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Studie Inflation drückt Hartz IV-Empfänger unter Existenzminimum – Kritik an Bundesregierung

Hartz IV
Proteste bei der Landesarmutskonferenz im September in Hannover. Laut einer neuen Studie seien Hartz IV-Empfänger wegen der Inflation unter das Existenzminimum gerutscht (Archivbild)
© Moritz Frankenberg / DPA
Laut einer Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes litten Empfänger von Hartz IV besonders unter der Inflation. Die Preissteigerungen drückten sie sogar unter das Existenzminimum.

Erst die Corona-Pandemie, dann der Ukraine-Krieg und schließlich die Energiekrise: Die Inflation spüren praktisch alle Bürgerinnen und Bürger beim Einkauf im Supermarkt oder beim Bezahlen von Rechnungen. Besonders trafen die Preissteigerungen aber Empfänger von Hartz IV und Grundsicherung. Das belegt eine Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), die dem stern vorliegt. Demnach sei die Kaufkraft von Grundsicherungsbeziehenden bis zum Ende des Jahres 2022 so stark gesunken, dass sie de facto unter das Existenzminimum rutschten. 

Deutscher Gewerkschaftsbund: Hartz IV-Empfänger rutschen wegen Inflation unter Existenzminimum

Der DGB betont: "Die Armuts- und Unterversorgungslagen von Grundsicherungsbeziehenden haben sich im Jahr 2021 und insbesondere im Jahr 2022 aufgrund der Preissteigerungen erheblich verschärft." Dies betreffe sowohl Hartz IV-Empfänger als auch Bezieher von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie der Sozialhilfe. Für diese Gruppen gelten die gleichen Regelsätze. Noch geringer seien die Leistungen für Asylbewerber. 

Schon im Jahr 2021 sank die Kaufkraft von Alleinlebenden um knapp 170 Euro, bei Paaren mit zwei Kindern im jugendlichen Alter seien es gut 580 Euro gewesen, so der DGB. Noch dramatischer stellt sich die Situation im vergangenen Jahr dar: "In 2022 summieren sich die inflationsbedingten Verluste – selbst unter Berücksichtigung von Gegenmaßnahmen der Bundesregierung – auf fast das Dreifache." Dieser Wert ist allerdings bezogen auf Personen, die keinen Anspruch auf die Energiepreispauschale haben. In Zahlen ausgedrückt würde der Kaufkraftverlust einer alleinstehenden Person sich also auf 470 Euro im Jahr 2022 belaufen. Bei einer Paarfamilie mit zwei Kindern liege er ungefähr bei 1600 Euro. 

Familien mit zwei Kindern hätten laut Studie 1600 Euro zusätzliche Mittel bekommen müssen, um Inflation auszugleichen

Demnach hätte diese Beispielfamilie im vergangenen Jahr also 1600 Euro zusätzlich bekommen müssen, um den Realwert der Grundsicherung und somit das bestimmte Versorgungsniveau aufrecht erhalten zu können. Dabei bezieht sich der DGB auf die verfassungsrechtliche Vorgabe, dass das soziokulturelle Existenzminimum auch im Falle von plötzlichen Preissteigerungen immer gedeckt sein muss. Dies sei mit den den gewährten Einmalzahlungen des Bundes nicht erreicht worden.

Dabei steht die Frage im Raum, ob die Bundesregierung ihrem Versprechen gerecht wurde und wird, "niemanden in der Krise allein zu lassen." Laut der Studie ist der Anpassungsmechanismus, der die Regelsätze der Bezieher von Grundsicherung fortschreibt, blind für die aktuellen Preissteigerungen. 

So wurden die Sätze zum 1. Januar um 0,76 Prozent angehoben. Die Entwicklung der "regelsatzrelevanten Preise", also insbesondere der Lebensmittelpreise, stiegen dagegen im Dezember 2022 um mindestens 11,7 Prozent gegenüber dem Vormonat. 

Bürgergeld weckt Hoffnung auf Besserung – Inflationsausgleich ist für 2023 aber Zufall

Der DGB sieht die Einführung des Bürgergeldes und damit auch verbesserte Anpassungsmechanismen an die Inflation als Hoffnungsschimmer. So stieg der Regelsatz für Alleinstehende ab 1. Januar um 53 Euro, also um 11,8 Prozent. Mit dieser Erhöhung würde die prognostizierte Inflationsrate von 9,5 Prozent ausgeglichen, ja sogar übertroffen werden. Allerdings betonen die Herausgeber der Studie, dass dieser Anstieg keineswegs bewusst gewählt sei, sondern nur ein Zufall durch Hochrechnung der vergangenen Jahre. Ein systematischer Inflationsausgleich sei nicht sichergestellt.

Deshalb fordert der DGB, genau diesen Inflationsausgleich zu garantieren. Hierfür müsse der Gesetzgeber wesentlich spontaner auf plötzliche Preissteigerungen reagieren und dementsprechend die Regelsätze anpassen: "Die Regelsätze müssen immer mindestens so stark steigen wie die Preise", so der DGB.

Mit Material von AFP

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