Radsport Doping-Fahnder jagen "Men in Black"

Von Nico Stankewitz
Knapp zwei Wochen vor dem Start der Tour de France am 7. Juli in London hat der Radsport-Weltverband UCI mit einer Reihe von Kontrollen die Jagd auf verdächtige Fahrer verschärft. Aber die Profis und ihre Teams arbeiten mit allen Tricks.

Man nennt sie die "Men in Black": Sieben Topfahrer der Szene, die seit Wochen von der UCI observiert werden. Die Bezeichnung rührt daher, dass die Fahrer angeblich in neutraler schwarzer Bekleidung trainieren, um auf diese Weise nicht so aufzufallen und den Dopingkontrolleuren besser entwischen zu können. Ohne dass die UCI konkrete Namen genannt hätte, verdächtigen viele Kenner der Szene den Kasachen Alexandre Vinokourov, einen der Topfavoriten für die Tour de France, zu diesem Kreis zu gehören.

Der enge Freund von Ex-Profi Jan Ullrich gab diesen Gerüchten nur neue Nahrung, als er sich in der französischen Sportzeitung L'Equipe wortgewaltig verteidigte, obwohl er zumindest offiziell nicht angegriffen worden war. Er fahre in schwarz, um nicht von Hobbyradlern belästigt zu werden und bei den (angeblich) vorgebrachten Verdächtigungen gegen ihn und sein kasachisches Astana-Team handele es sich um "Versuche, uns Angst zu machen und einzuschüchtern".

Abgelegene Trainingsorte und Änderungen im Trainingsplan

Der Weltverband verfolgt offenbar die härteste Linie seit Einführung der Dopingkontrollen und hat nach verschiedenen Kriterien eine Art "Watchlist" erstellt, mit eben jenen sieben Fahrern, die die französischen Medien "Men in Black" nennen. Nach vertraulichen UCI-Informationen sollen Kriterien für diese Liste aber weniger die unauffällige Trainingsbekleidung, sondern vielmehr abgelegene, schwer zugängliche Trainingsorte und kurzfristige Änderungen im Trainingsplan sein - und zwar insbesondere in Verbindung mit auffälligen Blutwerten. Auffällig (non-negative) sind abnorme Blutwerte, die sich entweder auf kein bekanntes Medikament zurückführen lassen (also auch auf kein bekanntes Dopingmittel), oder die mit durch besondere Atteste genehmigten Medikamente zu Stande kommen.

Neben Vinokourov zählen auch der deutsche Tourfavorit Andreas Klöden und der Etappensieger von 2006, Matthias Kessler, zum Freundeskreis von Ullrich. Beide folgten Vinokourov zur Astana-Mannschaft, wie auch eine Reihe von belasteten Fahrern und Sportlichen Leitern. Dem Vernehmen nach sind auch die beiden Deutschen ins Visier der Dopingfahnder geraten ebenso wie Spitzenkräfte der amerikanischen Discovery-Mannschaft und der spanischen Formation Caisse d'Epargne.

"EPO ist wie Orangensaft"

Vinokourov pflegt nicht nur gute Kontakte zu Jan Ullrich, er ist auch mit dem ehemaligen Telekom-Arzt Lothar Heinrich und dem zwielichtigen Michele Ferrari befreundet, dem das legendäre Zitat "EPO ist wie Orangensaft" zugeschrieben wird und der viele Jahre auch mit Lance Armstrong gearbeitet hat. Ob Klöden und Kessler hier nur in schlechter Gesellschaft sind, oder ob sie selber zu den verdächtigen Profis gehören, wird sich wohl in den kommenden Wochen herausstellen.

Eine ganz neue Unregelmäßigkeit ist derweil beim Giro aufgefallen: Proben von vier absoluten Spitzenfahrern zeigten bei einer Kontrolle nach der Etappe auf den Monte Zoncolan, der als schwerster Berg Europas gilt, bizarre Blut- und Urinwerte. Die betroffenen Fahrer, Girosieger Danilo Di Luca (Liquigas), der Gesamtzweite Eddy Mazzoleni (Astana) und die Etappensieger Gilberto Simoni und Riccardo Ricco (beide Saunier Duval) hatten extrem niedrige (!) Werte bei den normalen, körpereigenen Hormonen.

Hormonwerte wie bei vorpubertären Jungen

Verschiedene hinzugezogene Spezialisten erklärten einhellig, so niedrige Hormonwerte könnten nur bei vorpubertären Jungen vorkommen, aber keinesfalls bei erwachsenen Männern. Die Wissenschaftler stehen vor einem Rätsel. Italiens Olympisches Komitee Coni hat die UCI und die Weltdopingagentur Wada um Hilfe gebeten. Es besteht die Möglichkeit, dass hier neue, den Dopingfahndern unbekannte Produkte im Einsatz sind. Nach jetzigem Stand der Ermittlung handelt es sich um keinen Dopingfall, niedrige Hormonwerte gelten bisher nicht als leistungsfördernd. Auch ein neues, unbekanntes Mittel ist vermutlich kein konkreter Dopingfall, denn dafür müsste es erstmal verboten werden.

Trotz der Rekordzahl von 160 unangemeldeten Trainingskontrollen in den vergangenen Wochen (im Vorjahr waren es im gleichen Zeitraum 31) scheint bereits ein neues Wettrüsten der Teamärzte im Gange zu sein.

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