Manager Lernen von den Sportstars

  • von Sabine Meinert
Sportliche Großereignisse wie die Fußball-EM, die Olympischen Spiele in Peking - und selbst die umstrittene Tour de France - sind für Manager kostenlose Weiterbildung. Denn Führungskräfte können sich von Sportlern eine Menge abschauen.

In den VIP-Lounges und Logen der großen Stadien zeigt es sich immer wieder: Bei Sportevents sind alle gleich. Auch Manager werden zu johlenden Fans, ja zu kleinen Kindern, wenn das erhoffte Tor fällt, ein Rekord gebrochen wird oder unerwartet die Qualifikation geschafft ist. Kein Wunder, sagt der Personal- und Kommunikationstrainer Olaf Kortmann. Denn Sport bietet eine breite Spielwiese für Gefühle - Nervosität vor dem Wettkampf, Anspannung, Glücksrausch beim Sieger, Trauer bei den Nicht-Platzierten, Mitleid für den unglücklich Ausgeschiedenen. Und Gefühle haben im Berufsleben meist wenig Platz. Angst, Freude, Nervosität und die restliche Gefühlspalette gibt es natürlich auch, doch häufig brodelt es gefühlsmäßig eher unter der Oberfläche.

Sport verändert - auch beim Zusehen

Was fasziniert ist auch die Unmittelbarkeit des Sports: Hier sieht man - abgesehen vom Foto-Finish - sofort, welcher Sprinter am schnellsten war, wer am weitesten gesprungen ist oder welche Nation das bessere Team stellte. Diese Erfahrung fehlt vielen Führungskräften im Berufsleben häufig. Erfolg oder Misserfolg sind hier deutlich weniger offensichtlich und vor allem selten zeitnah zu erleben.

Kortmann, der mehrere Jahre als Bundestrainer die Volleyballherren trainierte und heute das Beachvolleyball-Duo Sara Goller und Laura Ludwig coacht, animiert deshalb Führungskräfte, auf jeden Fall Sport zu machen - auch mit den Kollegen. "Das hilft nicht nur, körperlich fit zu bleiben. Der Sport verändert die Führungskräfte. Sie lernen, ihre Gefühle auszuleben, was sie im Team deutlich menschlicher macht", ist zum Beispiel seine Erfahrung aus einem Projekt bei der Deutschen Bahn. Gleichzeitig sehen Führungskräfte, wie wichtig es ist, Leistung abzurufen, wenn man sie braucht - nicht, wenn es sich zufällig ergibt. Sie erfahren, was es bringt, in sich hinein zu horchen, Gedanken und Körper zu erfühlen. Die Themen Entspannung und Work-Life-Balance rücken dadurch vermehrt in das Blickfeld von Managern. Zudem erkennen sie an sich selbst Stärken und Schwächen, so Kortmann.

Was Manager lernen können:

Gefühle zulassen

Motivation als Eigenleistung sehen

sich selbst kontrollieren

Fokussierung auf kurzfristige, erreichbare Ziele

Niederlagen nicht nachtrauern

Stärken und Schwächen erkennen

Denkgewohnheiten auf den Kopf stellen

ständiges Weiterlernen

Leistung auf den Punkt abrufen

situativ handeln

"Mitspieler" individuell bewerten und einsetzen

Entspannungstechniken/Stressabbau

Für den beruflichen Alltag hilfreich ist auch, dass Manager lernen, störende Gedanken auszuschalten und Stress abzubauen. "Zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Gedanken zu haben, das zählt", sagt Kortmann und verweist auf den Fußballer vor dem entscheidenden Elfmeter. Wer in solchen Momenten an die Konsequenzen denke, setze sich enorm unter Druck und erzeuge hohen Stress. Erfolgreicher könne der Schütze dagegen sein, wenn er sich auf die Schwächen des Torhüters, die eigene Technikstärke besinne und sich ganz auf den Schuss konzentriere. "Nicht in der Zukunft oder der Vergangenheit denken - 'hätte ich doch gestern...' oder 'wie geht es danach weiter ' - sondern den Fokus auf den Augenblick legen, damit eine Sache gut wird", transferiert der Coach dieses Element ins Berufsleben. "Und das kann man trainieren."

"Sich unendlich zu zerfleischen, bringt nichts"

Auch nach einer Niederlage versucht Kortmann, nicht allzu lange darüber zu sprechen. "Sich unendlich zu zerfleischen, bringt nichts. Das lenkt nur ab", weiß er aus dem Umgang mit seinen Sportlerinnen. Viel wichtiger sei es, Denkgewohnheiten auf den Kopf zu stellen, Fehler auszumachen und herauszufinden, was man daraus lernen könne - und wie das beim nächsten Mal umzusetzen sei.

