Verdi-Streik Berlin steht still

  • von Nana Gerritzen
Seit der Nacht zum Mittwoch dreht sich an Berlins U-Bahnen, Bussen und Trams kein Rad mehr. Die BVG streikt - ein Ende ist bisher nicht in Sicht. Einzig die überfüllte S-Bahn fährt noch. Aber nicht mehr lange, denn für Montag hat auch die GDL wieder Streiks angekündigt.

Am Bahnhof Friedrichstraße herrscht am Donnerstagvormittag absoluter Ausnahmezustand. Überall sind Autos und hupen um die Wette. Dazwischen versuchen sich Fahrradfahrer einen Weg zu bahnen. Man wundert sich fast, dass es nicht ständig kracht. Alle fünf bis zehn Minuten strömen Menschenmassen aus der S-Bahn auf die Straße.

Ohne Streik geht's nicht

"Ich kann gut verstehen, dass es für die Mitarbeiter um einiges geht", sagt Julia Gärtner, die auf dem Weg zur Arbeit ist. Die 25-Jährige wohnt im Stadtteil Prenzlauer Berg und konnte sich gerade noch in die völlig überfüllte S-Bahn Richtung Stadtmitte drängeln. Ab Montag fällt dieses letzte öffentliche Verkehrsmittel ebenfalls weg, denn auch die Lokführergewerkschaft GDL hat zum erneuten Arbeitskampf aufgerufen. "Selbst das kann ich gut verstehen", so Gärtner. "Ohne Streik scheint ja niemand zu begreifen, dass es um Arbeitsplätze und Existenzen geht." Sie will dann aufs Fahrrad umsteigen und hofft, dass der Winter sich demnächst endlich verabschiedet.

Bereits in der Nacht zum Mittwoch haben U-Bahn-, Tram- und Busfahrer ihre Arbeit niedergelegt. Die Gewerkschaft Verdi fordert für alle 11.500 Beschäftigten der BVG Einkommensverbesserungen von acht bis zwölf Prozent. Die Arbeitgeber wollen nur die Löhne der etwa 1000 seit 2005 neu eingestellten Beschäftigten erhöhen. Bisher gibt es keinen neuen Verhandlungstermin.

"Kein Entgegenkommen"

"Wenn der Arbeitgeber ein diskutables Angebot macht, kann der Streik innerhalb weniger Stunden zu Ende sein, wir können sehr schnell reagieren", sagte Verdi-Pressesprecher Andreas Spanemann Donnerstagmittag stern.de. "Wir gehen bisher allerdings von keinerlei Entgegenkommen aus." Ohne neues Angebot werde der Streik weiter fortgesetzt, auch wenn es durch den GDL-Streik dann zum totalen Stillstand Berlins kommt. "Es geht nicht darum, die Fahrgäste zu ärgern", betont Spanemann. "Ich bin selbst BVG-Nutzer und spätestens ab Montag auch aufgeschmissen." Kommt es, wie erwartet, zu keiner neuen Verhandlung, dauere der Streik jedoch mindestens bis nächste Woche Freitag an. Wie es danach weitergeht, sei nicht abzusehen.

Noch scheinen die meisten Berliner den Zwangs-Stillstand gelassen zu sehen. Die Bushaltestellen sind verwaist, außer ein paar verirrten Touristen hofft hier keiner mehr vom Fleck zu kommen. Die angekündigten Notbusse fahren sehr unregelmäßig. Viele steigen auf das eigene Auto um, was auf den Straßen zu einigen Staus führt. Wer es eilig hat, nimmt das Fahrrad. Trotz Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt sind entlang dem Landwehrkanal so viele Radfahrer unterwegs, wie sonst nur an Sommerwochenenden. "Normalerweise fahre ich im Winter mit der U-Bahn", ruft ein Radfahrer. "Aber irgendwie muss ich ja zur Arbeit kommen." Und zwar pünktlich, denn als Entschuldigung fürs Zuspätkommen gilt ein Streik nicht.

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