"Ich halte die Diskussion schon lange für verfehlt, die Arbeitszeiten im Osten auf Westniveau zu kürzen. Das Gegenteil ist nötig", sagte Guido Westerwelle. Deutschland wäre heute nach Ansicht des FDP Vorsitzenden weiter, wenn auch der Westen nach der Wiedervereinigung so veränderungsbereit gewesen wäre wie der Osten. Westerwelle will damit anregen, die Arbeitszeiten in Westdeutschland auf das Ostniveau zu erhöhen. Westerwelle sagte, dass der Standort Deutschland nur mit größeren Anstrengungen gesichert werden könne.
"Handfeste Strukturkrise"
Westerwelle fügte hinzu, dass Deutschland nicht in einer Konjunkturflaute, sondern einer "handfesten Strukturkrise" stecke. Um Investitionen ins Land zu holen, müssten vor allem Steuern und Lohnzusatzkosten gesenkt werden. "Dafür muss sich der Staat auf seine Kernaufgaben konzentrieren, beispielsweise aus der antiquierten Subventionierung der Steinkohle aussteigen", sagte der Politiker. Die Zukunft liege stattdessen in der Bildung sowie der Bio- und Gentechnologie.
Widerspruch gegen Westerwelles Forderungen kommt dagegen von einem Experten der Bundesanstalt für Arbeit. Angesichts der Krisen bei Opel und KarstadtQuelle sagte Ulrich Walwei, Vize-Direktor des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: "In der derzeitigen konjunkturellen Lage hielte ich das für kontraproduktiv".
Keine kurzfristigen Erfolge
Walwei sagte, eine generelle Arbeitszeitverlängerung würde zu mehr Erwerbslosigkeit führen, weil sich die Arbeit dann auf weniger Köpfe verteile. Der Experte räumte ein, dass Firmen in einem Aufschwung mit längeren Arbeitszeiten wettbewerbsfähiger seien könnten, weil die Lohnstückkosten sänken. Dieser Effekt setze aber frühestens nach einem Jahr ein, erklärte der Forscher. Sein Institut ist der wissenschaftliche Arm der Bundesagentur.
Der SPD-Wirtschaftsexperte Rainer Wend sieht unterdessen die Position der Arbeitnehmer wegen der Firmenkrisen geschwächt. "Ich habe den Eindruck, dass mindestens ein Teil der Unternehmer die gegenwärtige Standortdebatte ausnutzt, um soziale Standards bei den Beschäftigten abzubauen", sagte Wend.
"Forderungen der Arbeitgeber illegitim"
Der Bundestagsabgeordnete forderte die Beschäftigten auf, in Krisenzeiten ihren Beitrag zu leisten. Auf einzelne Maßnahmen wie Lohnverzicht oder längere Arbeitszeiten wollte sich Wend dabei nicht festlegen. Wo die Wettbewerbsfähigkeit gefährdet sei, müsse über Zugeständnisse verhandelt werden. "Überall da, wo es darum geht, kurzfristig den Gewinn zu erhöhen, finde ich solche Forderungen der Arbeitgeber illegitim." Wend regte an, dass Arbeitgeber, Gewerkschaften und Bundesregierung enger zusammenarbeiten sollten, um den Standort Deutschland zu sichern.
Auch bei Porsche scheint das Thema Arbeitszeit zum Konfliktthema zu werden. Jede Ausweitung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich sei "unmoralisch", sagte Betriebsratsvorsitzender Uwe Hück. "Das werden sehr harte Verhandlungen, nichts für Weicheier."
Berichten zufolge sind zwischen Vorstand und Betriebsrat Gespräche über eine Neuauflage eines Vertrags zur Standortsicherung im Gang, der im Sommer 2005 auslaufe. Dabei gehe es unter anderem um die den Mitarbeitern zustehende so genannte Steinkühlerpause.