Altersvorsorge Fast eine Million Riester-Verträge gekündigt

Fast zwölf Millionen Riester-Verträge gibt es schon - doch jetzt bekommt die große Erfolgsgeschichte leichte Kratzer: Denn fast eine Millione Riester-Sparer haben ihre Verträge für die private Altersvorsorge schon wieder gekündigt oder lassen sie ruhen. Der Grund: Hohe Kosten und niedrige Rendite.

Rund eine Million Riester-Sparer haben ihren Vertrag für eine private Altersvorsorge bereits wieder gekündigt oder lassen ihn ruhen. Dies bestätigte das Bundessozialministerium am Montag in Berlin. Verbraucherschützer führen dies auf die Unzufriedenheit vieler Sparer mit den hohen Provisionen und Kosten mancher Riester-Produkte zurück. Ihr Rat lautet: Obwohl es teuer ist, den Vertrag zu kündigen, kann es sich auf lange Sicht durchaus lohnen. Derzeit wird die Zahl der Riester-Verträge mit etwa zwölf Millionen angegeben.

Nur Riester-Versicherungsverträge erfasst

Das Sozialministerium bestätigte einen Bericht der "Bild"-Zeitung, wonach seit dem Start der Riester-Reform 2001 bis Ende 2007 rund 950.000 Verträge aufgelöst, gewechselt oder ruhen gelassen wurden. Die Zahl der enttäuschten Riester-Sparer könnte laut Arbeitsministerium auch höher liegen, denn untersucht wurden nur Riester-Versicherungen. Bankspar- und Fondssparspläne - die beiden anderen wichtigen Riester-Angebote - sind nicht berücksichtigt.

Riester-Rente und -Versicherung

Der Staat fördert die seit dem Jahr 2001 angeboten Verträge steuerlich. Riester-Sparer können sich entscheiden: Bei einem Banksparplan wird das Geld angesammelt und jährlich verzinst. Bei einem Fondssparplan vermehrt oder vermindert sich die Rente je nach Kursentwicklung der gekauften Wertpapiere.
Die Riester-Rentenversicherung wiederum funktioniert nach dem Prinzip einer Lebensversicherung: Es gibt eine garantierte Rente, die je nach Anlage-Erfolg des Anbieters höher ausfallen kann. Allerdings fallen auch Kosten für Abschluss und Verwaltung an. Gerade dies ist aber für viele Riester-Sparer in den ersten Jahren ein Ärgernis. Viele Kunden seien überrascht, wenn sie in den ersten Mitteilungen über den Stand ihrer Versicherung sehen, dass die Versicherer die Kosten meist in die ersten Jahre der Vertrags-Laufzeit packen.

Laut Ministerium machen die Rentenversicherungen aber nach wie vor den Löwenanteil aus: Von ihnen gab es rund 9,3 Millionen Verträge. Daneben existierten bis Ende 2007 rund 2,2 Millionen Riester-Fondssparpläne und rund 520.000 Banksparpläne, die nur von wenigen Instituten angeboten werden. Insgesamt gibt es damit rund zwölf Millionen Riester-Sparer.

Rendite wird nicht kontrolliert

Ein Sprecher der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bestätigte, dass es im ersten Halbjahr diesen Jahres 240 Beschwerden bei der Behörde gegeben habe. Im gesamten Jahr 2007 seien es nur 290 Beschwerden, 2006 nur 299 gewesen. Die Riester-Sparer hätten sich unter anderem über die Höhe der Abschluss- und Verwaltungskosten der Verträge geärgert. Zudem sei es häufiger um Probleme beim Anbieterwechsel gegangen.

Wie hoch die Rendite eines Riester-Vertrags ist, wird staatlich nicht kontrolliert. Die Bafin prüft lediglich vor dem Start eines Angebots bestimmte Kriterien: So müssen die Abschlusskosten eines Vertrags auf mindestens fünf Jahre verteilt werden. Wie hoch die Kosten sind, wird dagegen nicht überprüft. Zudem müssen das eingezahlte Kapital und die Zulagen garantiert werden.

Gefragt: Selber informieren

Der Sprecher des Bundesarbeitsministeriums sagte, die Riester-Renten sei "zu großen Teilen ein privates Geschäft". Rendite-Erwartungen würden daher nicht geprüft. "Man muss die Rendite trennen von den Mindestanforderungen, die kontrolliert werden." Die Bürger müssten sich durch die Informationsangebote im Internet oder bei den Volkshochschulen über das für sie optimale Produkt informieren.

Das Sozialministerium vertritt allerdings die Auffassung, nicht alle Kündigungen seien auf Unzufriedenheit zurückzuführen. Denkbar sei zum Beispiel auch, dass einige Riester-Sparer vorübergehend die Raten nicht mehr zahlen konnten. Ein Ministeriumssprecher wies auch darauf hin, dass die Kündigung eines Vertrags teuer sein könne. Denn vor allem am Anfang der Vertragslaufzeit fielen Provisionen für den Vermittler sowie Verwaltungs- und Bearbeitskosten an. Wer mit dem Riester-Sparen ganz aufhöre, müsse zudem Zulagen zurückzahlen, sagte der Ministeriumssprecher. Vor Abschluss eines Riester-Vertrags solle man das betreffende Produkt eingehend prüfen, riet er.

Wechsel kann sich lohnen

Dies tun aber nicht alle Riester-Sparer, wie Finanzexperte Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg berichtete. Viele seien ohne eingehende Prüfung der Beratung der Vermittler gefolgt, obwohl die Verträge teuer seien und niedrigen Ertrag brächten. Viele Menschen verließen sich darauf, dass der Staat die von ihm geförderten Produkte reglementiere. Dabei sei zum Beispiel die Höhe der Provisionen nicht gedeckelt, sagte Nauhauser. In Beratungsgesprächen zeige sich, dass die Menschen oft erschrocken seien über die Zusatzkosten, die zum Teil über den staatlichen Zulagen lägen. Teils seien den Sparern auch monatliche Beiträge angeraten worden, die sie sich gar nicht leisten könnten.

Tatsächlich könne es sich durchaus lohnen, einen Vertrag zu kündigen und einen besseren abzuschließen, sagte der Experte. "Selbst 1000 Euro Wechselkosten können sie im Lauf von 30 Jahren verdienen, wenn die Rendite nur um 0,1 Prozentpunkte höher ist", sagte der Verbraucherschützer. In Beratungsgesprächen komme man häufig zu einem solchen Ergebnis. Die Stornierung von anderen, nicht staatlich geförderten Altersvorsorgeprodukten wie Lebensversicherungen sei deutlich niedriger, sagte Nauhauser.

Oft lohnt der Vertrag gar nicht

Er appellierte an die Politik, dem Problem nachzugehen. "Wenn die Menschen rausgehen, muss man dem auf den Grund gehen, warum das so ist", sagte der Finanzexperte. Auch die Grünen-Finanzexpertin Christine Scheel forderte eine strengere Kontrolle der Riester-Produkte. "Die Finanzaufsicht muss endlich Ansprechpartner für die Probleme der Bürger mit Banken und Versicherungen werden. Gerade bei den Riester-Renten muss die Aufsicht viel genauer hinschauen, ob sich ein Vertrag überhaupt lohnt", sagte Scheel der "Bild"-Zeitung.

AP
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