Bahnstreik Gleise leer, Straßen voll

Streik auf der Schiene heißt Stau auf den Straßen. Durch den Ausstand der Lokführer ging es für die Autofahrer vor allem rund um die Großstädte nur im Schneckentempo voran. Das Schlimmste daran: Morgen könnte es noch schlimmer werden. Zudem drohen neue Streiks.

Der Bahnstreik hat für erheblich mehr Verkehr auf deutschen Straßen gesorgt. "Der Berufsverkehr begann deutlich früher als sonst", sagte ADAC-Sprecherin Maxi Hartung der AP. Vor allem rund um die Ballungszentren seien die Autofahrer auf den Autobahnen und Einfallstraßen zeitweise nur im "Stop-and-go-Verkehr" vorangekommen. Insgesamt habe es aber deutlich weniger Staus gegeben als beim Streik am Donnerstag vergangener Woche. "Viele Autofahrer, die das letzte Mal im Stau standen, sind heute früher losgefahren", sagte Hartung. Für Entspannung im Norden habe zudem gesorgt, dass in den norddeutschen Bundesländern noch die Herbstferien andauerten. Dagegen seien das Rhein-Ruhr-Gebiet sowie die Großräume um Stuttgart und München am härtesten von Staus betroffen gewesen. "Hier hat die Rush-Hour am Morgen deutlich länger gedauert als üblich."

Auch Unfälle und Baustellen hätten angesichts des dichten Verkehrs vielerorts deutlich stärkere Auswirkungen gehabt als üblich. Zeitweise habe sich der Verkehr auf mehreren Strecken bis zu 15 Kilometer gestaut. "Für den Freitag rechnen wir vor allem im Süden mit noch mehr Problemen, da zusätzlich zum Bahnstreik in Baden-Württemberg und Bayern die Herbstferien beginnen", sagte Hartung.

Wo bekomme ich weitere Informationen?

Die Lokführergewerkschaft GdL schließt nicht aus, dass es durch die Streiks im Nahverkehr auch zu Behinderungen im eigentlich nicht bestreikten Fernverkehr kommen kann. Für den Streikzeitraum hat die Bahn einen Notfahrplan bereit gestellt. Seit Mittwochnachmittag steht er auf der Homepage der Bahn - www.bahn.de/aktuell. Informationen über Behinderungen und Fahrplanänderungen können Sie auch rund um die Uhr bei der kostenlosen Bahn-Hotline 08000 99 66 33 abrufen. Hier seien rund 1700 Mitarbeiter im Einsatz. Kunden aus dem Ausland können sich telefonisch bei der Service-Hotline +49 1805 33 44 44 informieren (Gebühren je nach Herkunftsland und Provider). Nutzer eines WAP-fähigen Mobiltelefons können aktuelle Informationen über mobile.bahn.de/ris abrufen.

Wirtschaftlicher Schaden bei der Bahn

Zum Auftakt ihres 30-stündigen Streiks hat die Lokführergewerkschaft GDL am Donnerstag mehr als die Hälfte aller Züge im S-Bahn- und Regionalverkehr lahm gelegt. In Westdeutschland sei am Morgen nur jeder zweite Zug gefahren, während Ostdeutschland noch stärker betroffen sei, teilte die Bahn mit. Der wirtschaftliche Schaden durch die Arbeitsniederlegungen sei erheblich, sagte Bahn-Vorstand Karl-Friedrich Rausch im ZDF-"Morgenmagazin". Bereits jetzt habe das Unternehmen Kunden verloren, die nur schwer zurückgewonnen werden könnten. "Viel schlimmer kann es kaum noch werden."

Nach vier Monaten Arbeitskampf haben die Lokführer ihre Arbeit erstmals für mehr als einen Tag niedergelegt. Der Streik begann um.02.00 Uhr bei der S-Bahn in Berlin und Hamburg und erfasste danach Strecken im gesamten Bundesgebiet, wie die Streikleitung der Gewerkschaft Deutscher Lokführer mitteilte. Sie will die Bahn dazu bringen, einen eigenen Tarifvertrag für die Lokführer zu vereinbaren. Außerdem werden Verbesserungen bei Einkommen und Arbeitszeit gefordert. Die stärksten Einschränkungen gab es nach Angaben der Bahn in Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern.

