einmal in vollen Zügen zu genießen.