Wie schlau Künstliche Intelligenz (KI) wirklich ist, darüber gibt es unterschiedliche Ansichten. Aber Gleiches gilt ja auch für Menschen, den Vorgesetzten am Arbeitsplatz eingeschlossen. In einer aktuellen Umfrage der Job-Plattform Indeed schneiden die Chefs gegenüber dem Chatbot jedenfalls nicht allzu gut ab: Fast 90 Prozent halten die KI bereits jetzt in bestimmten Bereichen für kompetenter als ihren Chef.
Befragt wurden 250 Frauen und 250 Männer unterschiedlichen Alters, die regelmäßig generative KI wie ChatGPT im Job nutzen. Insgesamt mehr als jeder Vierte gab an, sich bei Fragen oder Problemen schon heute zuerst an die Künstliche Intelligenz zu wenden. Der oder die Vorgesetzte ist hingegen nur für knapp jeden Sechsten erster Ansprechpartner. Immerhin: Jeder dritte Befragte bevorzugt noch die Hilfe der Kolleginnen und Kollegen aus Fleisch und Blut.
ChatGPT hat immer Zeit
Ein wichtiger Faktor dürfte sein, dass der Chatbot jederzeit verfügbar ist, während der Vorgesetzte eben noch andere Dinge zu tun hat und nicht immer greifbar ist, vermutet Indeed-Expertin Stefanie Bickert. So gaben 20 Prozent der Befragten an, sich täglich Input von der KI zu holen, aber nur 12 Prozent stehen jeden Tag im Kontakt mit ihrer Führungskraft. Ein weiterer Punkt: Der KI stellt man auch leichter als dem Chef mal eine vermeintlich dumme Frage – oder eine besonders unbequeme. Das gilt laut der Umfrage für weibliche Beschäftigte noch mehr als für männliche.
Es bleibt aber nicht bei solchen Fragen. Denn die Aufgaben, bei denen die Beschäftigten die KI dem Chef vorziehen, sind vielfältig. So bevorzugen 43 Prozent den Chatbot bei der Ideenentwicklung, ebenso viele sind der Ansicht, die KI verfüge über mehr Fachwissen als der Vorgesetzte. Beim Strukturieren von Aufgaben sehen 42 Prozent die KI im Vorteil, und sogar beim Thema Feedback und Reflexion sind es rund 33 Prozent. Nur 11 Prozent der Befragten halten ihre Vorgesetzten in allen Bereichen für mindestens ebenso kompetent wie die KI.
Immerhin einen leichten Vertrauensvorschuss gewähren die KI-Nutzer ihren Führungskräften gegenüber der technischen Konkurrenz noch. 33 Prozent vertrauen bei einer fachlichen Unsicherheit im Zweifel eher der Antwort des Vorgesetzten, 26 Prozent eher der KI. Viele betrachten aber auch beides als gleich vertrauenswürdig.
Die Umfrage zeige, dass generative KI nicht nur einfache Arbeitsabläufe beeinflusst, sondern auch die Schwächen klassischer Führung offenbart, sagt Indeed-Expertin Bickert. "KI wird nämlich nicht nur wegen ihres Fachwissens genutzt, sondern weil sie nicht urteilt, nicht unterbricht und keine Sanktionen befürchten lässt." Die Kehrseite der Medaille: "Wo Führung von KI ersetzt wird, entstehen zwar weniger offen ausgetragene Konflikte, aber eben auch weniger Innovation, Vertrauen und echtes Miteinander."