Zuerst die Corona-Pandemie, dann der Ukraine-Krieg: Seit Monaten steigen die Preise in Deutschland – bei praktisch allen Produkten. Besonders deutlich merken Kunden dies beim täglichen Einkauf im Supermarkt oder Discounter. Egal ob Wurst, Käse oder Nudeln, die Preise sind im Vergleich zu denen vor einem Jahr deutlich höher. Die Verbraucherorganisation "Foodwatch" hat nun in einer Analyse festgestellt, dass die gestiegenen Lebensmittelpreise vor allem die betreffen, die ohnehin schon aufs Geld achten müssen. Denn die eigentlich günstigeren Eigenmarken haben die größten Preissprünge zu verzeichnen.
Eigenmarken besonders teuer: Inflation lässt Preisunterschied zu Markenprodukten schwinden
Egal ob bei Rewe, Lidl, Edeka oder Aldi: Die Lebensmittel des täglichen Lebens sind deutlich teurer geworden. Laut der Foodwatch-Analyse haben die Ketten im Laufe des vergangenen Jahres die Preise von knapp 70 Prozent aller ihrer Produkte angezogen. Um dies festzustellen, wertete die Organisation die Preise mit Hilfe der App "Smhaggle" aus.
Ganz besonders betroffen sind die Eigenmarken wie "gut & günstig", "ja!", "Milbona" oder "Milsani". Die vom Handel als "Preiseinstiegs-Eigenmarken" bezeichneten Brands sind eigentlich die günstigsten im Regal. Doch mittlerweile sind sie teilweise fast so teuer geworden wie die Markenprodukte, denen sie nachempfunden sind.
Laut der Analyse sind die Preise der Eigenmarken zwischen Januar 2022 und Januar 2023 um durchschnittlich 30,9 Prozent gestiegen – und damit doppelt so stark wie die der ursprünglich teureren Markenprodukte (14 Prozent). Der Chef der Handelskette Rewe erklärte dies kürzlich im "Spiegel" damit, dass Markenprodukte eine höhere Gewinnmarge hätten und Eigenmarken dementsprechend Preiserhöhungen direkt an den Verbraucher weitergeben müssten.
Besonders problematisch dabei: Viele Grundnahrungsmittel der Eigenmarken hatten sogar einen Aufschlag von bis zu 75 Prozent zu verzeichnen. Praktisch bedeutet dies: Ein beispielhafter Warenkorb mit Lebensmitteln des täglichen Lebens, wie Nudeln, Reis Hackfleisch oder Tomatenmark, habe sich innerhalb eines Jahres um 32,6 Prozent verteuert – von etwa 45 Euro auf knapp 60 Euro. Dabei waren frische Artikel wie Obst und Gemüse sogar noch ausgeklammert.
Foodwatch fordert Hilfe für Bürgergeld-Bezieher
Foodwatch betont, dass die Preissteigerung der Eigenmarken gleich mehrere Gefahren für armutsbetroffene Menschen berge: Zum einen stelle sie ein Gesundheitsrisiko dar, weil sich viele Menschen nun gesunde Lebensmittel wie Obst und Gemüse nicht mehr leisten können. Gerade für Kinder werde dies gefährlich, da armutsbetroffene Menschen öfter zu hochkalorischen Lebensmitteln greifen, weil sie satt machen und häufig noch verhältnismäßig günstig sind. Schon jetzt litten mehr arme Kinder an Adipositas als wohlhabende Kinder. Gleichzeitig fehlten ihnen oftmals wichtig Mikronährstoffe, die zu verzögertem Wachstum und zu kognitiven Entwicklungsstörungen führten.
Ein weiterer gefährlicher Aspekt der steigenden Lebensmittelpreise sei die allgemeine Ernährungsarmut in Deutschland. So seien bereits Ende 2021 rund 12,5 Millionen Menschen in Deutschland zumindest zeitweise von Ernährungsarmut betroffen gewesen. Die gestiegenen Preise hätten diese Situation deutlich verschärft. Schon im Januar hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mitgeteilt, dass die damaligen Hartz IV-Empfängerinnen und -Empfänger durch die Inflation im Jahr 2022 de facto unter das Existenzminimum gerutscht seien. (Der stern berichtete).
Eine ähnliche Entwicklung befürchtet auch Foodwatch. Deshalb fordert die Verbraucherorganisation die Bundesregierung auf, die Regelsätze des Bürgergeldes zu erhöhen: "Der Regelsatz muss so berechnet sein, dass eine gesunde und sättigende Ernährung für alle Erwachsenen und Kinder gleichermaßen möglich ist. Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert beispielsweise, den Regelsatz der Grundsicherung auf mindestens 725 Euro anzuheben."
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Zudem sollten kostenlose Mittagessen in Schulen und Kitas angeboten werden und die Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte auf null sinken, um eine gesunde Ernährung so günstig wie möglich zu machen, so Foodwatch weiter.
"Gerade jene Produkte, auf die der einkommensschwächste Teil der Bevölkerung am meisten angewiesen ist, sind viel stärker im Preis gestiegen als der Rest des Lebensmittelmarktes. Wer schon vorher genau rechnen und jeden Cent umdrehen musste, ist jetzt besonders hart getroffen: Von einer versteckten, besonders drastischen Teuerung bei den Eigenmarken im Supermarkt", erklärte die Verbraucherorganisation.
Quelle: Foodwatch-Analyse, Der Spiegel