"Cool Runnings" bedeutet auf Patoi soviel wie "gute Reise", das weiß jedoch kaum jemand. Viel mehr erinnert der Ausruf an den Titel eines Disney-Films aus dem Jahr 1993. Dieser erzählt die Geschichte eines Bob-Teams aus Jamaika, das sich seinen Traum vom Start bei den Olympischen Winterspielen erfüllen will.
Auch wenn die Personen im Film fiktiv sind, so beruht er doch auf einer wahren Geschichte. Bei den Olympischen Spielen 1988 in Calgary trat tatsächlich eine Bob-Mannschaft bestehend aus jamaikanischen Soldaten an, um ihr Land zu vertreten.
Christoph Zollinger, vom Anwalt zum Bob-Champion?
Dass Christoph Zollinger "Cool Runnings" gesehen hat, ist anzunehmen. Zollinger ist ein Schweizer Anwalt mit panamaischer Staatsbürgerschaft und er will es den Jamaikanern jetzt gleichtun. Sein großes Ziel: Mit einer Bobmannschaft aus Panama bei den Olympischen Spielen 2014 im russischen Sochi antreten.
Bereits seit 2010 verfolgt Zollinger sein ehrgeiziges Projekt, damals fuhr er das erste Mal als Tourist mit einem Bob die Natureispiste in St. Moritz herunter und war sofort Feuer und Flamme für den Hochgeschwindigkeitssport. An diesem Tag wurde die Idee des "Spirit of Panama" geboren.
Veteran Hans Hiltebrand begeistert vom "Spirit of Panama"
Mit seinem 67-jährigen Landsmann Hans Hiltebrand holte sich Zollinger sofort einen prominenten Unterstützer an Bord. Der ehemalige Weltklasse-Bobfahrer musste nicht lange überlegen, als ihn Zollinger am Telefon um Unterstützung bei seinem ehrgeizigen Projekt bat.
Hiltebrand nahm selbst zwischen 1976 und 2010 als Fahrer, Trainer und Berater neunmal an den Olympischen Winterspielen teil. Er wurde 1977 in seiner Heimat Weltmeister im Zweierbob und gewann 1987 die Goldmedaille im Viererbob, dazu kamen im Laufe seiner Karriere noch acht Schweizer Meistertitel und die Teilnahme an zahlreichen weiteren Großevents.
Nach seiner aktiven Karriere machte sich Hiltebrand einen Namen als erstklassiger Schlitten-Konstrukteur. Mit seiner langjährigen Erfahrung soll er für Panama den Traum von der Olympia-Teilnahme wahr machen. "Eigentlich wollte ich mich zur Ruhe setzen. Doch die Idee, mit Panama in Sochi zu starten, reizte mich ungemein, vor allem weil es sehr seriös geplant ist", sagte Hiltebrand der Nachrichtenagentur dpa am Rande der Bob-WM in Lake Placid.
"Dabei sein ist alles" war gestern, Präsident fordert den Triumph
Während für die Jamaikaner damals das Olympische Motto "Dabei sein ist alles" im Vordergrund stand, wollen Zollinger und Hiltebrand 2014 eine echte Chance auf die Medaille haben.
Ein Pilot für das Projekt war in Zollinger bereits gefunden, als nächstes ging es darum, geeignete Anschieber zu finden. Auf der Suche bauten die beiden Schweizer auf die Unterstützung des panamaischen Leichtathletik-Verbandes und des staatlichen Fernsehens.
In einer eigens veranstalteten Casting-Show traten 85 Athleten, darunter auch Mitglieder einer Spezialeinheit der Nationalpolizei, in verschiedenen Disziplinen gegeneinander an. Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich die Show in Panama zum Hit, das Interesse unter der Bevölkerung des Drei-Millionen-Einwohner Staates war riesengroß.
Ganz Panama durch Castingshow vom Bobfieber infiziert
Selbst Regierungschef Ricardo Martinelli ließ sich anstecken. "Das wird das erste Mal sein, dass Panama an den Olympischen Winterspielen teilnimmt. Ich bin überzeugt, dass sie unser Land würdig vertreten und alle schlagen werden", verkündete er im Staatsfernsehen euphorisch.
