Biathlet Michael Rösch "Schweine aus dem Verkehr ziehen"

Pünktlich zum Beginn der Biathlon-WM im südkoreanischen Pyeongchang steht die Szene wegen neuer Dopingfälle unter Druck. Das nervt den deutschen Skijäger Michael Rösch - der auch nicht allen Sportfreunden traut.

Herr Rösch, wie haben Sie von den neuen Dopingmeldungen erfahren?

Im Trainingslager in Südtirol habe ich es im Videotext gelesen, und Bundestrainer Frank Ullrich hatte uns schon vorgewarnt, dass es ein paar Gerüchte gibt. Dann haben wir es gelesen - und waren natürlich erschüttert.

Was war Ihr erster Gedanke?

Scheiße.

Waren Sie überrascht?

Na ja, die IBU (Biathlon-Weltverband, d. Red.) ist ja im Vorfeld einen konsequenten Weg gegangen, gewisse Nationen häufiger zu kontrollieren. Aber so blöd das klingt: Es ist gut, dass jetzt etwas gefunden wurde, um die Schweine aus dem Verkehr zu ziehen.

Es scheint sich um ein völlig neues Dopingmittel zu handeln.

Es gibt ja den Fall, wo eine 18-jährige Langläuferin einen Hustensaft nahm, der für Kinder bestimmt war. Und da war ein Mittel drin, das auf der Dopingliste steht. Das war einfach Dummheit. Ein Mittel wie Epo aber...

... das die Erythrozytenzahl im Blut erhöht, wodurch der Sauerstofftransport beschleunigt werden kann...

... ist ja nicht einfach irgendwo drin, sondern wird vorsätzlich verabreicht. Mit dem Wissen und Wollen, besser zu werden. Das ist der große Unterschied. Die Handlung an sich - und da geht es um alle verbotenen Mittel - ist halt eine richtig große Sauerei.

Es war nicht der erste große Schlag für Ihre Disziplin.

Turin 2006 - mit dem Dopingfall der Russin Olga Pylewa, die nach zweijähriger Sperre als verheiratete Frau Medwedzewa wieder im Biathlon-Weltcup dabei ist - war das letzte Große, woran wir uns erinnern können.

Die Finnin Kaisa Varis wurde als Wiederholungstäterin im vergangenen Jahr lebenslang gesperrt.

Richtig. Es sind doch immer wieder dieselben Nationen. Die Finnin war ja vorher schon bei den Langläufern überführt worden. Ich war aber echt überrascht, als sich der Russe Maxim Tschudow öffentlich über eine Dopingkontrolle aufregte, nur weil die abends um elf stattfand. Er empfand es als Witz, so spät kontrolliert zu werden. Ich bin froh, wenn sie kommen - meinetwegen nachts um vier. Und abends um elf, das ist eine humane Zeit. Wenn du nichts zu verbergen hast, gibt es null Grund, sich da zu echauffieren.

Lösen allein die Russen bei Ihnen ein ungutes Gefühl aus - oder auch andere Nationen?

Allgemein weiß niemand, wie die nationalen Dopingagenturen in Osteuropa so zu Werke gehen. Ob da alles mit rechten Dingen zugeht, ob die Biathleten dort häufig kontrolliert werden - da läuft schon bei mir immer ein Zweifel mit.

Sie haben die Olympischen Spiele 2006 in Turin angesprochen. Seitdem haben auch die Österreicher, die in diesem Winter fast durch die Bank erstaunlich gute Leistungen zeigen, ihre Dopingvorgeschichte.

Ich war damals ein Jahr in der Mannschaft, und alle haben schon gesagt, dass die beiden Betroffenen, Wolfgang Rottmann und Wolfgang Perner, immer ihre eigenen Wege gegangen sind. Dass die zwei dann aufgeflogen sind, war weniger überraschend. Von den jetzigen österreichischen Biathleten würde ich keinem etwas unterstellen. Aber das ist halt das Problem: Macht es einer, wird gleich eine ganze Mannschaft, eine ganze Sportart mitverdächtigt. Das ist schade.

Uschi Disl forderte im Fall Pylewa in Turin sofort eine lebenslängliche Sperre. Sehen Sie das auch so?

So schwierig das in der Praxis auch ist: Man muss da Abstufungen finden. Wenn aber jemand vorsätzlich Epo oder ähnliche Mittel nimmt oder Blutdoping betreibt, dann müssten die Strafen schon - wenn auch nicht unbedingt auf lebenslang - konsequenter erhöht werden. Da trainierst du zwei Jahre weiter und darfst dann wieder im Wettkampf mitlaufen. Wie im Fall Medwedzewa: Die ist jetzt wieder im Weltcup dabei - und das zu erleben ist für die anderen schon hart.

Was fällt Ihnen zum WM-Austragungsort Pyeongchang ein?

Man muss es erst einmal schreiben und aussprechen können. Es ist schon ungewohnt, dass dort Biathlon ausgetragen wird - vor allem eine WM. Da drüben haben sie uns letztes Jahr beim Weltcup erst einmal gefragt, ob wir auf Menschen schießen - oder was Biathlon überhaupt ist. Keiner wusste, was wir da treiben. Aber dann haben die sich schon richtig viel Mühe gegeben. Es waren halt ein bisschen wenig Zuschauer da. Aber, mein Gott: Für uns Deutsche ist das mal ganz gut, ein bisschen Ruhe zu haben.

Was steckt hinter dieser WM-Vergabe ins Niemandsland der Skijägerei - Expansionsgelüste?

Der Weltverband IBU wird schon einen großen Teil dazu beigetragen haben, dass die Veranstaltung mal da rüberkommt. Einfach, um Biathlon in Südkorea populärer zu machen. Obwohl da ungefähr 0,2 Prozent Biathlon praktizieren - und die sind auch noch schlecht.

Und das finden Sie in Ordnung?

Wenn das jetzt jedes Jahr dort wäre - na ja. Aber die meisten Weltmeisterschaften werden zum Glück schon dort ausgetragen, wo unser Sport auch richtig angesehen ist. Wenn's dann ab und zu woanders ist - darüber kann man schon einmal hinwegsehen.

Wie haben Sie die Streckenführung in Erinnerung?

Die war richtig schwer. Sie wurde ja quasi aus dem Nichts gestampft. Da sind richtig krasse Anstiege drin, steile Abfahrten. Aber so etwas liegt mir eher als so schleimige Anstiege wie in Antholz. Von daher freue ich mich schon auf diese WM.Michael Rösch, 25, ist vierfacher Juniorenweltmeister und gewann 2006 mit der deutschen Staffel olympisches Gold. Bei den letzten beiden Weltmeisterschaften errang er zweimal Staffel-Bronze.

FTD
Interview: Andreas Morbach

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