Massive Bestechungsvorwürfe gegen mindestens 80 leitende Mitarbeiter haben Schwedens staatliche Alkohol-Monopol "Systembolaget" in eine möglicherweise lebensbedrohliche Krise gestürzt. "Das könnte der Nagel für den Sarg des ganzen Systems sein", meinte eine Mitarbeiterin der einzigen schwedischen Verkaufsgesellschaft für Bier, Wein und hochprozentigen Alkohol in der Zeitung 'Dagens Nyheter'. Medienbeobachter sehen es als sicher an, dass die EU-Kommission in Brüssel den "umfassendsten Korruptionsskandal in Schwedens Geschichte" nutzen will, um das außerhalb Nordeuropas in der Union beispiellose und anderswo undenkbare Staatsmonopol für den Handel mit Alkohol nun endlich zu "knacken".
Im größten Land Skandinaviens kann Alkoholbedarf weder in Supermärkten, an Tankstellen oder gar Kiosken, sondern eben einzig und allein in einem der 453 Läden von "Systembolaget" gedeckt werden. In mindestens 80 davon sollen die Filialchefs und andere leitende Mitarbeiter in den vergangenen Jahren diskret, aber auch permanent die Hand aufgehalten haben, um sich von Lieferanten mit persönlichen Geschenken von Gratis-Wein bis zu teuren Luxusreisen für den Abschluss von Verträgen belohnen zu lassen.
"Systembolaget" hat Symbolfunktion
Was im "normalen" Geschäftsleben als Resultat persönlicher Raffgier auch in Schweden als Grauzone mehr oder weniger akzeptiert ist, hat mit Blick auf die staatlich angestellten Alkoholverkäufer eine wahres Erdbeben ausgelöst. Die 1905 gegründete "Systembolaget" ist nach wie vor ein Symbol für die nach europäischen Maßstäben extrem restriktive Alkoholgesetzgebung in Schweden. Bis 1955 wurde jeder Alkoholeinkauf in einem persönlichen Abrechnungsbuch namentlich registriert, und erst seit dem Jahr 2000 sind die Monopolläden auch samstags geöffnet.
Den traditionell sauberen Ruf von "Systembolaget" will Unternehmens-Chefin Anitra Steen jetzt mit einem betont harten Kurs retten und möglicherweise alle 80 Angeschuldigten schon vor etwaigen Anklageerhebungen feuern. Es werde einem "speiübel", wenn man tiefer in der offenbar weit verbreiteten Korruptionskultur des Unternehmens mit immerhin mehr als 4000 Beschäftigten grabe.
Schwierige Lage für Unternehmens-Chefin
Aber auch Steen selbst gilt als höchst angreifbar, weil das von ihr seit vier Jahren geführte Management diese Un-Kultur jahrelang geduldet hat. Seit dem vergangenen Jahr lebt die aktive Sozialdemokratin und frühere Staatssekretärin zudem mit dem kurz zuvor geschiedenen Ministerpräsident Göran Persson zusammen, der sich womöglich bald von Amts wegen mit den Vorwürfen gegen das Staatsunternehmen befassen muss. "Ich bin nicht befangen", meinte Persson und stimmte lauthals in den Chor der Kritiker von "Systembolaget" ein. "Dem Management" sprach er gleichzeitig das Vertrauen aus.