Was haben Cornflakes mit Sex zu tun? Eine ganze Menge. Denn erfunden wurden die knusprigen Cerealien nur aus einem einzigen Grund: um die Menschheit von ihrem triebhaften Verhalten zu befreien. In einer Zeit, in der Sex eine Sünde war und Masturbation als Krankheit gesehen wurde, schickte sich ein amerikanischer Mediziner an, die Welt zu heilen und tüfftelte an einem Anti-Viagra - Frühstückscerealien.
John Harvey Kellogg verabscheute Sex. Seine Stimme gehörte zu den lautesten im Anti-Sex-Feldzug der prüden Vereinigten Staaten des 19. und 20. Jahrhunderts. Der Arzt aus Michigan hielt Sex für schädlich, glaubte daran, dass dieser Körper und Geist schade. Kellogg war verheiratet, lebte aber abstinent. Seine Ehe soll er nie vollzogen haben. Er und seine Frau hatten getrennte Schlafzimmer, ihre Kinder adoptieren sie.
Masturbation als Verbrechen
Aber nicht nur der Gedanke an Sex mit seiner Frau widerte den Doktor an, auch Selbstbefriedigung war tabu. "Wenn der unerlaubte Verkehr der Geschlechter eine abscheuliche Sünde ist, dann ist die Selbstbefriedigung ein doppelt abscheuliches Verbrechen", schrieb Kellogg. Mehr noch: Masturbation, das war für ihn eine Krankheit. In "Plain Facts for Old and Young: Embracing the Natural History and Hygiene of Organic Life" listete er auf, welchen Schaden Masturbation seiner Meinung nach anrichten könne. Er kaum auf 39 Symptome, darunter fehlerhafte Entwicklung, Epilepsie, Akne, steife Gelenke und allgemeine Schwäche.
Kellogg wollte die Menschen von ihren Leiden befreien. Sein Ansatz: durch gesunde Ernährung die Libido im Zaum halten. Der Arzt war überzeugt davon, dass einige Lebensmittel das sexuelle Verlangen steigern, andere dieses zügeln. Aufbauend auf dieser Theorie erfand er in seiner Zeit als Arzt im Battle Creek Sanatorium in Michigan sodann verschiedene Ernährungsstrategien, die heilend wirken sollten.
Drastische Maßnahmen
Speisen mit vermeintlich aphrodisierender Wirkung wie Fleisch und scharfe Gerichte wurden vom Ernährungsplan verbannt und durch simple Lebensmittel ersetzt. Kellogg setzte vor allem auf die heilende Wirkung von Getreide und Nüssen und erfand "Granola". Dafür wurden Haferflocken und Maismehl zu Keksen gebacken und dann wieder in Stücke gemahlen. Aber damit nicht genug. Denn wer gesunden wollte, benötigte, war sich Kellogg sicher, einen gesunden Darm. Auch wenn dafür drastische Maßnahmen nötig waren.
Denn die zweite Erfindung, mit welcher der Arzt dem sexuellen Verlangen den Garaus machen wollte, hatte es in sich. Er baute eine Klistiermaschine, mit Hilfe derer der Darm gereinigt werden sollte. Mit dieser wurde der Darm zunächst mit Wasser gespült, danach wurde ein halber Liter Joghurt zugeführt. Die eine Hälfte oral, die andere anal. Die Maschine setzte sich in der Medizin nicht durch. Ging es darum, Menschen den Sexualtrieb abzutrainieren, kannte der Mediziner kaum Grenzen. Einige seiner Ideen sind nicht nur im Rückblick haarsträubend. Mädchen verätzte er mit Säure die Klitoris, Erektionen von Jungen wollte er mit einem Draht durch die Vorhaut vereiteln. Berühmt wurde der Name Kellogg aber dennoch - das hat der Mediziner vor allem seinem Bruder zu verdanken.

Die körperliche Reinheit war eine Lebensaufgabe von Kellogg, Frühstückscerealien sah er als ein Mittel dahin. Cornflakes gehörten dazu. Er entwickelte sie für Krankenhauspatienten. Aber er wollte sie auch massenhaft unters Volk bringen und holte sich für den Vertrieb den Bruder ins Boot. Der Buchhalter witterte das große Geschäft. Das Problem: Die Flocken schmeckten nicht. Ohne Zucker, war der sich sicher, bliebe der wirtschaftliche Erfolg aus. Er stellte den Geschmack in den Vordergrund, pfiff auf die vermeintliche medizinische Wirkung und klaute die Idee des Bruders - ein Verrat, der nie wieder zu kitten war.
Aus dem kleinen Unternehmen wurde später die Kellogg Company, die heute zu den weltweit größten Unternehmen für Getreideprodukte gehört. Die Frühstückcerealien setzten sich durch - allerdings nicht im Sinne des Erfinders. Denn die Flocken helfen zwar gegen den Hunger, Lustkiller aber sind sie nicht.
Quellen: Forbes, Mentalfloss