Report von Greenpeace Trotz Verbot: Deutschland lädt tonnenweise Plastikmüll in der Türkei ab

Berge von Plastikmüll in der Türkei. Greenpeace prangert diese Zustände an.
Tonnenweise Plastikmüll aus Deutschland landet jährlich in der türkischen Natur. Greenpeace prangert diese Zustände an. 
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Die Müllberge wachsen immer weiter. Plastikabfälle, die EU-Staaten in der Türkei entsorgen, werden mehr und mehr. Ein Greenpeace-Report zeigt: Der Abfall belastet die Umwelt und die Einwohner des Landes schon jetzt enorm.

Dass Kunststoff-Müll in andere Länder verschifft wird, hat eigentlich einen praktischen Hintergrund. Denn recyclingfähiges Plastik kann weiter genutzt, zu anderen Produkten umgewandelt oder in Rohstoffe aufgespalten werden. Der Abfall hat somit einen Nutzen. Doch unter den riesigen Mengen an Plastik verbirgt sich tonnenweise Kunststoff, der nicht wiederverwertet werden kann.

Türkei der größte Abnehmer für Plastikmüll

China hat deshalb 2018 einen Importstopp für Abfälle in Kraft treten lassen. Staaten wie Vietnam und Thailand folgten dem Beispiel. Somit ist die Türkei inzwischen zum größten Abnehmer für Plastikmüll geworden. Zwischen 2004 und 2020 ist die Anzahl der aus Europa ankommenden Kunststoff-Abfälle um das 196-Fache gestiegen.

Die dortigen Unternehmen sind mit dieser Flut an Plastik überfordert. Nihan Temiz Ata von Greenpeace Türkei stellt fest: "Die meisten Abfall-Firmen hier haben zwar Importlizenzen, aber sie importieren viel mehr, als sie verarbeiten können." Hinzu kommt, dass viele Kunststoff-Arten gar nicht erst genutzt werden können, da sie eben nicht recyclingfähig sind.

Plastikmüll in türkischen Häfen

Solche Abfälle an andere Länder abzugeben, ist de facto verboten. Das „Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung“ ist bereits 1995 geschlossen worden. Mehr als 180 Staaten haben das Abkommen inzwischen unterzeichnet. Eine Verschärfung der Konvention vom Mai 2019 untersagt den Export von nicht-wiederverwertbaren Abfällen. Laut Greenpeace sind die Kontrollen aber offensichtlich nicht strikt genug.

Luftaufnahme vom Hafen Izmir in der Türkei
Momentan lagern Hunderte Container Plastikmüll in türkischen Häfen.
© Mehmet Emin Menguarslan / Picture Alliance

Denn nur so lässt sich erklären, dass im vergangenen Jahr 114 Containerladungen voller Plastikmüll, die die türkischen Behörden als illegal einstufen, aus Deutschland ausgeschifft werden konnten. Noch immer lagert der Abfall in fünf türkischen Häfen. Nach Angaben der dortigen Behörden erhalte man keine Unterstützung bei der Rückführung, weder von den Exportunternehmen noch von den deutschen Behörden.

Schäden für Umwelt und Gesundheit

Bereits jetzt gehen von den illegalen Mülldeponien schwerwiegende Gefahren für die Umwelt und den Menschen aus. Das zeigt eine Untersuchung von Greenpeace, bei der die Experten Boden-, Asche-, Wasser- und Sedimentproben aus fünf verschiedenen Orten in der Provinz Adana analysiert haben.

Das Ergebnis ist eindeutig: „In den Asche- und Bodenproben aller fünf Probenahmeorte wurde ein breites Spektrum umweltschädigender und zum Teil auch giftiger Chemikalien nachgewiesen“, heißt es im Report der Umweltschutz-Organisation. Diese schädlichen Stoffe sind entweder bereits im Plastik enthalten oder bei der Verbrennung des Abfalls entstanden.

Darunter beispielsweise Dioxine und Furane, die über Nahrung oder Trinkwasser in den menschlichen Körper gelangen können. Die Chemikalien können Hautläsionen hervorrufen, das Immun- und Hormonsystem schädigen und die Bildung von Tumoren fördern. Nicht weniger gesundheitsschädlich sind Metalle wie Cadium und Blei. Die Materialien können sich über einen langen Zeitraum im Körper anreichern und unter anderem Nervensystem, Blutkreislauf oder die Nieren angreifen. Zudem gelten die Metalle als krebserregend.

Greenpeace: "Verantwortung für den eigenen Müll übernehmen”

Sedat Gündoğdu von der Universität in Adana gab gegenüber Greenpeace an, dass auch die angrenzenden Gewässer und Felder durch Plastik und den giftigen Rauch, der bei der Müllverbrennung entsteht, belastet sind. "Die Ergebnisse sind absolut alarmierend”, fasst Manfred Santen, Greenpeace-Experte für Chemie, zusammen. "Deutschland muss Verantwortung für den eigenen Müll übernehmen”, fordert er.

"Der eigene Müll", das sind im Jahr rund sechs Millionen Tonnen Kunststoff. Gerade einmal 2,8 Prozent davon werden so recycelt, dass das Plastik wie Neukunststoff eingesetzt werden kann. Das geht aus dem Plastikatlas der Heinrich-Böll-Stiftung hervor. Der Rest wird zur Energiegewinnung verbrannt oder exportiert.

Autoreifen und anderer Plastikmüll in der türkischen Natur
Der Plastikmüll in der Natur belastet die Umwelt und die Gesundheit der Anwohner.
© Westend61 / Imago Images

Das muss sich ändern, verlangen die Experten von Greenpeace. Die Bundesregierung sollte nicht nur umgehend die Container aus den türkischen Häfen zurückholen, sondern die Ausfuhr von Kunststoffabfällen vollständig verbieten.

Zusätzlich sei auch Hilfe vor Ort notwendig. Um die bereits angerichteten Schäden zu kompensieren, appellieren die Experten an die Regierung, die Türkei bei der Beseitigung des illegalen Mülls und bei der fachgerechten Sanierung der Deponien finanziell zu unterstützen.

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