Auszubildende "Die meisten leiden still"

In den Firmenhierarchien stehen Auszubildende ganz unten. Dabei sind sie mehr als jeder andere Angestellte vom Chef - und seinem Wohlwollen abhängig. Gibt es Probleme, haben sie oft keine Lobby - aber jetzt wenigstens ein Forum.

Ganz unten in der Firmen-Hierarchie stehen die Auszubildenden. Sie sind von ihren Vorgesetzten doppelt abhängig: Sie wollen einen Beruf lernen und hoffen, nach ihrer Lehre übernommen zu werden. Leider werden viele in den zwei bis drei Jahren während ihrer Ausbildung ausgenutzt, sie müssen Überstunden machen oder nach Feierabend das Büro putzen. Eine Lobby haben Azubis nicht.

Probleme abladen

Seit vier Jahren können sie sich an das Internet-Forum www.doktor-azubi.de vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) wenden. Hier können Jugendliche ihre Probleme abladen, eine erste Rechtsberatung holen oder einfach nur Erfahrungen austauschen. Am Anfang waren es zwei bis drei Einträge pro Tag, inzwischen suchen rund 20 Azubis und mehr täglich Rat. Innerhalb von 24 Stunden bekommen sie eine Antwort auf ihre Fragen und bei Bedarf auch einen Ansprechpartner der Gewerkschaft vor Ort. Betreut wird das Forum von vier Experten. Einer ist Marco Frank, politischer Referent in der Abteilung Jugend vom DGB. Mit ihm hat stern.de gesprochen.

Stern.de: Wer meldet sich bei Doktor Azubi?

Marco Frank: Auszubildende, die mit ihrem Chef Probleme haben. Das Forum bildet nur die Spitze des Eisbergs ab, nur eine Minderheit meldet sich bei uns. Die meisten leiden still.

"Lehrjahre sind keine Herrenjahre", hieß es früher. Gilt das auch heute noch?

Ja. Der Ton wird deutlich rauer, die Fälle werden härter. Die meisten Betriebe bilden zwar nach wie vor gut aus, aber die Zahl der Schwarzen Schafe steigt. Denn die Situation auf dem Ausbildungsmarkt ist schlechter geworden. Das wissen die Chefs - und die Auszubildenden. Viele sind froh, wenn sie überhaupt eine Lehrstelle gefunden haben und rebellieren schon deshalb nicht, weil sie ihren Platz nicht gefährden wollen. Andere kennen ihre Rechte nicht, für sie ist der Chef das Gesetz.

Wo liegen die Probleme?

Das Berufsbildungsgesetz regelt klar, was Ausbildung leisten muss. Oft klagen die Jugendlichen darüber, dass Ausbildungsinhalte nicht vermittelt werden. Etliche müssen außerdem Aufgaben übernehmen, die nichts mit der Ausbildung zu tun haben, zum Beispiel sollen sie putzen, den Hund Gassi führen oder das Auto vom Chef waschen. Viele müssen regelmäßig Überstunden machen. Dabei muss es dafür laut Gesetz einen Ausgleich und eine Vergütung geben. Besonders geschützt sind Auszubildende unter 18 Jahren. Ein weiteres Problem ist die Vergütung. Es gibt Fälle, da warten die Azubis drei bis vier Monate auf ihr Gehalt. Hinzu kommen Mobbing, Gewalt und sexuelle Belästigung. Wir haben etliche dieser Fälle im "Schwarzbuch Ausbildung" zusammengetragen.

Was raten Sie den Azubis?

Das Gespräch mit dem Chef zu suchen, auch - sofern vorhanden - mit dem Betriebsrat. Wir ermuntern sie, den Mund aufmachen, bevor es richtig schlimm wird und möglichst eine Kompromisslösung zu finden. Nur in ganz seltenen Fällen empfehlen wir den Abbruch der Ausbildung.

Gibt es Unterschiede zwischen den Branchen?

Besonders häufig beschweren sich Azubis aus dem Hotel und Gaststättengewerbe. In der Küche geht es nicht gerade zimperlich zu, und vielfach werden Azubis als volle Arbeitskraft einkalkuliert. 40 Prozent brechen ihre Ausbildung ab, weil sie den Druck nicht aushalten. Anstatt die Bedingungen in den Betrieben zu verbessern, stellen viele Hotels und Gaststätten von vornherein über Bedarf ein. Einmal meldete sich eine junge Bäckereifachverkäuferin, die führte bereits im ersten Lehrjahr allein die Filiale: Sie schloss morgens den Laden auf, holte Geld, verkaufte, machte abends die Kasse und räumte auf. Ihr Chef war nur per Handy erreichbar.

Interview: Catrin Boldebuck

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