Wladimir Kramnik Schwere Vorwürfe gegen Ex-Weltmeister nach Tod von Schachstar

Wladimir Kramnik
Wladimir Kramnik macht sich mit seinen Anschuldigungen in der Schachwelt unbeliebt
© BEAUTIFUL SPORTS/Meurer / Imago Images
Der Tod von Daniel Naroditsky erschüttert die Schachwelt. Nun gerät Ex-Weltmeister Wladimir Kramnik ins Visier der Fans und des Weltverbands. Hat er etwas damit zu tun?

Am 19. Oktober wurde Schach-Großmeister Daniel Naroditsky tot in seiner Wohnung in der US-amerikanischen Großstadt Charlotte aufgefunden. Sein Freund Oleksandr Bortnyk, selbst erfolgreicher Schachspieler, hatte mehrmals vergeblich versucht, ihn telefonisch zu erreichen, und ihn schließlich zu Hause aufgesucht. Als er dort eintraf, war Naroditsky tot. Er wurde 29 Jahre alt.

Als die Familie des Verstorbenen einen Tag später die Nachricht öffentlich machte, stand die Schachwelt still. Zur Todesursache ist weiterhin nichts Offizielles bekannt. Laut Medienberichten ermittelte die Polizei wegen eines möglichen Suizids oder einer Überdosis.

Rat und Hilfe

Sie haben suizidale Gedanken? Befinden Sie sich in einer psychischen Krise? Hilfe bietet die Telefonseelsorge. Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr unter (0800) 1110111 und (0800) 1110222 erreichbar. Auch eine Beratung über E-Mail oder Chat ist möglich. Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention. Bei unmittelbarer Suizidgefahr: Wählen Sie den Notruf 112, wenn Sie selbst oder jemand in Ihrem Umfeld akut gefährdet ist. In akuten Krisen steht auch der medizinische Notdienst unter 116 117 zur Verfügung

Auch wenn die genauen Umstände ungeklärt sind: Unstrittig ist, dass Naroditsky vor seinem Tod unter großem Druck stand. Der frühere Weltmeister Wladimir Kramnik hatte wiederholt Betrugsvorwürfe gegen ihn erhoben, die Naroditsky stets abgestritten hatte. Nach dem Tod des US-Amerikaners steht Kramnik in der Kritik. Der Weltverband Fide hat eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet und eine offizielle Beschwerde bei der Ethik- und Disziplinarkommission eingereicht.

Daniel Naroditsky litt unter den Betrugsvorwürfen

Nach dem Tod von Naroditsky veröffentlichte der Russe eine Erklärung, in der er betonte, er habe ihn "nie persönlich angegriffen oder beleidigt". Das sehen manche in der Schachwelt anders: Sie werfen Kramnik vor, eine regelrechte Kampagne gegen Naroditsky betrieben zu haben. Der einstige Weltklasse-Spieler deutete immer wieder an, Naroditsky würde bei Online-Partien betrügen. Er habe darin verdächtige Muster entdeckt. Beweise dafür blieb er allerdings schuldig. 

Naroditsky schienen diese Anschuldigungen schwer zu belasten. "Das ist ein anhaltender, bösartiger und völlig irrwitziger Versuch, mein Leben zu zerstören", sagte er in einem Podcast. In einem Stream auf Twitch zeigte sich der US-Amerikaner in einem besorgniserregenden Zustand, wirkte verwirrt und übernächtigt. Dabei sprach er auch über die Vorwürfe gegen ihn: "Seit dieser Sache mit Kramnik habe ich das Gefühl, dass, sobald ich gut spiele, die Leute mir die schlechtesten Absichten unterstellen." Freunde und Zuschauer versuchten, ihn zum Abbruch des Streams zu bewegen, Naroditsky aber blieb zweieinhalb Stunden lang auf Sendung – bis tief in die Nacht. Zwei Tage später war er tot.

Daniel Naroditsky
Daniel Naroditsky wurde 29 Jahre alt
© Kelly Centrelli/AP / DPA

Naroditsky war nicht nur in der Szene von internationalen Wettkämpfen bekannt, sondern hatte sich auch im Internet eine große Community aufgebaut. Seine Kanäle auf Youtube und Twitch, auf denen er seine Online-Partien übertrug und andere Partien kommentierte, hatten mehr als 800.000 Abonnenten. Aber es sind nicht nur diese Fans, die sich jetzt auf Wladimir Kramnik stürzen und ihm mal mehr, mal weniger deutlich unterstellen, einen Menschen in den Tod getrieben zu haben.

Wladimir Kramnik sieht sich als "Anwalt des Fair Play im Schach"

Kramnik wurde 2000 mit einem Sieg über den legendären Garri Kasparow zum ersten Mal Weltmeister und verteidigte diesen Titel bis 2007. Seit dem Ende seiner aktiven Laufbahn vor einigen Jahren widmet sich der 50-Jährige mit Feuereifer seiner Mission, Betrüger am (virtuellen) Brett zu entlarven. Sich selbst bezeichnet er als "Anwalt des Fair Play im Schach". "Schach ist ein großer Teil meines Lebens, und ich will nicht, dass es in die Hände komischer Leute fällt, die Schachtraditionen zerstören und nur Geld verdienen wollen", sagte Kramnik dem "Spiegel". Seine Kritiker jedoch glauben, dass er dabei regelmäßig Grenzen überschreitet.

So berichtete der tschechische Schachmeister David Navara, der ebenfalls auf einer von Kramniks Listen auftauchte, die Verdächtigungen hätten seine mentalen Probleme verstärkt und zu einer "realen Suizidgefahr" geführt. Die Nummer zwei der Welt, Hikaru Nakamura, verurteilte Kramniks Vorgehen ebenfalls scharf: "Er soll in der Hölle schmoren." Schach-Superstar Magnus Carlsen nannte das Verhalten des Russen "schrecklich".

Der Weltverband Fide sieht den Verdacht der Belästigung und Verletzung der Menschenwürde gegeben. Welche Konsequenzen die Ethik- und Disziplinarkommission gegen Wladimir Kramnik verhängen könnte, ist noch unklar. Denkbar wäre die Aberkennung des Großmeistertitels – dafür haben sich bereits Zehntausende in einer Petition ausgesprochen. Auch seine Weltmeistertitel könnte er rückwirkend verlieren. Kramnik sagt, die Vorwürfe würden "alle Grenzen menschlicher Moral überschreiten" und hat selbst rechtliche Schritte angekündigt.

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos