Unmittelbar vor der Tour de France scheint Jan Ullrich endlich in Form zu sein. Ohne große Mühen sicherte sich der 27-jährige Olympiasieger am Sonntag in Bad Dürrheim erneut den deutschen Meistertitel praktisch im Alleingang. Den Telekom-Triumph rundete Erik Zabel auf dem zweiten Platz 15 Sekunden hinter Ullrich ab. Gleich 15 Profis hatte das Team Telekom auf die über 200 Kilometer lange Strecke geschickt und damit die anderen Teams zu Statisten degradiert. Gegen die Übermacht der Telekom-Radler war die Konkurrenz der übrigen 98 Starter machtlos. Seit 1993 stellt der größte deutsche Rennstall beim Prestige trächtigen »Heimspiel« immer den Meister.
Glück durchs Meistertrikot?
Das Trikot mit den drei Brustringen soll Ullrich wie bei seinem Toursieg vor vier Jahren auch diesmal im mutmaßlichen Duell mit den zweifachen Gewinner Lance Armstrong (USA) wieder Glück bringen. Die Generalprobe bei seinem letzten Rennen vor der Tour, die in Dünkirchen beginnt, verlief ganz nach seinem Wunsch. Vorher war der gebürtige Rostocker in dieser Saison nur bei einem 77-Km-Kriterium in Saulgau erfolgreich gewesen. »Ich bin ein bisschen abergläubisch. 1997 hat mir das Trikot Glück gebracht. Deswegen sage ich aber nicht voraus: Jetzt gewinne ich wieder die Tour, aber das war heute ein gelungener Formtest für mich«, sagte Ullrich.
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Eine Vorentscheidung fiel bereits nach gut der Hälfte der zwölf Runden. 54 Fahrer bildeten die Spitze, alle anderen Fahrer hatten schon zu diesem Zeitpunkt mit dem Ausgang des Rennens nichts mehr zu tun. Aus dieser großen Gruppe setzten sich fünf Runden vor Schluss neun Fahrer ab, die den Sieg bei unter sich ausmachten.
Spitzenduo
Drei Kilometer vor dem Ziel fuhr Jan Ullrich seinem letzten Begleiter Erik Zabel einfach davon. Mit dem gebürtigen Berliner hatte er 23 km vor dem Ziel ein Spitzenreiter-Tandem gebildet. Titelverteidiger Rolf Aldag unterstrich auf Rang vier die Telekom-Demonstration der Stärke. Als Dritter konnte sich Christian Wegmann vom italienischen Saeco-Team in die Telekom-Phalanx schieben. Vor dem DM- Start hatte Ullrich noch gesagt: »Der Kurs ist wahrscheinlich nicht so schwer, dass sich ein einzelner Fahrer absetzen kann. Vermutlich wird eine größere Gruppe ankommen«.
Frustrierter Zabel
Eigentlich wollte auch Weltcup-Gewinner Zabel um den Sieg mitspurten und möglicherweise seinen 17. Saisonsieg einfahren. »Bis zur Mannschafts-Besprechung am Samstagabend in unserem Hotel hatte ich noch Ambitionen«, sagte Zabel und deutete vor dem Rennen an, dass er sich wie bei der Tour-Nominierung wiederum den Wünschen des Telekom-Primus Jan Ullrich unterordnen musste. Trotzdem jubelte Zabel, 1998 Meister, auch als Zweiter im Ziel. »Ist doch auch schön - oder?«, fragte Zabel nach dem Rennen etwas sarkastisch und gab zu, dass er sich der Stallregie beugen musste. Allerdings setzte sich diesmal, vielleicht anders als in manchen Vorjahren, mit Ullrich wohl auch der stärkste Telekom-Fahrer durch.
Der aussichtsreichste Telekom-Konkurrent, der Berliner Jens Voigt vom französischen Credit Agricole-Team, hatte trotz aktueller Topform gegen die starke Streitmacht aus Bonn keine Chance. Er fuhr in der Spitzengruppe, wollte aber nicht auf Biegen und Brechen gegenhalten, um vor dem Tourstart seinen »Motor« nicht zu überdrehen. Voigt hat sich für Frankreich unter allen Umständen seinen ersten Etappensieg vorgenommen, an dem er im vergangenen Jahr schon mehrmals hauchdünn vorbeigefahren war.
Deutsche Meisterschaft
1. Jan Ullrich
2. Erik Zabel
3. Christian Wegmann
4. Rolf Aldag
5. Thomas Liese
6. Sven Teutenberg
7. Jens Voigt
8. Uwe Peschel
9. Jörg Ludewig
10. David Kopp