»Rocky« hat im vermeintlich letzten »Kampf« seiner Box-Karriere ausgerechnet vor Gericht den profitabelsten Triumph errungen und kehrt als Multi-Millionär in seine Zelle zurück. Im Rechtstreit zwischen dem ehemaligen Box-Weltmeister Graciano Rocchigiani und dem World Boxing Council (WBC) sind dem 38-jährigen Berliner von einem New Yorker Gericht am Freitag (Ortszeit) insgesamt rund 31 Millionen Dollar (über 30,3 Millionen Euro) Schadenersatz zugesprochen worden. Außerdem bekam er in allen Klagepunkten Recht.
Rocchigiani nahm das sensationelle Urteil mit großer Genugtuung auf. »Ich bin überrascht und froh, dass die WBC einen Denkzettel erhalten hat. Ich glaube, das ist für den kompletten Berufsboxsport eine gute Sache gewesen. Es wurde endlich mal gezeigt, dass man mit den Boxern nicht alles machen kann«, betonte der einstige Champion nach der Urteilsverkündung und vor seiner Rückkehr nach Deutschland. Rocchigiani verbüßt in der Justiz-Vollzugsanstalt Berlin-Tegel derzeit eine einjährige Haftstrafe wegen Fahrens ohne Führerschein und erhielt für die Verhandlung Hafturlaub mit der Auflage, unmittelbar nach der Urteilsverkündung zurückzukommen.
Urteil ging über Forderungen der Anwälte hinaus
Das Urteil ging sogar über die Forderungen von Rocchigianis Anwälten hinaus. Peter Schlam und Richard Dolan hatten als Schadensersatz 14 Millionen Mark sowie als zusätzliche Strafe für die WBC noch einmal 28 Millionen Mark verlangt. Nach insgesamt vier Stunden Beratung erhöhten die Geschworenen diese Graciano Rocchigiani zu zahlende Summe sogar auf 20 Millionen US-Dollar.
Außerdem wurden die 14 Millionen Mark im ersten Anklagepunkt ohne Abstriche akzeptiert. Zum damaligen Kurs wurde dieser Betrag in Dollar umgerechnet. Zu diesen fast 7,9 Millionen Dollar kommen schließlich noch neun Prozent Zinsen für drei Jahre hinzu, so dass sich der Gesamtbetrag auf fast 31 Millionen hochrechnet. »Die Boxwelt hat sich heute verändert. Herr Rocchigiani ist der erste Boxer, der jemals dem autokratischen Verhalten der WBC den Kampf angesagt hat. Es ist absolut klar, dass die WBC niemals wieder in der selben Art und Weise arbeiten kann«, konstatierte Anwalt Dolan überaus zufrieden.
Der WBC wird in die Berufung gehen. Bis dahin werden alle Ausgaben von mehr als 5000 Dollar von »Rockys« Seite genehmigt werden müssen. Der Verband behauptet allerdings, lediglich ein Vermögen von rund 264 000 Dollar zu besitzen. Mit dem Urteil werde der Geschäftsbetrieb praktisch lahm gelegt, befürchten die Anwälte. Selbst das Wort Konkurs machte die Runde.
Nach der Feier zurück in die Zelle
Sollte Rocchigiani die 31 Millionen Dollar tatsächlich kassieren, geht ein guter Teil des Geldes an seine Noch-Frau und Ex-Managerin Christine sowie geschätzt rund ein Viertel an die Anwälte. Dem strahlenden Sieger war das im Moment des Triumphs egal. Nach dem Urteil wurde er von seiner überglücklichen Freundin Eileen Kunert stürmisch empfangen. Bis Montag darf nun in New York gefeiert werden, dann geht es zurück in die Zelle.
Graciano Rocchigiani verklagte die WBC, nachdem ihm sein WM-Titel im Halbschwergewicht im Sommer 1998 zu Unrecht aberkannt worden war. Der seit Jahresbeginn inhaftierte Faustkämpfer boxte am 21. März 1998 um den vakanten WM-Gürtel im Halbschwergewicht, nachdem US-Superstar Roy Jones jr. zuvor seinen Titel-Verzicht erklärt hatte, weil er ins Schwergewicht wechseln wollte. Vom WBC wurde »Rocky« der gegen Michael Nunn (USA) gewonnene WM-Titel jedoch ohne plausible Begründung aberkannt und der in den USA weit besser zu vermarktende Jones jr. wieder zum Titelträger erkoren. In Folge der Querelen war der Berliner Rechtsausleger über 25 Monate nicht mehr in den Ring gestiegen.
Wolfgang Büttner