Kommentar Paris - Favorit ohne Chance

von Nils Schmidt
Bitterkeit und Wut in Frankreich: Nicht Paris, nein London darf die Olympischen Spiele 2012 ausrichten. Eine schwer nachvollziehbare Entscheidung des olympischen Komitees.

Vier Stimmen waren es am Ende. Vier unerwartete Stimmen, die ganz London in einen Freudentaumel stürzten. Vier fragwürdige Stimmen, die die Zuversicht auf dem Champs-Elysées hinwegfegten. Alle berechtigten Olympia-Hoffnungen der Franzosen sind nun zerstört. Das London-Votum der Delegierten des Internationalen Olympischen Komitees ist dabei objektiv nicht nachzuvollziehen.

Auch Chiracs Engagement für Paris half am Ende nichts

Unglaublich erscheint der Zuschlag für die Briten, weil Paris in dem IOC-Prüfbericht, der hochgelobten Richtschnur für die Entscheidung in Singapur, die mit Abstand besten Noten erhielt. Unglaublich deshalb, weil in Paris das Gros der geplanten Sportstätten - inklusive Olympiastadion - bereits existiert und damit kostensparende Spiele möglich gewesen wären.

Während der gesamten Bewerbungsphase hatte die Stadt an der Seine stets wie der sichere Sieger ausgesehen. So sicher, dass man sich in Singapur eine würdevolle, ja geradezu zurückhaltende Abschlusspräsentation leistete. Doch auch das Engagement von Jacques Chirac, der persönlich für Paris warb, half nichts. London hingegen stieg nach den Wahlgängen wie Phönix aus der Asche.

Dreimal sind die Franzosen innerhalb von 13 Jahren leer ausgegangen

Wie bei der Vergabe der Olympischen Spiele 2008 nach Peking oder 2000 nach Sydney hat das IOC auch diesmal den Olympia-Favoriten abgesägt und führt damit seinen eigenen Kommissionsbericht ad absurdum. Durch wenig bis gar nichts ist es rational zu erklären, dass die Delegierten in Singapur von der eindeutigen Pro-Paris-Linie des Berichts, dem eine umfangreiche Evaluation der Bewerber vorausging, abschwenkten. Ihnen selbst war der Besuch der Bewerberstädte schließlich vom IOC verboten worden.

Einige haben jetzt offensichtlich neben dem Nimbus der Unbestechlichkeit auch ihre Objektivität verloren. Man könnte sogar denn Eindruck gewinnen, dass sie der so hoffnungsvollen Bewerbung von Paris eins auswischen wollten. Innerhalb von 13 Jahren haben die Franzosen dreimal mit vollem Einsatz und besten Noten kandidiert, immer sind sie leer ausgegangen. 1992 hätten sie die Spiele gehabt, wäre Ex-IOC-Präsident Samaranch und seine Meinungsmache nicht gewesen, auch für 2008 lagen die Franzosen vorne - bis zum Tag der Entscheidung.

Höhere Zustimmung zu Paris

War es diesmal allein die lebhaftere, sportlichere Präsentation der Briten, die am Ende für Wende von Singapur sorgte? Waren wirklich "Fakten, Jugendlichkeit und Emotion" entscheidend, wie der deutsche IOC-Delegierte Bach den Ausgang kommentierte? Oder wollte das IOC nur einen sprachlichen Lapsus des französischen Staatspräsidenten wiedergutmachen? "Wir können keinen Leuten trauen, die solch schlechtes Essen haben.", hatte dieser vor dem G8-Gipfel das ganze Vereinigte Königreich beleidigt.

An der Webseite der Londoner Bewerbung kann es jedenfalls nicht gelegen haben. Sekunden nach dem IOC-Entscheid brach diese für Stunden komplett zusammen. Auch die Skepsis in der Bevölkerung sprach im Vergleich mit Paris gegen die Themsenmetropole. Nur 68 Prozent der Menschen befürworteten die Bewerbung Londons. In Paris waren es bis zum Moment der Entscheidung gut 20 Prozent mehr.

Die Stadt an der Seine ist in Singapur an nichts gescheitert – außer an mangelhafter Lobbyarbeit hinter den Kulissen. Warum also sollten ihre Bürger bei folgenden Olympia-Bewerbungen erneut den Hut in den Ring werfen? Spielball des IOC sind sie lange genug gewesen.

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