BaFin-Affäre Millionenschaden durch eigene Beschäftigte

Die Staatsanwaltschaft untersucht neue Korruptionsfälle bei der Finanzdienstleistungsaufsicht. Ex-Mitarbeiter sollen in jahrelanger Selbstbedienung bei der Kontrollbehörde über vier Millionen Euro ergaunert haben.

Die Betrugsaffäre bei der obersten deutschen Finanzaufsicht (BaFin) weitet sich aus und bringt deren Chef Jochen Sanio zunehmend unter Druck. Die Bonner Staatsanwaltschaft ermittle insgesamt gegen sechs Beschäftigte bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, bestätigte Oberstaatsanwalt Fred Apostel am Montag in Bonn. Der durch einen leitenden Beamten im IT-Bereich verursachte Schaden belaufe sich mittlerweile auf mehr als 4 Millionen Euro. In den anderen Fällen gehe es um Betrug bei Anstellungen - etwa Stellenbesetzung mit Freunden - und Untreue in der Behörde.

BaFin äußert sich nicht

Das Bundesfinanzministerium, dem die BaFin unterstellt ist, äußerte sich besorgt über mögliche schwere Versäumnisse. Der Befund eines Gutachtens der Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers (PwC) sei als "sehr, sehr ernst" einzustufen, sagte Ministeriumssprecher Torsten Albig in Berlin. Die BaFin erklärte, sie wolle sich in der Angelegenheit nicht äußern. "Unsere Ansprechpartner in dieser Sache sind die Kontrollgremien der BaFin, nämlich das Bundesfinanzministerium und der Verwaltungsrat", sagte ein Sprecher.

Die mächtige Finanzdienstleistungsaufsicht

Die BaFin wurde im Mai 2002 gegründet, um die Aufsicht über Banken, Finanzdienstleister, Versicherer und Wertpapierhandel zusammenzuführen. Sie beschäftigt rund 1500 Mitarbeiter in Bonn sowie Frankfurt und kann unter anderem Vorstände abberufen oder - wie kürzlich im Fall der Privatbank Reithinger geschehen - ganze Kreditinstitute schließen. Sanio selbst genießt international hohes Ansehen und gilt als kompromissloser Kontrolleur von Banken sowie von Versicherungen.

Mitglieder des Verwaltungsrates verwiesen auf noch etliche offene Fragen. Es sei zu früh, um Konsequenzen zu ziehen oder über eine mögliche Abberufung von Sanio zu spekulieren. Politiker aus Opposition und Koalition riefen den BaFin-Präsidenten am Montag auf, schnell Klarheit über die Vorkommnisse in der BaFin zu schaffen. Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Fraktion Michael Meister sprach von einem Schaden für den deutschen Finanzplatz. Ein Kontrolleur, der es nicht schafft, seine eigene Behörde zu kontrollieren, ist nicht sehr glaubwürdig",sagte der FDP-Finanzexperte Volker Wissing. Die Grünen forderten Sanios Rücktritt, falls sich die Vorwürfe bestätigen sollten. Die BaFin kontrolliert Banken, Versicherer und den Aktienmarkt. "

Alle Fehler gemacht, die man bei anderen ankreidete

Die Wirtschaftsprüfer von PwC haben nach nach Angaben des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" der BaFin-Führung mangelnde Kontrollen im eigenen Haus bescheinigt. Unter anderem habe es bei der BaFin kein zentrales Vertragsmanagement gegeben, Prüfungen der IT-Beschaffung seien mehrere Jahre nicht durchgeführt worden. Das Fehlen einer zentralen Kontrollinstanz habe es ermöglicht, dass ein Mitarbeiter Millionen habe veruntreuen können.

Mit einer baldigen Anklage gegen den geständigen Beamten sei zu rechnen, sagte Apostel. Dem Mann, der im April verhaftet wurde und derzeit von der Haft verschont ist, würden Untreue, Betrug, Bestechlichkeit, Bestechung und Steuerhinterziehung vorgeworfen. Der frühere Referatsleiter soll zusammen mit Partnern aus Firmen Scheinrechnungen für IT-Software ausgestellt haben. In den anderen Fällen gegen fünf weitere BaFin-Beschäftigte - alle aus dem IT- Bereich der Behörde - werde wegen Betrugs und Untreue noch ermittelt.

Sanios Entlastung bleibt fraglich

Nach "Spiegel"-Informationen steht die Entlastung von Sanio für das Jahr 2005 durch den Verwaltungsrat noch aus. Dem Gremium, das von Finanzstaatssekretär Thomas Mirow geleitet wird, gehören neben weiteren Ministeriumsvertretern auch Bundestagsabgeordnete sowie Vertreter der Kreditinstitute, von Versicherungsunternehmen sowie von Kapitalanlagegesellschaften an. Die nächste Verwaltungsratsitzung ist bisher für den 26. September geplant. Die Leitung der BaFin werde sich bei dieser Sitzung äußern, sagte ein Sprecher in Bonn.

Der finanzpolitische Sprecher der Union, Otto Bernhardt (CDU), erklärte "das bisher vorliegende Material reicht für eine abschließende Meinungsbildung nicht aus." Es gebe noch eine Reihe ungeklärter Fragen, sagte das Mitglied des Verwaltungsrates. Es sei daher völlig offen, ob es bei der nächsten Sitzung des Verwaltungsrates zu einer Entlastung von Sanio komme oder nicht.

Verwaltungsrat tagt am 26. September

Dabei dürfte sicher eine Rolle spielen, dass sich Sanio in der Versicherungs- und Bankenbranche durch die Art seiner Amtsführung nicht unbedingt Freunde gemacht hat. Sanio, dessen Amtsauffassung "Solange ich hier Präsident bin, wird diese Institution beißen" lautete und der sich selbst als Hardliner sah, ist nun auf Hilfe von genau der Seite angewiesen, die er bisher rigoros kontrollierte. Ob sich also die Politik als obersten Chef der Allfinanzaufsicht weiter einen erklärten "Angstgegner" der Finanzbranche leistet, wird sich spätestens am 26. September zeigen. Dann tagt der BaFin-Verwaltungsrat und wird Sanio entlasten - oder nicht.

DPA · Reuters
DPA/Reuters/spi