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Ina Menzers Box-Comeback Lehrstunde mit einem Federgewicht

Ina Menzer steigt wieder in den Ring. Am Freitag tritt die Box-Lady zu einem EM-Kampf an. Was ihre Gegnerin dort erwartet, hat stern.de vorab getestet.
Von Cord Sauer

Bis zum 3. Juli 2010 war sie Boxweltmeisterin im Federgewicht der Verbände WIBF, WBC und WBO. An jenem Tag verlor sie nicht nur ihren Kampf gegen die Kanadierin Jeannine Garside, sondern auch ihre drei Titel. Nun, nach mehr als zwei Jahren, ist sie wieder da und will zurück nach ganz oben - Ina Menzer. Bevor es am 12. Oktober in der Wandsbeker Sporthalle in Hamburg allerdings zum EM-Fight gegen Renata Domsodi aus Ungarn kommt, lud die zierliche Boxerin zum Probetraining ein. stern.de-Mitarbeiter Cord Sauer konnte dieses Angebot nicht ausschlagen und erlebte die wohl anstrengendsten zwei Stunden seines Lebens. Hier sein Erlebnisbericht vom Boxtraining mit einem Profi.

Sie hat gerufen und ich bin gekommen. Das starke gegen das schwache Geschlecht - eine einmalige Herausforderung. Wenige Wochen vor ihrem wichtigsten Kampf des Jahres stehe ich gegen die Hamburger Profi-Boxerin Ina Menzer im Ring. Boxen? Verfolge ich höchstens vor dem Fernseher. Meine bisherige Praxiserfahrung? Gleich null. Immerhin, der Wille war schon einmal da - ich habe mir vor Jahren einen Boxsack gekauft. Er liegt originalverpackt in der dunkelsten Ecke des Kellers.

Zur Lehrstunde meines Lebens hat mich Menzer in die Hamburger Kultkneipe Ritze bestellt. Oben verruchte Bar, unten Boxring. An den Wänden hängen Poster großer Kämpfer: Dariusz Michalczewski, Graciano Rocchigiani - Muhammad Ali sowieso. In meiner Nase sammelt sich der Geruch vom Schweiß der letzten Jahrzehnte. So riecht das also.

Auf der Suche nach Selbstschutz und Routine

Das Training beginnt. Wir wärmen uns auf und ich spüre Menzers innere Freude, mich leiden zu sehen. Nach einer Viertelstunde ist mein T-Shirt gut angenässt. Endlich geht es in den Ring. Ich bin heiß wie Frittenfett. Gleich gibt's auf die Mütze - denkste! "Erstmal machen wir jetzt eine kleine Theorie-Einheit", dämpft Menzer meine Erwartungen. Seitlich und schulterbreit stehen, dem Gegner so wenig Angriffsfläche wie möglich bieten. Die Ellenbogen liegen am Körper, schützen die Rippen. Die Fäuste halte ich dicht vor meinem Kiefer. "Selbstschutz ist das A und O im Boxen", erklärt Menzer. Das glaube ich ihr sofort.

Aufwärmtraining: erledigt. Theorie-Session: erledigt. Jetzt werden die Hände bandagiert und dann geht's in die Boxhandschuhe. Das Bandagieren dauert eine halbe Ewigkeit. Ums Handgelenk herum, dann um Daumen, Handgelenk, Zeigefinger und wieder ums Handgelenk. Ich komme schnell durcheinander. Verdammt nochmal, das kann doch nicht so schwer sein. Ich brauche fast 15 Minuten für beide Hände. "Normalerweise bin ich nach anderthalb Minuten damit durch, irgendwann hat man die Routine", sagt Menzer.

"Sind hier nicht auf dem Trödelmarkt"

Es folgt die erste Box-Kombination: links, rechts, links, rechts, Aufwärtshaken. Geil! Langsam wird ein Schuh draus. Das Hochhalten der Arme kostet mehr Kraft, als ich dachte. Trotzdem: Ich entwickle mehr und mehr Ehrgeiz. Dann geht es an die Boxsäcke. Ich power mich fast aus, behalte aber eine Portion Extrakraft für Ina Menzer in der Hinterhand. Der Boxsack dürfte schwerer sein als Federgewicht Menzer selbst. Kein Problem für mich, die Profisportlerin wegzuhauen.

Das Training ist anstrengend. Mittlerweile bin ich klitschnass. Ich versuche, während der Übungen Zeit zu schinden und verwickle mich in Gespräche mit den Kollegen am Boxsack nebenan. "Was ist denn hier los? Weitermachen!" Der Ton wird rauer. Menzer schaut ernst. Man könnte fast ein wenig Angst bekommen. Ich verpasse dem Boxsack meine rechte Gerade - und plaudere wieder. "Jetzt reicht's. Zehn Liegestütze, sofort! Wir sind hier doch nicht auf dem Trödelmarkt."

"Fünf, sechs, sieben, sieben, siebeneinhalb ...", beim lauten Mitzählen der zu absolvierenden Liegestütze offenbart Menzer eine eindeutige Zahlenschwäche. Ich bin erschöpft und verzweifelt. Wie soll ich jetzt bloß noch im echten Boxkampf bestehen?

Let's get ready to rumble!

Der Ernstfall lässt weiter auf sich warten, ich darf mich beim Schattenboxen austoben. Wir simulieren einen echten Kampf, üben Kombinationen und Ausweichbewegungen. Mittlerweile hänge ich in den sprichwörtlichen Seilen. Habe ich grade das Box-ABC hinter mir oder vielleicht doch in zwölf Runden meine Nehmerqualitäten gegen die Klitschko-Brüder bewiesen? "Sollen wir jetzt eine Runde fighten?", fragt Menzer schelmisch. "Klar", sage ich, "jetzt geht's doch erst richtig los."

Mundschutz rein, Kopfschutz auf. Nur der legendäre Ringsprecher Michael Buffer fehlt. Für mich heißt es jetzt trotzdem: "Let's get ready to ruuuumble!" Ring frei für Runde eins. Ich habe alles vergessen, was ich in den knapp zwei Stunden zuvor gelernt habe und versuche einfach nur, einen Treffer zu landen. Ein unmögliches Unterfangen. Ihre Deckung ist einfach zu gut. Sie drängt mich in die Ecken, dominiert das Geschehen und lässt mich keine Sonne sehen.

Dass ich letztendlich ohne ein blaues Auge davonkomme, hat mehr mit Menzers Gnade zu tun, als mit meinem Abwehrverhalten. In der darauffolgenden Nacht schlafe ich wie ein Baby. Der Muskelkater am nächsten Morgen ist kaum auszuhalten. Aber es hat sich gelohnt, ich fühle mich sportlich, anstriebsstark, ausgeglichen. Und ich bin gespannt wie es ausgeht, wenn Menzers Gegenüber nicht mehr Cord Sauer, sondern Renata Domsodi heißt. Bin mir fast sicher, dass die Ungarin noch viel mehr einstecken wird als ich. Und das freut mich irgendwie.

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