NBA Finals Hitziger Krimi in Miami

Von Helmut Werb, Los Angeles
Hätten die Heat ihr Heimspiel gegen die Dallas Mavericks verloren, wäre es das wohl gewesen für Shaquille O'Neal und Genossen. In einem spannenden Match riss ein Miami-Spieler das Ruder um. Doch es war nicht Shaq!

Alles hatte standesgemäß begonnen: Miamis 'beautiful people' waren versammelt in der American Airlines Arena. Armani-Coach Pat Riley von den Heat begrüßte Boris Becker, Rapper Jay-Z trug weiß und der 24-jährige Miami-Star Dwyane Wade, von der US-Presse zu einem der zehn schönsten Männer Amerikas gewählt, plauschte angeregt mit Anna Kournikova. Nach dem Star-Auflauf begann dann aber ein Spiel, das zu einem heißen Tanz wurde. Shaquille O'Neal brauchte genau 30 Sekunden, um Miamis erste Punkte zu machen, und trotz der Doppel- und Dreifach-Verteidigung spielte der Drei-Zentner-Center wie der 'Diesel' von Anno dazumal. Nicht nur gelangen ihm - man konnte es nicht glauben - die ersten zwei Freiwürfe, er reboundete wie ein Junger und stahl sogar den einen oder anderen Ball. Folge: Miami führte nach sechs Minuten mit 15:9. Der explosive Start schien Dallas zu lähmen, Miamis Verteidigung kaufte den Texanern den Schneid ab. Dallas Superstar Dirk Nowitzki fand nicht zu seinem Spiel: im ersten Viertel gelang ihm nicht ein einziges Fieldgoal! Zum Ende des ersten Viertels führte Miami 29:21.

Dwyane Wade riss das Spiel an sich

Die zweiten zwölf Minuten begannen so, wie die ersten geendet hatten. Die Mavericks waren von der Rolle - sieben Turnover in den ersten 15 Minuten des Spiels. Dann, nach ziemlich genau einer Viertelstunde des Spiels, begann Nowitzki aufzuwachen, und langsam kämpfte sich Dallas an Miami ran. Nach acht Minuten des zweiten Viertels gelang den Mavs zum ersten Mal der Ausgleich. Doch Dwyane Wade begann, das Spiel an sich zu reißen. 25 Sekunden vor dem Halbzeitpfiff gelang Jason Williams von den Heat - von den Kollegen liebevoll "White Chocolate" genannt - ein 3-Pointer, und Miami ging mit 52:43 in die Luxus-Kabinen. Miami Coach Pat Riley ahnte jedoch Schlimmes: "Wir lassen Dirk viel zu oft zum Freiwurf kommen", murmelte er zur Pause.

Als hätte der wohl-gestylte Mann es geahnt, machte Nowitzki gleich zu Beginn der 2. Hälfte Rileys Befürchtungen wahr und schoss schnell mal fünf Punkte. Erick Dampier klebte an Shaq wie billiges Aftershave, der wiederum holte seine bewährte Waffe, den Ellenbogen, raus und platzierte diesen unsanft in Dirks Gesicht. Trotzdem konnte Dallas nach nur vier Minuten mit 54:55 zum ersten Mal im Spiel die Führung übernehmen. Danach ging's flott hin und her auf dem Parkett - offener Schlagabtausch, ständige Führungswechsel, Mano-A-Mano, die Zuschauer bekamen für ihr teures Geld - Courtside-Plätze gingen für über 10.000 Dollar an den ge-gelten Miami-Millionär - spannende Unterhaltung geboten. Doch in der Arena wurde es leiser, als Super-Dirk endlich zu alter Form auflief und Dallas auf den Sattel half: am Ende des dritten Viertels führten die Mavs mit 77:68 und hatten Miami mit 34:16 im Quarter erstmal eisgekühlt.

Shaq ging der Sprit aus

Im vierten Viertel ging Shaq "Diesel" O'Neal langsam der Sprit aus. Der 'Big Man' saß den ganzen Beginn des Viertels auf der Bank. Das war auch gut, denn so übernahm Dwyane Wade die Arbeit der Heats, obwohl er sich im Spiel das Knie verletzt hatte und die letzten elf Minuten des Spiels mit fünf Fouls belastet war (und somit kurz vor dem unfreiwilligen Ende stand). Doch zuerst durfte nochmal der Dirkster zaubern. Alles schien schief zu laufen für Miami, die Heat leisteten sich schnelle vier Turnover und verpassten scheinbar sichere Schüsse. Dirk spielte einen Superpass zu dem herausragenden Team-Kollegen Devin Harris, der traumhaft verwandelte. Die Mavs zogen mit 13 Punkten Vorsprung davon, schienen das Spiel in der Tasche zu haben und nahmen einen gehörigen Gang raus. So etwas lässt sich ein Dwyane Wade nicht entgehen. Im Solo-Flug begann er, die Mavericks auseinander zu nehmen.

Die letzten sechs Minuten des Spiels wurden spannender als jede Episode von 'CSI:Miami'. Mit einer Minute 48 Sekunden im Spiel wurd der wiedergenesene Shaq zum 2500sten Mal gefoult - in der Arena könnte man die sprichwörtlich Nadel fallen hören - dann versenkt der Mann, der in den vorherigen Spielen von der Foullinie keine Scheunentür traf, doch tatsächlich nochmal zwei Freiwürfe. Dallas' Vorsprung war auf drei Punkte geschrumpft. Ganz Miami stand Kopf. Wade, mit insgesamt 42 Punkten (14 davon allein im vierten Viertel), brachte Miami weiter in Schwung, und eine Minute vor Schluss gingen die Heat mit 94:93 in Führung. Devin Harris glich 20 Sekunden später wieder aus, und Miamis Gary Payton brachte Miami mit einem brillianten Schuss mit zwei Punkten wieder nach vorn.

Nowitzki verpatzt den entscheidenen Wurf

Dann ging das Spiel erst richtig los. 3,4 Sekunden waren noch auf der Uhr beim Stand von 95:97 für Miami, als Nowitzki gefoult wurde. Dirk, der normalerweise 91 Prozent seiner Freiwürfe verwandelt, verpasst den einen wirklich Wichtigen, Dwyane Wade hingegen versenkt die Seinen und es steht 98:96. Eine ganze Sekunde hätte unser Dirkster noch gehabt, als er von der Seitenlinie einen 3-Pointer versucht, aber ausgerechnet Wade hat die Hand im Spiel. "Ich hatte die große Chance auszugleichen, so was ist ein harter Brocken", sagte ein zerknirschter Würzburger, dessen Bilanz sich mit 30 Punkten trotz allem sehen lassen kann. Shaq, mit 16 Punkten wieder an seiner alten Form dran, jedoch konnte nach dem 98:96 Sieg seiner Mannschaft endlich wieder lächeln: "Jetzt werden die restlichen Vier auch noch gewinnen."

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