Nach der Playoff-Vorschau für die Eastern Conference kümmern wir uns im zweiten Teil unseres Checks um den Westen der NBA. Nimmt man die Regular Season als Maßstab, dürften die Playoffs im Westen umkämpft wie selten zuvor sein. Setzt sich die Routine der Lakers, Mavericks und Spurs durch? Oder wird in diesem Jahr der Umbruch von den Newcomern aus Memphis, Oklahoma und den Los Angeles Clippers eingeleitet?
Western Conference
San Antonio Spurs vs. Utah Jazz
Vor der Saison noch als zu alt und zu unbeweglich verschrien, haben die Spurs es den Experten einmal mehr gezeigt. Angeleitet vom erfolgreichsten Coach der letzten 10 Jahre, Gregg Popovich, hat sich in Texas eine Mannschaft zusammengefunden, die mit bewährten Kräften, einem neuen System und einigen talentierten Newcomern die Liga aufgemischt hat und sich die zweitbeste Bilanz aller Teams erspielen konnte.
Tim Duncan ist weiterhin der Anker im System, Tony Parker spielt die beste Saison seit langem, und der von einer Ellbogenverletzung genesene Manu Ginobili ist nach wie vor einer der nervenstärksten Crunchtime-Spieler der Liga. Doch das man aus unerfahrenen Kräften wie Rookie Kawhi Leonard, Daniel Green, Gary Neal sowie DeJuan Blair einen Meisterschaftskandidaten formen kann, schien selbst in den gewagtesten Prognosen undenkbar.
Die Verpflichtungen von Boris Diaw sowie Stephen Jackson geben dem Team auch in der Tiefe ein Plus an Erfahrung gegenüber allen möglichen Gegnern. Sehr undankbar ist damit die Aufgabe der Utah Jazz. In den letzten Wochen hat sich in Salt Lake City eine Mannschaft geformt, der vor der Saison niemand eine Playoff-Teilnahme zugetraut hatte.
Mit Paul Millsap und Al Jefferson hat man zwei starke Big Men unter den Körben, mit CJ Miles, dem wiedererstarkten Devin Harris und Gordon Hayward sowohl von außen als auch in der Zone schnelle, treffsichere Spieler - in vielen anderen Paarungen wären die Jazz sicher ein Kandidat für eine Überraschung.
Doch die Spurs werden in dieser Serie nichts anbrennen lassen, hat man doch noch einiges gut zu machen im Hinblick auf das blamable Erstrundenaus gegen Memphis in der Vorsaison. Am Ende wird Utah zwar kämpfen, gegen die Spurs aber mit 1:4 den Kürzeren ziehen.
Oklahoma City Thunder vs. Dallas Mavericks
Die Thunder waren lange Zeit auf Kurs, die beste Bilanz der Liga zu erspielen, gönnten sich aber in den letzten Wochen immer wieder vorübergehende Auszeiten. Schwächen hat das Team eigentlich kaum welche.
Kevin Durant und Russell Westbrook sind trotz der Diskussionen über die Wurfquoten der beiden das punktesicherste Duo der Liga, mit James Harden kommt ein Spieler von der Bank, der bei so gut wie jedem anderen Club Stammspieler wäre, und unter den Körben hat sich die Kombination aus Serge Ibaka und Kendrick Perkins immer besser eingespielt - so gut, dass Ibaka sogar lange Zeit als Kandidat für den Titel des besten Defensivspielers der Liga galt.
Einzig die relative Playoff-Unerfahrenheit der Thunder, die im letzten Jahr auch ein Hauptgrund für das Scheitern an Dallas war, ist als Schwachpunkt bei der Mannschaft von Coach Scott Brooks auszumachen.
Ganz im Gegensatz zum Titelverteidiger aus Dallas. Zu Saisonbeginn nach dem Abgang von Tyson Chandler noch in Sorge über die eigene Defensive, haben sich mittlerweile allerlei andere Brandherde aufgetan. Die Dreier sitzen nicht wie gewohnt, Spielmacher Jason Kidd ist sein fortgeschrittenes Alter immer mehr anzumerken, und auch Jason Terry, im letzten Jahr noch einer der besten Bankspieler der Liga, hat zunehmends Schwierigkeiten, seine Wurfquote hoch zu halten.
So wird in den Playoffs viel auf die Defensive von Shawn Marion und natürlich die Nervenstärke sowie die Fitness von Dirk Nowitzki ankommen. Um gegen die Thunder zu bestehen, wird man zusätzlich einen Spieler wie im letzten Jahr JJ Barea brauchen, der, von der Bank kommend, für Impulse und überraschende Leistungen sorgen kann. Ob das Rodrigue Beaubois sein kann, wird sich zeigen müssen.
