Der schreckliche Sturz des Schweizers Silvano Beltrametti hat den alpinen Ski-Sport im Olympia-Winter bis ins Mark erschüttert und die Sicherheitsstandards erneut in die Kritik gerückt. Nur knapp sechs Wochen nach dem Unfall-Tod von Super- G-Weltmeisterin Regine Cavagnoud wurde die Renn-Serie am Samstag von einer neuerlichen Tragödie getroffen. Der 22 Jahre alte Beltrametti wird ab dem siebten Brustwirbel gelähmt bleiben. Der Nachwuchsstar der Eidgenossen schwebte wegen Blutungen in der Lunge während der ersten Weltcup-Abfahrt der Saison im französischen Val d'Isère sogar in akuter Lebensgefahr.
Der Sport im Hintergrund
Die sportlichen Ergebnisse des Wochenendes rückten in den Hintergrund. Martina Ertl sorgte mit ihrem sechsten Platz beim Slalom im italienischen Sestriere für das beste Resultat des Deutschen Ski-Verbandes (DSV). »Es geht aufwärts aber es ist noch mehr drin«, stellte die 28-Jährige, die erst Ende September am Knie operiert worden war, fest. Weltmeisterin Anja Paerson sicherte sich souverän den Sieg. Annemarie Gerg wurde 19. und muss weiter auf die Qualifikation für die Olympischen Winterspiele warten.
Im Schatten der schlimmen Ereignisse in Val d'Isère konnten die deutschen Herren bei den drei Rennen keinen einzigen Weltcup- Punkt gewinnen. Der Österreicher Stephan Eberharter untermauerte mit seinem Doppel-Sieg in Super-G und Abfahrt eindrucksvoll seine Ambitionen, in Abwesenheit des verletzten Superstars und Dauerrivalen Hermann Maier die sportliche Führungsrolle zu übernehmen. »Das ist unheimlich, wirklich vom Feinsten«, sagte der Weltcup-Spitzenreiter, der am Sonntag auch im Riesenslalom Dritter wurde. Bode Miller gewann vor dem Franzosen Frederic Covili.
Mit 120 gegen Werbeplane und Fangzaun
Freude kam allerdings nicht auf: Am Vortag war Beltrametti mit etwa 120 km/h nach einem Fahrfehler durch die Werbeplane und das Sicherheitsnetz der Oreiller-Killy-Piste gerast und einige Meter hinter der Absperrung in einem Geröllfeld liegen geblieben. Der Abtransport des Schwerverletzten in eine Spezialklinik nach Grenoble dauerte fast eine Stunde, da die Unfallstelle schwer zugänglich war und deshalb zwei Mal der Rettungshubschrauber gewechselt werden musste. Beltrametti war bei Bewusstsein und sich offenbar selbst über seinen Zustand im Klaren. »Ich werde gelähmt bleiben. Das weiß ich«, sagte er seinem Trainer Dieter Bartsch.
Beltramettis Zustand stabil
Derzeit ist an eine Operation der gebrochenen Wirbelsäule noch nicht zu denken. Auch eine Verlegung in die Schweiz sei noch nicht möglich, erklärten die Ärzte am Sonntag. Beltrametti, der im Super G am Freitag mit dem dritten Platz noch sein zweitbestes Weltcup- Resultat eingefuhr, wird auf der Intensivstation in Grenoble mit Schmerzmitteln behandelt. Sein Zustand ist stabil.
Der Schweizer Chef-Coach Bartsch erhob unterdessen Vorwürfe gegen den Internationalen Ski-Verband (FIS) und die Organisatoren in Val d'Isère wegen der langwierigen Rettungsaktion. FIS-Renndirektor Günter Hujara widersprach. »Der erste Helikopter war nach fünf Minuten vor Ort«, sagte der Sicherheitschef des Weltverbandes.
Unfall-Serie
Beltramettis Sturz setzte eine Serie von Unfällen in dieser Saison fort, bei denen sich auch der Lenggrieser WM-Dritte Florian Eckert (Trümmerbruch im Knie) und der österreichische Abfahrtsweltmeister Hannes Trinkl (Stirnbeinbruch) verletzten. Immer mehr gerät dabei das Material in Verdacht, schon bei leichten Fahrfehlern Ursache für diese folgenschwere Stürze zu sein. »Wir kämpfen darum, dass dieser Wahnsinn der noch mehr taillierten Ski aufhört«, sagte Hujara. Vor der Saison hatte die FIS die Ski-Maße begrenzt.
Das Limit an Sicherheit ist erreicht
Energisch reagierte Hujara auf Fragen, warum der Fangzaun beim Aufprall nicht gehalten habe. Das Sicherheitsnetz sei aus neuestem Material gewesen und vor der Abfahrt nochmals überprüft worden. Mit einer Reißlast von 800 kg sei das Limit bei den Auffangvorrichtungen erreicht. Die Schweizer Teamleitung verzichtete unmittelbar nach dem Unfall auf eine Anzeige. Trotzdem wurden Hujara und der Organisations-Chef der Rennen von Val d'Isère, Jean-Claude Fritsch, noch am Samstag von der Polizei vor Ort vernommen.