Panamas Erfolge bei den Olympischen sind bisher überschaubar. Lediglich drei Medaillen stehen bei den Sommerspielen zu Buche, bei den Olympischen Winterspielen ist Panama noch nie angetreten. Kein Wunder, denn wie auf Jamaika schneit es in Panama eher selten. Die bisher einzige Goldmedaille für den mittelamerikanischen Staat gewann der Weitspringer Irving Jahir Saladino Aranda 2008 in Peking in der Paradedisziplin des Landes.
Am Ende des Castings standen mit Jonathan Romero, Arsenio Caballero, Eduardo Fonseca und Andreas Rodriguez die vier Sieger fest, die künftig mit Zollinger gemeinsam das Bob-Team Panamas bilden sollen.
Der 25-jährige Romero ist eigentlich Leichtathlet und gilt als der zweitbeste Weitspringer Panamas. Daneben tritt er im Dreisprung und in der 4x100m Staffel an. Andreas Rodriguez ist immerhin panamaischer Landesmeister über 100 und 200m.
Trockenübungen wie in "Cool Runnings"
Zunächst trainierten die vier Gewinner gemeinsam mit Zollinger in Panama-Stadt ähnlich wie in "Cool Runnings" - mit einem Bob auf Rädern. Im Hintergrund wurde die notwendige Infrastruktur geschaffen, denn einen Bobverband gab es bis zu diesem Zeitpunkt in Panama ebensowenig wie einen Wintersportverband. Außerdem mussten die notwendigen Lizenzen beim Bob-Weltverband FIBT und dem Internationalen Olympischen Komitee IOC beantragt werden.
Nach den Trockenübungen absolvierten Zollinger und Romero gemeinsam die ersten Trainingsfahrten in der Schweiz und den USA. Dabei entstand der Dokumentarfilm "Spirit of Panama", der demnächst in den Schweizer Kinos laufen soll. Auch im beschaulichen Alpenstaat ist das Interesse an dem ehrgeizigen Projekts groß.
Unterstützer Hiltebrand berichtet gegenüber dpa von Romeros ersten zarten Versuchen im Schnee Fuß zu fassen: "Kein Witz, er zitterte vor Kälte", erinnerte er sich. "Ich dachte es wird nicht klappen."
Zollingers Meilenstein an historischer Stätte
Im Oktober 2011 traten Zollinger und Romero zu ihrem ersten gemeinsamen Wettkampf in Park City (USA) an und erreichten prompt Rang 15. Am nächsten Tag verbesserten sich die beiden sogar nochmals auf Rang 13. Einen Monat später schafften es die beiden in Calgary, genau an dem Ort, an dem die jamaikanische Bobmannschaft 1988 angetreten war, sensationell unter die ersten zehn.
Auch das zweite panamaische Team mit Eduardo Fonseca als Steuermann und Arsenio Caballero als Anschieber erreichte bei den ersten offiziellen Wettkämpfen einige Platzierungen unter den ersten 20. Die Formkurve beider Teams zeigt deutlich nach oben. Zollinger und Romero kletterten mit ihrem Zweierbob in der FIBT-Rangliste bereits auf Rang 55 von 98 Teilnehmern.
Den Vergleich mit den Jamaikanern aus "Cool Runnings" sieht Zollinger zwiegespalten. "Wir meinen es sehr ernst mit dieser Sportart und arbeiten hart, um in den kommenden Wintern den Anschluss an die etablierten Bobnationen zu schaffen", sagte Zollinger gegenüber dem Schweizer Fernsehen.
Cool Runnings Panama!
Zunächst muss Zollinger aber noch Sponsoren für das Projekt auftreiben, der Etat von 200.000 Euro ist noch nicht komplett abgedeckt. Bei dem gewaltigen Medieninteresse an dem Projekt sollte es jedoch nur eine Frage der Zeit sein, bis auch dieses Ziel erreicht ist. Ob Panama dann auch 2014 in Sochi für Furore sorgen kann bleibt abzuwarten, eine gute Geschichte ist das ganze auf jeden Fall schon jetzt. Cool Runnings Panama!
Michael Stricz