Die Bahn schloss ein neues Angebot für die Lokführer erneut aus. Stattdessen forderte Rausch die GDL auf, Verhandlungen über das vorliegende Angebot aufzunehmen. Der stellvertretende GDL-Vorsitzende Günther Kinscher schloss dies aus. Dabei hofft die GDL auf eine Streikerlaubnis des Chemnitzer Arbeitsgerichts für den Güter- und Fernverkehr am 2. November: "Dann können wir echt Druck ausüben", sagte Kinscher. Sven Grünwoldt von der zentralen Streikleitung der GDL sagte, die Stimmung unter den Lokführern sei sehr gut. Nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg gebe es "eine wesentlich höhere Streikbereitschaft". Darin sei es der Bahn untersagt worden, streikbereite Lokführer unter Androhung einer Abmahnung zu planmäßigen Einsätzen heranzuziehen.

Urteil hat falsches Datum

Doch das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg, das die Notdienste während des Lokführerstreiks untersagen soll, trägt ein falsches Datum. Die am Mittwochabend ergangene Entscheidung, die der AP am Donnerstag vorlag, datiert den Verbotszeitraum auf den 26. Oktober,.02.00 Uhr, bis zum 27. Oktober.08.00 Uhr, also genau 24 Stunden später als der tatsächliche Streik stattfindet. Richterin Daniela Reber erklärte der AP am Donnerstag, sie werde umgehend ein Berichtigungsverfahren einleiten. Reber führte den Irrtum auf die Gewerkschaft Deutscher Lokführer zurück: "Es sind die Daten aus dem Antrag." Sie werde die Parteien anhören und ein Berichtigungsverfahren einleiten, danach stehe auch das in dem Urteil, "was gewollt war". Ein solches Verfahren sehe die Zivilprozessordnung ausdrücklich vor. Dazu würden die Parteien noch einmal gehört und dann gegebenenfalls das Urteil berichtigt.

Die GDL wollte der Bahn untersagen lassen, während ihres 30-stündigen Ausstands mit dem Argument der Notdienste streikwillige GDL-Mitglieder unter Kündigungsandrohung zum Dienst zu verpflichten, um einen Ersatzfahrplan durchziehen zu können. Dagegen war die GDL vor Gericht gezogen und in erster Instanz unterlegen. In zweiter Instanz obsiegte sie am Mittwochabend zwar, gab aber offenbar in ihrem Antrag ein falsches Streikdatum an. Das Gericht übernahm es.

Streng nach Buchstaben und Ziffern des Urteils ist der Bahn nun "aufgegeben, es zu unterlassen, während des für den Zeitraum vom 26. 10. 2007, 2.00 Uhr, bis zum 27. 10. 2007, 8.00 Uhr geplanten Streiks streikbereite und streikwillige Arbeitnehmer des Fahrpersonals planmäßig in dem in der Öffentlichkeit verkündeten besonderen Fahrplan einzuteilen sowie dispositiv im Rahmen dieses Fahrplans einzusetzen". GDL-Sprecherin Gerda Seibert erklärte auf Anfrage: "Ich kann nur sagen: Wir haben gewonnen." Bahnsprecher Uwe Herz erklärte, man behalte sich für den Zeitraum bis Freitag.02.00 Uhr Maßnahmen vor, die über die vom Gericht für den Zeitraum danach erlaubten Rahmen hinausgingen.

De jure seien nun Notdienste auch für die streikfreie Zeit zwischen Freitag und Samstag.08.00 Uhr untersagt. Auf Nachfrage sagte Herz, zurzeit gebe es keine solchen Maßnahmen. "Notdienste aus Sicherheitsgründen ordnen wir immer an, wenn es erforderlich ist", sagte Herz. Ausdrücklich ausgenommen von der Untersagung hatte das Gericht "Krankenversorgung, die Beförderung von Personen, die ansonsten keinerlei Mobilitätsmöglichkeit haben oder die Beseitigung von Störungen des Bahnverkehrs".

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