Alles in allem sind die Thunder natürlich Favorit, doch den Playoff-erfahrenen Champion aus Texas abzuschreiben wäre sicher ein großer Fehler. Mit einer Prognose tue ich mich schwer, doch mit der Pistole auf der Brust würde ich sagen, die Thunder kippen die Mavericks nach einer spannenden Serie mit 4:3-Siegen aus den Playoffs.
Los Angeles Lakers vs. Denver Nuggets
Die Nuggets sind das Jojo-Team der Saison. Brandheiß in die Saison gestartet, konnten die Nuggets ihre Form nicht halten, was sicherlich auch daran lag, dass sich das Team nach dem Anthony-Trade nach New York sowie den Abgängen von drei Spielern nach China während des Lockouts neu finden musste.
Doch Coach George Karl, ein alter Hase im Geschäft, fand das passende System, machte die Nuggets zu einem der besten Offensivteams der Liga und konnte so den drittletzten Playoff-Platz im Schlussspurt sichern. Doch auf das junge Team aus Colorado, das sich viel zu sehr auf seine guten Schützen von außen verlässt, wartet mit den Los Angeles Lakers eine Mammutaufgabe.
Zwar gehen die Lakers nach der Sperre für Ron Artest leicht geschwächt in diese erste Runde, aber vor allem die beiden Stars unter den Körben, Andrew Bynum und Pau Gasol, werden für die Nuggets kaum aus dem Spiel zu nehmen sein. Und dann wäre da ja noch Kobe Bryant. Vor der Saison unzufrieden mit der Personalpolitik sowie der ESPN-eigenen Einstufung als nur siebtbester Spieler der Liga, hat Bryant eine klassische ''Ihr-werdet-schon-sehen''-Saison aufs Parkett gelegt.
Zweitbester Scorer der Liga, in engen Spielen so nervenstark wie kein Zweiter, und mittlerweile sogar als Teamleader unbestritten - die Aussicht auf den sechsten Meistertitel und damit einen Gleichstand mit Michael Jordan scheint ausreichend Motivation für Bryant zu sein, sein Team tief in die Playoffs zu führen.
Und da die Lakers als besser gesetztes Team mit dem Heimrecht in die Serie gehen, dürfte auch die für Teams immer wieder schwierige Reise in die Höhenluft von Colorado kein Hindernis darstellen - Los Angeles sollte sich am Ende mit 4:2 durchsetzen und die zweite Runde erreichen.
Memphis Grizzlies vs. Los Angeles Clippers
Die wohl ausgeglichenste Serie steigt zwischen den Memphis Grizzlies, seit ihrem tollen Auftreten im letzten Jahr für viele so etwas wie der Geheimfavorit, und den Los Angeles Clippers, der neuesten Show-Attraktion aus Hollywood.
Die Grizzlies haben gerade in den letzten Wochen nach der Rückkehr ihres lange verletzten All-Stars Zach Randolph gezeigt, dass sie gegen alle Teams und Systeme bestehen können. Unter den Körben sind Randolph und Marc Gasol eine Macht, die außer den Lakers ihresgleichen sucht, von außen hat Topscorer Rudy Gay seine Topform gerade rechtzeitig wieder gefunden, in der Defensive hat man in Tony Allen einen der unangenehmsten Gegenspieler der Liga und von der Bank kommt mit O.J. Mayo eins der größten Talente der Liga.
Einzig auf der Position des Point Guards könnte man in Mike Conley eine Schwäche ausmachen. Und genau darin werden die Clippers ihr Heil suchen. Spielmacher Chris Paul gehört in dieser Saison zu den fünf besten Spielern der Liga und wie jedes Jahr wird er sich auch in dieser Saison seine Galaauftritte für die Postseason aufgehoben haben.
Blake Griffin und DeAndre Jordan, die beiden Big Men der Clippers, werden hingegen ihre liebe Mühe gegen die Grizzlies haben, und vor allem das Fehlen des verletzten Chauncey Billups, ob seiner Nervenstärke auch als Mr. Big Shot bekannt, dürfte für die Playoff-unerfahrene Mannschaft aus Los Angeles schwer zu kompensieren sein.
Alles in allem erwartet den Zuschauer sicher eine der spannendsten Serien der ersten Runde, doch am Ende sollte es für die Grizzlies, die den Heimvorteil besitzen, knapp dafür reichen, die Serie mit 4:3 für sich zu entscheiden.
Hoffen wir auf spannende Spiele und vielleicht ja doch die eine oder andere Überraschung insbesondere beim Duell der Mavericks mit Oklahoma.
Oliver Stein