Öffentlicher Dienst Polizei mischt sich in Tarifstreit ein

Verdi-Chef Frank Bsirkse will die Notversorgung nicht mehr gewährleisten, wenn die Arbeitgeber Privatfirmen mit der Müllabfuhr beauftragen. Doch diese Ankündigung ruft die Polizei auf den Plan.

Die Stuttgarter Polizei will streikende Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes zum Räumen und Streuen verschneiter und vereister Straßen bewegen. "Aus Gründen der Verkehrssicherheit und der Gefahrenabwehr müssen wir die Mitarbeiter der Räumdienste dazu bringen, dass der Winterdienst erledigt wird", sagte ein Polizeisprecher am Freitag. Vor allem zahlreiche Hangstraßen in der Landeshauptstadt Stuttgart müssten geräumt werden. "Wenn wir das jetzt nicht machen, haben wir später Chaos." Die Polizei wolle mit Fingerspitzengefühl vorgehen und sich nicht in den laufenden Arbeitskampf einmischen. Notfalls müssten die Polizisten die Streikenden jedoch auf die Räumfahrzeuge zwingen. "Es wäre rechtswidrig, wenn sie sich weigern“, sagte er.

Die Gewerkschaft hat unter anderem die Beschäftigten der Räumdienste und der Müllabfuhr seit Mitternacht komplett zum Streik aufgerufen, um gegen längere Arbeitszeiten und den Einsatz privater Firmen bei der Müllentsorgung während des seit vier Wochen laufenden Arbeitskampfes zu protestieren. Ein Verdi-Sprecher hatte am Morgen eingeräumt, dass sich nicht alle Beschäftigten der Räumdienste und der Müllabfuhr am Streik beteiligen. Einige Räumfahrzeuge seien in der Nacht und am Morgen zum Winterdienst auf den Straßen unterwegs gewesen.

Verdi-Chef Frank Bsirske hat versucht, den Druck auf die Arbeitgeber zu erhöhen und eine Kündigung der Notdienstvereinbarungen, die auch den Winterdienst regelt, dabei nicht ausgeschlossen. Außerdem forderte er die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes auf, schnell an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Sie sollten sich ernsthaft um einen für beide Seiten tragfähigen Kompromiss zu bemühen, sagte Bsirske am Freitag in Nürnberg. "Ich setze darauf, dass am Ende die Vernunft siegt." Die Gewerkschaften würden sich jedoch nicht von einseitigen Diktaten der Arbeitgeber in die Knie zwingen lassen. "Sollten die Arbeitgeber zum Beispiel private Müllentsorger verpflichten, dann werden wir natürlich reagieren", sagte Bsirske im ZDF. "Wir werden den Streik auf Bereiche ausdehnen, die der Arbeitgeber ökonomisch merkt."

Bsirske gibt sich gesprächsbereit

Bsirske, der heute in Nürnberg die Pläne seiner Gewerkschaft erläutern will, sagte im ZDF: "Wir sind gesprächsbereit." Den Arbeitgebern warf er "Doppelzüngigkeit" vor. Sie hätten versucht, Stellenstreichungen im großen Stil durchzusetzen. Es liege nun an ihnen, sich "zu bewegen und die Dauer des Streiks zu verkürzen, indem ein vernünftiger Kompromiss ausgehandelt wird". Ein neues Spitzengespräch auf Länderebene ist für den 10. März geplant. Am Donnerstag hatten in mehreren Ländern etwa 30.000 Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes die Arbeit niedergelegt.

SPD-Fraktionschef Peter Struck übte deutliche Kritik am Vorsitzenden der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, Hartmut Möllring (CDU). "Ich denke, dass die Verhandlungsführung des niedersächsischen Finanzministers Möllring zu schroff ist, um Kompromissbereitschaft bei Verdi zu erreichen", sagte Struck der "Neuen Presse" in Hannover. "Wenn man lange genug in der Politik ist, dann weiß man, dass es auch auf die Art und Weise ankommt, wie man mit dem Partner umgeht", sagte Struck.

"Sehe keine schnelle Einigung"

Verdi hat angekündigt, vor einem Spitzengespräch auf Länderebene am 10. März mehrere große Protestaktionen organisieren zu wollen. Möllring zeigte sich unbeeindruckt. "Eine schnelle Einigung sehe ich nicht. Wir werden bei der Arbeitszeit und den Sonderzuwendungen nicht nachgeben", sagte der CDU-Politiker der DPA.

Mit den Streiks - die vor fast vier Wochen in Baden-Württemberg begannen - wehren sich die Arbeitnehmer gegen eine Ausweitung der Wochenarbeitszeit sowie gegen Kürzungen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Durch längere Arbeitszeiten gingen Arbeitsplätze verloren, argumentiert Verdi.

Am Mittwoch hatten sich Arbeitgeber und Verdi in Hamburg auf gestaffelte Arbeitszeiten in den städtischen Betrieben geeinigt. Sie richten sich nach Alter und Gehaltsstufe und Kindern der Beschäftigten.

Hamburg als Vorbild?

Nach Einschätzung des Hamburger Weltwirtschafts-Instituts (HWWI) könnte der in Hamburg gefundene Kompromiss zu einem raschen Ende des Tarifkonflikts im öffentlichen Dienst führen. "Es wird für Kommunen und Länder sicherlich schwer, sich von den Grundzügen der Einigung in Hamburg abzukoppeln", sagte HWWI-Präsident Thomas Straubhaar der Dortmunder Zeitung "Ruhr Nachrichten".

In Thüringen wird mit einem Ergebnis der Urabstimmung über Streiks im öffentlichen Dienst gerechnet. Nach drei Wochen Ausstand an den Universitätskliniken in Nordrhein-Westfalen will Verdi dort über den Stand der Dinge informieren.

In Baden-Württemberg hat Verdi die Notdienstvereinbarungen der Müllabfuhr und des Winterdienstes zwei Tage nach den geplatzten Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Kommunen bereits gekündigt. Damit ist unklar, wie nach dem Wintereinbruch die Straßen geräumt werden. Die Stadt will die Müllberge von Montag an von privaten Entsorgungsfirmen beseitigen lassen. Ein neuer Schwerpunkt des Streiks sind kleinere Städte und Landkreise, wo unter anderem Müllabfuhr, Bauhöfe und städtische Dienststellen einbezogen wurden.

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