Hausse Das Börsenhoch verhalf den Erben des Neuen Marktes zum Erfolg

Vor knapp einem Jahr führte die Deutsche Börse den neuen Index TecDAX für Technologiewerte ein und zog damit einen Schlussstrich unter das Kapitel Neuer Markt.

Der Aufstieg und Fall des Neuen Marktes erscheint vielen Anlegern wie ein Märchen aus längst vergangenen Zeiten, das sie am liebsten für immer vergessen möchten. Vor knapp einem Jahr führte die Deutsche Börse den neuen Index TecDAX für Technologiewerte ein und zog damit einen Schlussstrich unter das Kapitel Neuer Markt. Außerdem wurden die an der Frankfurter Wertpapierbörse gelisteten Unternehmen zwei Segmenten mit unterschiedlich strengen Auflagen zugeordnet. Das Fazit der Umstellung fällt aus Sicht der meisten Finanzakteure positiv aus. Allerdings half der Börsenaufschwung des vergangenen Jahres dabei kräftig mit.

Erfolgreicher als der Dax

Der TecDAX legte seit dem 24. März 2003, dem ersten Tag seiner Feststellung, um 71 Prozent auf 577,64 Punkte zu - stärker noch als der DAX mit den 30 größten deutschen Unternehmen, der um 50 Prozent auf zuletzt 3.819,15 Punkte kletterte. "Summa summarum haben wir das Richtige gemacht und das Glück des Tüchtigen gehabt", meint Christoph Lammersdorf, der bei der Deutschen Börse für die Index-Architektur verantwortlich ist. "Anleger und Unternehmen haben von den neuen Maßnahmen profitiert." Der Neue Markt existierte als Auslaufmodell noch bis zum 5. Juni 2003, als mit dem Mainzer Kabelnetzbetreiber PrimaCom das letzte Unternehmen das einstige Wachstumssegment verließ.

Die Börse übernahm die 26 wichtigsten Unternehmen des Neuen Marktes sowie vier Technologiewerte aus dem alten MDAX in den TecDAX. "Das Image des Neuen Marktes war hinüber. Der TecDAX hat ein vernünftiges Standing. Wir fühlen uns dort gut aufgehoben", meint Marcus Schaps, Sprecher der United Internet AG. Der MDAX wurde von 70 auf 50 mittelgroße Unternehmen aus den klassischen Branchen reduziert, die 50 nächstkleineren sind im SDAX notiert. Der DAX blieb unverändert. Alle diese Unternehmen (und 230 weitere) gehören dem Prime Standard an, der Quartalsberichte und internationale Rechnungslegung vorschreibt. Die 514 börsennotierten Unternehmen, die diese Auflagen nicht erfüllen, zählen zum General Standard.

Strenge Regeln halfen nicht

Auch der Neue Markt kannte strenge Regeln, doch etliche Unternehmen hielten sich nicht daran. Pleiten und Skandale waren an der Tagesordnung - die Münchner ComROAD hatte fast einen kompletten Jahresumsatz frei erfunden. Da die Zugehörigkeit privatrechtlich organisiert war, wehrten sich so genannte "Penny Stocks", die dauerhaft unter einem Euro notierten, erfolgreich vor Gericht gegen den Rausschmiss durch die Deutsche Börse. Der Verbleib im Prime Standard unterliegt daher nun der öffentlich-rechtlichen Hoheit der Börse. "Die Neuordnung war das Reparaturkit für die Fehler des Neuen Marktes", sagt Chef-Analyst Timo Graucob von der Privatbank Merck Finck. "Das System hat sich bewährt, aber einen Stresstest gab es bisher noch nicht."

Einigkeit herrscht bei Börse, Investoren und Analysten darüber, dass auch das beste Regelwerk nicht den operativen Erfolg der Unternehmen oder die Integrität der Manager garantieren kann. "Entscheidend ist letztendlich die Qualität", meint Rolf Drees von der Fondsgesellschaft Union Investment. Deren Aktienfonds werden meist nach den Perspektiven einzelner Firmen und Branchen und nicht anhand eines Index zusammengestellt. "Wir haben keinen TecDAX-Fonds im Angebot und spüren auch keinen schreienden Bedarf danach."

Porsche ohne Index-Zugehörigkeit erfolgreich

Das Beispiel des Sportwagenbauers Porsche zeige, dass auch Unternehmen, die keinem Index angehörten, an der Börse erfolgreich sein können. Porsche weigert sich, Quartalsberichte vorzulegen, und ist daher nur im General Standard vertreten. Union Investment tadele zwar dieses Verhalten, zeige sich aber nachsichtig, meint Drees: "Wer in der Schule besonders gut ist, darf auch mal aus dem Fenster gucken."

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Alexander Missal, dpa