Lecker waren sie, die Tonnen an Nussecken und Vanillekipferl, doch nun klammern sie sich wohlig als Extrapfunde an Bauch und Hüfte. Zum Jahresbeginn soll der Weihnachtsspeck wieder weg, die Ernährung, so ein traditioneller Neujahrsvorsatz, besser und gesünder werden. Aber wie? Die einen empfehlen das Intervallfasten, andere setzen auf möglichst viele, andere auch möglichst wenige Kohlenhydrate. Auch die Autoren des 19. Jahrhunderts hatten ganz eigene Vorstellungen davon, welche Ernährungsform dem Körper wohl tut. Die Diät-Experimente des viktorianischen Zeitalters laden allerdings nicht unbedingt zum Nachmachen ein.
Bekannt ist der Naturforscher Charles Darwin für seine Evolutionstheorie. Das der Wissenschaftler Probleme mit dem Magen hatte, ist ein heute eher vernachlässigbarer Fakt seiner Biografie. Als Student noch gehörte Darwin zum berühmt-berüchtigten "Glutton Club". Besonderes Merkmal: Auf den Tellern landeten möglichst außergewöhnliche Tiere. Eine Vorliebe, der Darwin auch auf seinen Forschungsreisen frönte.
Später allerdings konnte der Forscher nicht mehr alles essen, was ihm vorgesetzt wurde. Er musste sich häufig erbrechen. Die Ärzte empfahlen Darwin daher Lebensmittel, die schonend wirken sollten. Aber der Naturwissenschaftler glaubte nicht an die Heilkraft von Toast und Kartoffeln und entwickelte ein ganz eigene Ernährungstheorie. Tag um Tag gab er sich mit Käse-Omelette und einer kleinen Ration Fleisch vom Wild oder Geflügel zufrieden. Die Jahre der kulinarischen Exzentrik waren damit endgültig gegessen.
Lord Byrons Promi-Diät
Während Darwins Essgewohnheiten eher ein individuelles Vergnügen blieben, inspirierte Lord Byron mit seiner extremen Diät viele Zeitgenossen. Byron, der selbst unter massiven Gewichtsschwankungen gelitten haben soll, bekämpfte die überschüssigen Pfunde mit durchaus drastischen Mitteln. So soll er sich als Student von nichts weiter als Keksen und Wasser sowie gekochten Kartoffeln und Essig ernährt haben. Der Essig, so die Überzeugung Byrons, zügele das Hungergefühl und rege die Verdauung an.
Aber Byron quälte sich nicht nur mit der stark minimierten Speiseauswahl zu seinem Traumgewicht. Auch das Schwitzen gehörte zu seiner Diät. Musste er nicht in die Öffentlichkeit, soll er sich in Schichten von Wolle gewickelt haben. Rund 30 Kilogramm soll der Brite mit dieser Strategie binnen fünf Jahren verloren haben.
Sardellen und Bratäpfel
Auf Minimalismus setzte auch John Keats. Mit Mitte 20 kämpfte der Dichter gegen eine Erschöpfung, die heute wohl als "Burn out" diagnostiziert werden würde. Dazu kamen Magenschmerzen und Tuberkulose. Wieder zu Kräften kommen sollte Keats, so der Plan des Arztes, durch eine spezielle Fastenkur. Die tägliche Essensration des Dichters belief sich zeitweise auf nur eine Sardelle und einem Stückchen Brot - in Kombination mit dem damals üblichen Aderlass. Keats erholte sich nicht, er starb mit 26.
Der Tipp "An apple a day, keeps the doctor away" ist weitreichend bekannt. Auch Charles Dickens, Autor von Oliver Twist, glaubte an die positiven Effekte des Obstes. Allerdings war es nicht der Rohzustand, auf den der Brite setzte, sondern die gebackene Version. Dickens soll regelrecht besessen von Bratäpfeln gewesen sein. Wer auf Schiffsreisen täglich einen solchen Apfel aß, meinte Dickens, werde kein Problem mit der Seekrankheit haben. Und nicht nur das. Bratäpfel, meinte Dickens, lindern auch Gleichgewichtsprobleme beim Übergang von Wasser auf Land.
Opium-Snacks
Sardellen und Äpfel sind das eine, die Snacks, auf die der Schriftsteller Lewis Carroll allerdings setzte, sind aus heutiger Sicht besonders speziell. Der Kopf hinter "Alice im Wunderland" hatte wie viele Menschen im 19. Jahrhundert eine Vorliebe für Opium. Während die meisten Opium rauchten, ging Carroll dazu über, es in seinen Ernährungsplan einzubinden und in Form von Snacks zu sich zu nehmen.
Abgesehen von den radikalen und nicht immer gesunden Ernährungspraktiken der britischen Intellektuellen war das viktorianische Zeitalter aber auch Nährboden für die Idee der fleischlosen Ernährung. Der Dichter Percy Shelley gilt als einer der wichtigsten und ersten Vertreter des Vegetarismus in der Neuzeit. Als "Pythagorean", wie sich Vegetarier damals nannten, folgte er der Idee des griechischen Gelehrten Pythagoras, der schon vor etwa 2500 Jahren den Verzehr von Tieren verurteilte und davon ausging, dass was der Mensch dem Tier antue, auf den Menschen zurückkomme.
Heute ist bekannt, dass Shelleys Vegetarismus keine Entscheidung fürs Leben war. Der Vorzeige-Vegetarier griff später wieder zu Fleisch. Der Vegetarismus aber hat sich - im Gegensatz zu den Ernährungsgewohnheiten von Shelleys Kollegen - durch die Jahrhunderte gerettet.