Die weitverbreiteten Klagen über die widrigen Umstände lässt der Personalberater nicht zu. Schuld am verlorenen Spiel sei meist nicht das kühle Wetter, der schlecht sitzende Schuh, die mangelnde Unterstützung der Fans oder der ungerechte Schiedsrichter. "Klar muss sein: Die Umstände kann ich nicht kontrollieren, aber meine Vorbereitung, mein Spiel, meine Konzentration - all das kann ich beeinflussen." Es gelte, statt Gründen für das eigene Scheitern zu suchen, die Ressourcen zu heben, die beim nächsten Mal vielleicht zum Sieg führen - im Sport wie im Job.

Führungskräfte sind für die richtigen Rahmenbedingungen verantwortlich

Manager bewundern an Spitzensportlern oft deren starke Motivation. Manche Sportstars bereiten sich über Jahre auf ein bestimmtes Sport-Event wie die Olympischen Spiele vor. Dafür gilt es, Tag für Tag den inneren Schweinhund zu überwinden und zu trainieren. Doch Motivation kann man eher nicht erlernen, schränkt Kortmann ein. "Motivation ist quasi eine Eigenleistung, die man nicht delegieren kann. Es hilft jedoch, die eigenen Motive kennenzulernen und zu erkennen, warum Mitarbeiter etwas Bestimmtes tun. Geht es um Macht oder geht es darum, Leistung zu bringen? Steht das Projekt im Mittelpunkt der Arbeit oder der erhoffte Jahresbonus?" Führungskräfte sollten sich seiner Meinung nach nicht schuldig fühlen, falls es mit der Motivation im Team hapert. Allerdings seien sie zuständig für die richtigen Rahmenbedingungen. Wer regelmäßig Feedback gebe, wer sein Team ausreichend informiere, wer Interesse zeige am Fortgang eines Projekts, wer die gemeinsame Arbeit fördere und den Mitarbeitern eine Entwicklung ermögliche, lege eine gute Basis. Und: "Wer nicht redet, schafft es nicht. Man muss sich immer klar sein darüber, dass man es mit Menschen, nicht mit Zahlenkolonnen zu tun hat."

Team nicht vergessen

Die "Mitspieler" im Berufsleben haben viele Führungskräfte zu wenig im Blick. An Spitzenmannschaften kann man jedoch sehen, wie sehr ein Ergebnis vom Miteinander, vom Aufeinander-Eingespielt-Sein und Respekt abhängt. Manager sollten ihre Mitarbeiter als entscheidende Ressource sehen und sie fördern. "Einen Torwart als Linkaußen einzuwechseln kann durchaus gutgehen, aber sinnvoller wäre, seine Reaktionsfähigkeit zu trainieren und ihn beim Elfmeter-Schießen einzusetzen. Im Fußball-Team würde das jeder so machen, im Berufsleben spielt es kaum eine Rolle", ist Kortmanns Eindruck. Der Berater betreut derzeit bei der Schuh-Kette Reno ein Projekt. Das Unternehmen will expandieren und gleichzeitig die Unternehmenskultur verändern. Filialleiter sollen sich künftig nicht mehr als Angestellte, sondern als eigenständige Unternehmer verstehen. Das ändert auch den Umgang mit den Mitarbeitern. Es zeigte sich bereits zu Beginn der Umstellung: Wo Chefs ihre Mitarbeiter individuell bewerten, ihnen Aufgaben entsprechend ihrer Fähigkeiten zuweisen und freundschaftlich-respektvoll mit ihnen umgehen, klingelts öfter in der Kasse.

Mehr Jahresumsatz als großes Ziel für alle Reno-Filialen auszugeben, hält Kortmann jedoch für ungünstig. Hilfreicher sei, kurzfristige, erreichbare Ziele für jede einzelne Einheit zu definieren und anzugehen. Zum Beispiel: innerhalb der nächsten vier Wochen den Handtaschenständer im Eingangsbereich zum attraktiven Kundenfänger zu machen oder die Sortierung im Lager auf Vordermann zu bringen. Solche "Quick wins" sind zwar nur kleine Schritte auf dem Weg zum großen Ziel, sie sind greifbarer, umsetzbarer, der Erfolg ist schneller zu sehen und macht die Mitarbeiter zufriedener. "Ein großer Erfolg ist häufig die Folge vieler Alltagsereignisse."

Erfolg nicht nur an Zahlen messen

Eine der wichtigsten Erkenntnisse - so Kortmanns Erfahrung - ist, dass Manager sich bei Spitzensportlern abschauen, wie man es schaffen kann, andere wertschätzend zu beeinflussen: mit Offenheit, mit Reaktionen, die der Situation entsprechen, mit der Erkenntnis "Im Job habe ich mit Menschen, nicht mit Zahlen, Projekten, Zielen zu tun." Denn, so der Coach: "Führung misst sich am Erfolg. Und zwar beileibe nicht nur am wirtschaftlichen. Es zählt auch, ob ganze Kohorten von Mitarbeitern kündigen oder sich die Angehörigen anderer Abteilungen um einen Job in meinem Team reißen." Gleichzeitig macht der Personalberater Mut: "Wer an sich arbeitet, entwickelt sich. Also: Rechnen Sie mit dem Erfolg!"

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